In Vergessenheit gerät, daß Elsässer als Vertreter des antideutschen Lagers jahrelang nicht nur gegen diesen Staat, sondern auch dessen Volk publizistisch gewettert hat. In der Jungle World drosch er auf Kritiker des Holocaust-Mahnmals ein und verhöhnte die Befürworter des Berliner Stadtschlosses als »Preußen-Nostalgiker«, die die Hauptstadt nach dem Ebenbild des schwarzweiß-roten Kaiserreichs gestalten wollten. Heute scheint Elsässer dagegen mit den Preußen keine Probleme mehr zu haben: Nationalstaat und Globalisierung. Als Linker vor der Preußischen Gesellschaft heißt sein neues Buch (Waltrop/ Leipzig: Manuscriptum, 101 S., 8.80 €).
Nun hat jeder das Recht, seine Positionen zu überdenken, und vielleicht meint es auch Elsässer ernst mit seinen Ansichten. Es ist jedoch bezeichnend, mit welchem Eifer Konservative und Rechte jetzt um die Aufmerksamkeit des Journalisten betteln. Ihre Dankbarkeit, daß sich hier einer herabläßt und mit ihnen diskutiert, hat etwas vom geprügelten Hund, der für den kleinsten Knochen artig mit dem Schwanz wedelt – anstatt die Hand zu beißen, die ihn für gewöhnlich schlägt. Wenn ein ehemals Linker sich auf das konservative Lager zubewegt, wird ihm dort alles Frühere verziehen. Einem von Rechtsaußen hingegen würden dieselben Konservativen bloß die kalte Schulter zeigen, denn das Wandern zwischen den politischen Welten ist nur in eine Richtung geduldet.
Bei Elsässer wäre es wichtig und interessant, ihn nach seiner Auffassung zum deutschen Schuldkult zu befragen und herauszukitzeln, wie er denn mit jenen Deutschen, die er bisher ohne multikulturelle Abfederung kaum zu ertragen vermochte, nun die Nation in Stellung bringen möchte. Für den einen oder anderen Querfront-Träumer dürfte dies ein bitteres Erwachen geben.
Und auch anderswo wird der Ruf nach einem lagerübergreifenden Bündnis lauter, etwa bei der Anti-Islambewegung. Deren Teilnehmer reichen mittlerweile von kleinen Rechtsparteien über Frauenrechtlerinnen bis hin zu jüdischen Publizisten und israelfanatischen Internetforen. Zwar sind die Islamgegner von einem gemeinsamen Bündnis noch weit entfernt, doch der Applaus, der einem Ralph Giordano oder einem Henryk M. Broder regelmäßig aus der konservativen Ecke zuteil wird, erinnert auch hier stark an das kurzsichtige Primat der amerikanischen Außenpolitik, wonach der Feind des Feindes ein Freund sein muß. Sicher, warum sollte man bei dem Thema nicht einen gemeinsamen Weg mit Giordano, Broder oder auch Alice Schwarzer einschlagen? Immerhin läßt sich dadurch ein breiteres Publikum erreichen. Allerdings sollte man dabei eben nicht vergessen, daß ein gemeinsamer Weg auch ein gemeinsames Ziel voraussetzt, und dieses dürfte zwischen Giordano und Anhängern einer Rechtspartei genausowenig bestehen, wie zwischen Schwarzer und Vertretern des christlich-konservativen Lagers.
Wer sich ein solches Bündnis wünscht, sollte bedenken, daß es aufgrund der Angriffsfläche an seinen Nahtstellen bei der ersten Gelegenheit wieder auseinanderbrechen wird. Die Partner solcher Allianzen bekämpfen sich meist gegenseitig, sobald der gemeinsame Feind besiegt und damit die Grundlage des Bündnisses hinfällig geworden ist. Als beispielsweise am 19. und 20. September vergangenen Jahres Pro Köln gegen den Bau einer Großmoschee einen »Anti-Islamisierungskongreß « und eine Kundgebung durchführen wollten, distanzierte sich Giordano lautstark und bezeichnete die Gruppierung als »lokale zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus«, deren Mitglieder »wenn sie könnten, mich in eine Gaskammer stecken würden.« Das ist nun so ziemlich die größte Keule, die man gegen einen im Thema Verbündeten schwingen kann.
Bündnisträumereien
pdf der Druckfassung aus Sezession 30 / Juni 2009
In Krisenzeiten verwischen die Grenzen der politischen Lager, die Mitte dünnt aus, Ränder und Querfront haben Oberwasser. Mancher träumt sogar schon von Bündnissen zwischen Lagern, die sich gestern noch feindlich gegenüberstanden. Auch der Publizist Jürgen Elsässer nährt diese Hoffnung. Mit seiner Forderung nach einer Volksinitiative von Lafontaine bis Gauweiler und dem Ruf nach einem starken Nationalstaat als Antwort auf die Finanzkrise fliegt ihm derzeit manch konservatives Herz zu.
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