Grenzgebiete

Als Nutznießer des Mauerfalls in vielfältiger Hinsicht läßt mich das diesjährige Jubiläum keinesfalls kalt. Unter den ungezählten Neuerscheinungen dazu ...

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

… hab ich ein paar Dut­zend gesich­tet und soeben mei­nen Favo­ri­ten gefun­den: Es ist ein­deu­tig Clai­re Len­ko­vas Bil­der­ge­schich­te Grenz­ge­bie­te. Eine Kind­heit zwi­schen Ost und West.

Just, als ich mit ein paar Kin­dern im hin­rei­ßend gemal­ten Comic – der­glei­chen heißt heu­te wohl gra­phic novel ‑schmö­ker­te, kam mei­ne Ältes­te in die Küche und sag­te. „Du mußt mal Deutsch­land­ra­dio ein­schal­ten, da ist was für Dich!“ Im Kin­der­buch­markt hat­ten sie gera­de die jun­ge Autorin und Illus­tra­to­rin Clai­re Len­ko­va im Gespräch. Wir schal­te­ten ein. Die­ses brei­te Säch­sisch, das ja wirk­lich nur bei Frau­en so lieb und rei­zend klingt!

Ja, die­se Frau und ihr wun­der­hüb­sches Buch hat wirk­lich alle Prei­se ver­dient, die sie hof­fent­lich noch ein­heim­sen wird. In Deutsch­land haben wir ja einen groß­ar­ti­gen Kin­der­buch­markt – allein auf­grund des­sen möch­te man eigent­lich ohne Unter­laß Jung­le­ser in die Welt set­zen. Aber dann reißt die Ver­mitt­lung recht abrupt ab. Für die „Jugend“ hat man zahl­rei­che Klas­si­ker parat, an neu­er Lite­ra­tur ragt wenig her­vor. Die Aus­wahl­lis­ten des jähr­li­chen Jugend­buch­prei­ses bestä­ti­gen es: Über­wie­gend über­setz­te Titel wer­den als krö­nungs­wür­dig ein­ge­stuft, und im Sach­buch­be­reich gab´s Jah­re ganz ohne deut­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen. Ein Elend.

Dem Grenz­ge­bie­te jeden­falls über­deut­lich abhilft! Len­ko­va nennt die Prot­ago­nis­tin ihres Sach­co­mics zwar Jana, es ist aber wohl ihre eige­ne Geschich­te, die sie hier erzählt. Die Geschich­te einer leid­lich glück­li­chen (weil für Kind­heits­glück und ‑Unglück meist, hier jeden­falls deut­lich, die Eltern zustän­dig sind) DDR-Kind­heit mit Aus­rei­se in den Wes­ten kurz vor dem Mau­er­fall. Dann die Ankunft im Wes­ten, das Außen­sei­ter­tum als äußer­lich deut­lich erkenn­ba­re „Ossi“. Die­se melan­cho­li­sche Hei­ter­keit, die tap­fe­re Tra­gik, die die­se 48 Sei­ten durch­weht! Und schrei­tet da nicht sogar der jun­ge Uwe Tell­kamp als NVA-Sol­dat durchs Bild?

Ergänzt wird die per­sön­li­che Bil­der­ge­schich­te durch kur­ze Sach­tex­te Len­ko­vas, die auf fast jeder Sei­te den unte­ren Rand bil­den: Was war die FDJ? Was ein Inter­shop, was ein VEB? Wann (1987!) wur­de die Todes­stra­fe abge­schafft, wie oft (227 mal) wur­de sie ver­hängt? Wer sich um Weih­nachts­ge­schen­ke für Nich­ten, Nef­fen, Töch­ter und Söh­ne etc. den Kopf zer­bricht – dies wäre ein vorteffliches.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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