Was sucht Merkel in Paris?

Angela Merkel (Bundeskanzlerin) ist morgen in Paris. Der 11. November ist nun nicht irgendein Tag, sondern der Tag, an dem...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

Deutsch­land 1918 kapi­tu­lier­te und damit den Ers­ten Welt­krieg ver­lor. Das Frie­dens­dik­tat, das auf die Kapi­tu­la­ti­on folg­te, folg­te vor allem dem fran­zö­si­schen Wunsch nach demü­ti­gen­der Schwä­chung des star­ken Nach­barn, und so kann der 11. Novem­ber 1918 für Deutsch­land kei­nes­falls als Frie­dens­tag bezeich­net wer­den. Das hat auch Lorenz Jäger in der FAZ vom 31. Okto­ber festgestellt.

Es ist nun so, daß der fran­zö­si­sche Minis­ter­prä­si­dent Sar­ko­zy ges­tern Ange­la Mer­kel in Ber­lin besuch­te, um den 20. Jah­res­tag der “fried­li­chen Revo­lu­ti­on” samt Mau­er­fall zu bege­hen. Im Gegen­zug reist sie nun nach Paris, um den fran­zö­si­schen Sie­ges­tag zu fei­ern, den Sar­ko­zy gleich in einen Tag der deutsch-fran­zö­si­schen Ver­söh­nung umwid­men möchte.

Die­sem Ansin­nen soll­te aus deut­scher Sicht nicht nur das bereits Gesag­te ent­ge­gen­ste­hen: der 11. Novem­ber 1918 ist nun ein­mal der Tag, von dem an Deutsch­land offi­zi­ell wehr­los den Anek­tie­rungs­ver­su­chen der Polen im Osten und der Fran­zo­sen im Wes­ten aus­ge­setzt waren – von den wirt­schaft­li­chen Kne­be­lun­gen ganz zu schwei­gen. Jäger:

Auf die Idee, dass ein deut­scher Bun­des­kanz­ler an den Fei­ern teil­neh­men könn­te, die des Sie­ges über sein eige­nes Land geden­ken, kam man erst spät – frü­her gab es ein Takt­ge­fühl, das die­sen Gedan­ken ohne wei­te­re Debat­ten aus­schloss. Erst Ger­hard Schrö­ders Absa­ge 1998 mach­te ein Poli­ti­kum aus dem Fern­blei­ben. Er hat­te die Ein­la­dung von Jac­ques Chi­rac aus­ge­schla­gen, aber geschichts­po­li­tisch unwei­se und sehr zwei­deu­tig Ter­min­pro­ble­me vor­ge­scho­ben, anstatt ein kla­res Wort zur Sache zu sagen.

Die gro­ße Ver­söh­nungs­ges­te zwi­schen Sar­ko­zy und Mer­kel soll aus­ge­rech­net unter dem Arc de Triom­phe statt­fin­den, der zugleich das Grab des Unbe­kann­ten Sol­da­ten überwölbt.

Nun ist ein Tri­umph­bo­gen nur des einen Tri­umph­sym­bol. Der (viel­mehr: die) ande­re muß dar­in das zwar mitt­ler­wei­le his­to­ri­sche, aber doch lan­ge Zeit unge­heu­er wirk­mäch­ti­ge Joch wahr­neh­men, unter das das eige­ne Volk sich zu beu­gen hat­te. Jäger:

Zudem wird der 11. Novem­ber in Paris auch mit einer Mili­tär­pa­ra­de gefei­ert. Der Hän­de­druck von Hel­mut Kohl und Fran­çois Mit­ter­rand in Ver­dun, dem Ort der schlimms­ten Schläch­te­rei­en, hat­te einen ganz ande­ren Cha­rak­ter. Die­se Ges­te der Ver­söh­nung war nicht nur legi­tim, son­dern ein his­to­ri­scher Moment: Denn sie war nicht in eine Sie­ges­fei­er und eine Demons­tra­ti­on der eige­nen mili­tä­ri­schen Macht ein­ge­bun­den, wie sie eine Para­de not­wen­dig darstellt.

Was also sucht Mer­kel in Paris? Das fragt sich Jäger auch, der angibt, die Nach­richt von der Rei­se erzeu­ge bei ihm

ein lei­ses Schau­dern. Ist die Mimi­kry der Bun­des­re­pu­blik auf ihrem „lan­gen Weg nach Wes­ten“ nun so weit gedie­hen, dass man sich in einer erin­ne­rungs­po­li­ti­schen Gym­nas­tik als der Besieg­te den Sie­gern zuge­sel­len will?

Götz Kubitschek

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Kommentare (5)

eo

10. November 2009 21:36

Vielleicht
war genau dies
die Bedingung, damit
Sarközy zum 20. Jahrestag
der Maueröffnung auch
zur großen Feier
nach Berlin
kam. Qui
sait ?

Nihil

10. November 2009 21:50

Merkel war nie politisch, sondern immer ein Apparatschik. Das ahnte bereits 1991 die SPD wie auch der "Spiegel":

'Bitter enttäuscht' ist die Vorsitzende der SPD-Frauen, Inge Wettig-Danielmeier, daß Angela Merkel jetzt plötzlich Zugeständnisse an die Konservativen[sic!] gemacht hat [...]. 'Man hat den Eindruck, daß ihr die Karriere wichtiger ist als ihre Überzeugungen'. Nicht nein sagen zu können hat der gescheiterte CDU-Vize Lothar de Maiziere als seinen größten Fehler bekannt. Es könnte auch Angela Merkels größtes Problem werden.

("Besser sein als alle anderen". In: Der Spiegel, Nr. 38/1991, S. 34)

Ich frage mich deshalb vielmehr: ist eine Debatte über Merkels Verhalten tatsächlich erhellend?
Wer sich Merkels Wesen wirklich annähern will, dem habe ich ein paar Bilder hochgeladen (hier) um sich anschließend zu fragen, ob man um diese Person tatsächlich politische Debatten führen muß.

Rudolf

10. November 2009 22:12

Würdelosigkeit gehört zur Staatsräson dieser Republik.
Das Rückgrat, das nach dem zweiten Weltkrieg gebrochen war, wächst auch in Bezug auf andere Fragen nicht wieder nach.

U.Roehlig

11. November 2009 02:10

Wenn Frau Merkel Paris besucht, so verhält sie sich diplomatisch klug.
Man sollte nicht soviel hineindeuten. Sie fährt bstimmt nur wegen der guten Küche hin und Wichtiges zu sagen hat sie ohnehin nicht.
Wahrlich vermisse ich taktisches Feingefühl - somit sollte sie den Pariser doch lieber zu Hause geniesen.

Honoré de la Canardière

11. November 2009 10:30

Kurz und bündig erwähnt Karlheinz Weißmann im neuesten Beitrag auf diesem Internetauftritt die Gründe, die die Anwesenheit Merkels an diesem Tag unter dem Triumphbogen surrealistisch und unwürdig machen.

Versöhnung setzt auch voraus, die ganze Wahrheit anzuerkennen und deutlich auszudrücken. Ohne den Versailler Vertrag hätte sich Adolf Hitler seiner Laufbahn als Unteroffizier in der Reichswehr gewidmet.
Nur der Versailler Vertrag konnte das Ungetüm gebären, das Europa in den Abgrund mitriß, wo es heute immer noch liegt.

Wie wäre es, wenn die Kanzlerin sich mal um den seelischen Zustand (m.M.n. katastrophal) des eigenen Volkes kümmern würde? Zum Beispiel am nächsten Sonntag (Volkstrauertag)?

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