Menschenrechte für Faschisten?

Was es genau war, das den 1991 an Aids verstorbenen Neonazi und FAP-Führer Michael Kühnen mit dem linken Dichter Erich Fried (1921-1988) verband: Ich weiß es nicht.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Auf einen haar­sträu­ben­den, ja: absur­den Lie­bes­brief von Fried an Küh­nen bin ich durch die Wie­ner Lite­ra­tur­zei­tung Voll­text auf­merk­sam gewor­den, deren Lek­tü­re auch des­halb lohnt, weil Her­ta Mül­ler dar­in mit einem wirk­lich beacht­li­chen Inter­view ver­tre­ten ist, das sie noch vor Bekannt­ga­be des Nobel­prei­ses gewährte.

Die umfäng­li­che, süß­li­che Schmerz­schrift von Fried an Küh­nen ein­zu­ord­nen, fällt mir schwer. An edi­to­ri­scher Notiz ist hier nur fol­gen­des bei­gege­ben: 1983 soll­ten der Erfin­der des „Küh­nen-Gru­ßes“ und Fried in einer TV-Sen­dung mit­ein­an­der dis­ku­tie­ren. Küh­nen wur­de kurz­fris­tig aus­ge­la­den, was Fried ärger­te. Die bei­den tra­fen sich, es folg­te ein Brief­wech­sel über Jah­re. Fried woll­te sogar für den zwi­schen­zeit­lich inhaf­tier­ten Neo­na­zi aussagen.

Der in Voll­text abge­druck­te Brief ist ein Aus­zug aus dem jüngst bei Wagen­bach erschie­ne­nen, von Vol­ker Kau­ko­reit her­aus­ge­ge­be­nen Buch: Erich Fried. Alles Lie­be und Schö­ne, Frei­heit und Glück. Brie­fe von und an Erich Fried.

Fried ver­sucht hier auf lan­gen Sei­ten vor Küh­nen zu begrün­den und ent­schul­di­gen, war­um in der taz ein Inter­view mit ihm – Fried – erschei­nen konn­te, in dem der als extrem cha­ris­ma­tisch gel­ten­de Küh­nen letzt­lich als „armer Hund“ dar­ge­stellt wurde.

Du weißt sicher auch, daß in mei­nem Brief an Dei­nen Anwalt steht: ‘Natür­lich wür­de ich Micha­el Küh­nen gern von vie­len sei­ner Ansich­ten abbrin­gen, doch ist mei­ne Bereit­schaft, für ihn aus­zu­sa­gen, davon in kei­ner Wei­se beein­träch­tigt.´ Das gilt nicht nur von den Aus­sa­gen vor Gericht, son­dern Du bedeu­test mir natür­lich viel, auch dann wenn ich Dich nie von etwas über­zeu­gen könn­te. Das ist so, wie wenn ich einem von mei­nem Kin­dern sage: ‘Das ist mei­ne Mei­nung: tust Du aber das Gegen­teil, so bedeu­test Du mir noch genau­so viel, und ich wer­de Dir immer noch zu hel­fen ver­su­chen und für Dich da sein.

Fried rühmt Küh­nens Brief­stil als ” mensch­lich gut” und “groß­her­zig”, doch:

Erst will ich noch sagen was ich von Herrn Horst Peters Satz: ‘wie jeder ande­re gemei­ne und heim­tü­cki­sche Ver­bre­cher kön­nen Faschis­ten Objek­te poli­zei­li­cher Ver­fol­gung sein´ hal­te. Natür­lich bin ich ande­rer Mei­nung, aber auch im Namen der ‘gemei­nen und heim­tü­cki­schen Ver­bre­cher´, die ja auch Mit­men­schen sind, oft auch in Wirk­lich­keit Opfer unse­rer Gesell­schaft. Sol­che blo­ßen Ver­fol­gungs­ob­jek­te könn­te man ja ihrer Men­schen­rech­te ledig spre­chen. Da wäre der Bes­se­rungs­an­spruch der Jus­tiz dann weg­ge­wischt. Nein!!! Natür­lich glau­be ich Dir, daß jedes Wort in Dei­nem lan­gem Brief an mich Dei­ne ehr­li­che Über­zeu­gung ist. Gera­de dadurch bestä­tigt mir Dein Brief ja auch, daß ich mich in mei­ner Ein­schät­zung Dei­ner Ehr­lich­keit, dei­nes mensch­li­chen Wer­tes, über all dei­ner guten Eigen­schaf­ten nicht geirrt habe, und dafür bin ich auch dank­bar. Und über­haupt ist es eine Leis­tung, in Dei­ner Lage einen so schö­nen Brief zu schreiben.

Hach, man möch­te Zei­le um Zei­le zitie­ren! Wie nied­lich und rei­zend ist das! Der Brief­wech­sel datiert aus jenen Jah­ren, als Fried nach sei­ner Zeit als der poli­ti­sche Dich­ter Nach­kriegs­deutsch­land nicht eben ver­ges­sen war – doch sei­ner­zeit schlug grad sei­ne spä­te Lie­bes­ly­rik („… es ist, was es ist, sagt die Lie­be.“) ein.

In der zwei­ten Hälf­te des Briefs an Küh­nen geht´s his­to­risch- poli­tisch zur Sache: War­um Neo­na­zis wie Küh­nen Ausch­witz eben nicht aus „Gemein­heit oder Trotz“ leug­nen. Daß es mutig sei, die Idea­le eines Ernst Röhm (den der homo­se­xu­el­le Küh­nen verehrte)von den Zie­len des SS-Staa­tes zu tren­nen. War­um Fried Sym­pa­thien zum jun­gen Hit­ler hegt, und war­um die von den Natio­nal­so­zia­lis­ten ein­ge­führ­te Tier­schutz­ge­setz­ge­bung vor­bild­lich sei.

Sachen gibt´s.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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