Deutsches Heldengedenken 2009

von Baal Müller

Trotz der Gefahr, als vaterlandsloser Geselle, Barbar und Banause dazustehen, möchte ich mich an dieser Stelle zu einer Ungeheuerlichkeit bekennen: Ich hatte den Namen "Robert Enke" bis zur Berichterstattung über seinen Freitod noch nie gehört.

Als Natio­nal­tor­hü­ter waren mir Jens Leh­mann und Oli­ver Kahn geläu­fig, und an ihre Vor­gän­ger kann ich mich noch bis her­ab zu Sepp Mai­er erin­nern, aber von dem bis­lang nur acht­ma­li­gen Natio­nal­spie­ler Robert Enke hät­te ich, als Fuß­ball- und Fern­seh­muf­fel, womög­lich erst nächs­tes Jahr etwas ver­nom­men, wenn er denn über­haupt als ers­ter Tor­wart bei der WM 2010 auf­ge­stellt wor­den wäre, was nicht sicher war.

Und selbst wenn es sich um Lothar Mat­thä­us, Jür­gen Kli­en­s­mann, Rudi Völ­ler, Franz Becken­bau­er oder um einen ande­ren Hel­den des Fuß­balls, um Boris Becker, Micha­el Schu­ma­cher, Stef­fi Graf oder sonst einen berühm­ten Sport­ler gehan­delt hät­te, stellt sich doch die Fra­ge nach der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit einer Trau­er­fei­er mit Spit­zen­po­li­ti­kern und Kir­chen­funk­tio­nä­ren wie dem ehe­ma­li­gen Bun­des­kanz­ler Ger­hard Schrö­der, dem nie­der­säch­si­schen Minis­ter­prä­si­den­ten Chris­ti­an Wulf, und der Rats­vor­sit­zen­den der Evan­ge­li­schen Kir­che in Deutsch­land, Mar­got Käßmann.

Nicht daß ich den rund 40.000 Men­schen, die am Sonn­tag im Sta­di­on von Han­no­ver 96 von ihrem “idea­len Vor­bild”, “Aus­nah­me­sport­ler”, “Sym­pa­thie­trä­ger” oder wie die Schlag­wor­te sonst noch lau­te­ten, Abschied genom­men haben, ihre Lust an der Trau­er ver­mie­sen möch­te, aber ein biß­chen wun­de­re ich mich doch über die­sen Toten­kult mit Kon­do­lenz­brief der Bun­des­kanz­le­rin an Enkes Ehe­frau, über die Beschwö­run­gen des “Robert Enke in uns allen” (FAZ) und die “Lee­re”, die Deutsch­land nun angeb­lich erfaßt habe.

Könn­te es viel­leicht sein, daß die­ses Ritu­al, das in ver­gleich­ba­rer Form noch für kei­nen Sport­ler in Deutsch­land zele­briert und von Kom­men­ta­to­ren mit der Trau­er­fei­er nach dem Tod Kon­rad Ade­nau­ers 1967 ver­gli­chen wur­de, etwas mit dem 9. und dem 11. Novem­ber – den Tagen von Mau­er­fall, “Reichs­kris­tall­nacht” und der deut­schen Kapi­tu­la­ti­on am Ende des Ers­ten Welt­kriegs – zu tun haben könn­te? Enke starb am 10. Novem­ber, also genau dazwi­schen. Bekannt­lich dient Fuß­ball heu­te oft als ver­hält­nis­mä­ßig fried­li­cher Kriegs­er­satz; die “gro­ßen Spie­le” der Welt- und Euro­pa­meis­ter­schaf­ten wer­den von Sport­funk­tio­nä­ren oder Jour­na­lis­ten, die dann auch in Deutsch­land plötz­lich ein natio­na­ler Furor erfaßt, gele­gent­lich mit den bei­den Welt­krie­gen ver­gli­chen, und Eng­land etwa kann sich mit sei­nen mili­tä­ri­schen Sie­gen eini­ger­ma­ßen über die noto­ri­schen Nie­der­la­gen gegen Deutsch­land nach dem übli­chen Elf­me­ter­schie­ßen hin­weg­trös­ten -, aber daß die Beer­di­gung eines Fuß­bal­lers als natio­na­les Trau­er­ri­tu­al gefei­ert wird, ist offen­kun­dig neu.

Es ist zwei­fel­los eine gute Erfin­dung, statt sich zu bekrie­gen, lie­ber Fuß­ball zu spie­len, aber anschei­nend läßt sich das Poli­ti­sche nicht gänz­lich durch Sym­bo­le erset­zen, und was von der Poli­tik ver­drängt wird, taucht beim Sport über­ra­schen­der­wei­se wie­der auf. Viel­leicht flos­sen die Trä­nen bei der Trau­er­fei­er für Robert Enke daher um so heftiger.

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