Sexratgeber deutsch/spanisch

In der FAZ von gestern schrieb Spanien-Korrespondent Paul Ingendaay, daß ein paar Wochen nach der gigantischen Antiabtreibungsdemo in Madrid erneut „der öffentliche Umgang mit der Sexualität die Spanier in zwei Lager“ spalte.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Es geht um eine Auf­klä­rungs­kam­pa­gne, die in der (gene­rell sozi­al­schwa­chen) Regi­on Extre­ma­du­ra unter dem Titel „Die Lust liegt in der dei­ner Hand“ auf den Weg gebracht wur­de. Dar­in wer­de u. a. „das Abc der Selbst­be­frie­di­gung“ vermittelt.

„Rech­te“ Publi­zis­ten spot­te­ten schon dar­über, daß die­ser Land­strich zwar die meis­ten Arbeits­lo­sen habe – „aber dafür lie­gen sie in der Mas­tur­ba­ti­on ganz vorn.“ In soge­nann­ten Work­shops, die die Bro­schü­ren flan­kie­ren, wer­den den Jugend­li­chen Vibra­to­ren und Ero­tik­spiel­zeug vorgeführt.

Ingen­da­ay, ein Links­li­be­ra­ler, sieht die Sache natur­ge­mäß gelas­sen. Er fin­det, daß eine „Kom­bi­na­ti­on aus Gefühls- und Sexu­al­erzie­hung (…) viel­leicht sogar Hem­mun­gen und Ver­klem­mun­gen“ löse, und das „wäre beim spa­ni­schen Mann durch­aus ange­zeigt.“ Denn: Jähr­lich stür­ben etwa 70 Frau­en durch die Hand ihrer Ehe­män­ner oder „Part­ner“. Drum gehe es bei der „Es liegt in dei­ner Hand“-Kampagne auch um Gleich­be­rech­ti­gung. Ob Ingen­da­ays letz­ter Satz nur unfrei­wil­lig komisch ist? Er lau­tet: „Solan­ge nur Frau­en zu Opfern wer­den, kann von Gleich­be­rech­ti­gung kei­ne Rede sein.“ Wow, das wärs: 140 Tote jähr­lich, aber end­lich Gleichberechtigung!

Eins ist aber klar: Es besteht von Deutsch­land aus betrach­tet kein Grund, mit dem Fin­ger auf spa­ni­sche Ona­nie-Rat­ge­ber zu schau­en. Daß sich die Bro­schü­ren der (dem Fami­li­en­mi­nis­te­ri­um unter­stell­ten) Bun­des­zen­tra­le für gesund­heit­li­che Auf­klä­rung (BzgA) kaum anders prä­sen­tie­ren, hat­te vor ein paar Jah­ren Gabrie­le Kuby öffent­lich­keits­wirk­sam dar­ge­legt. Da gings vor allem um die Bro­schü­re Kör­per, Lie­be, Dok­tor­spie­le. Die­se Hand­rei­chung zur früh­kind­li­chen Sexua­li­tät kann nach wie vor kos­ten­los bezo­gen werden.

Unter zahl­rei­chen ande­ren, oft umfäng­li­chen Bro­schü­ren , die „Sexu­al­kom­pe­tenz“ ver­mit­teln wol­len, gibt es auch Über Sex reden… zwi­schen Ein­schu­lung und Puber­tät. Hier geht´s ums „Lie­bes­le­ben der 6–10jährigen“, um den ers­ten Aus­tausch von Zärt­lich­kei­ten zwi­schen Dritt­kläß­lern („Marie geht mit Ali“, ja, mit wem denn sonst?) und dar­um, daß Selbst­be­frie­di­gung Kin­dern beim Ein­schla­fen hel­fen kann.

Beson­ders prall ist die Bro­schü­re – nein, es ist fast ein Buch- , das unter dem Titel Auf­re­gen­de Jah­re – Jules Tage­buch (kos­ten­los) geor­dert oder run­ter­ge­la­den wer­den kann. Die in flot­tem Ton geschrie­be­ne Puber­täts­sto­ry für 10–15jährige, die eine nun 16jährige „Jule“ rück­bli­ckend beschreibt, braucht sich vor den spa­ni­schen Heft­chen mit­nich­ten zu verstecken.

Natür­lich schreibt nicht wirk­lich die Jule, son­dern eine längst erwach­se­ne Autorin namens Uschi Fla­cke, die kei­ne Scheu hat, sich einem gemut­maß­ten Jugend­slang anzu­bie­dern. Als pas­sen­der Ort für die 100seitige Lek­tü­re wer­den „Lieb­lings­ses­sel“ oder „Klo“ emp­foh­len. Dann geht’s los: mit „tur­bo­mä­ßig wach­sen­den Brüs­ten“, und geni­talen Ver­än­de­run­gen, alles hyper­fe­mi­nis­tisch­kor­rekt beschrie­ben. „Die Schei­de ist echt geni­al“, etc.

Den­nis („der mit dem Hun­de­blick und dem süßen Hin­tern“) will Sex, aber auch ande­re Aus­rü­cke (die wir uns hier den­ken) dafür sind frei­lich okay. Ulti­ma­tiv gehts dabei jeden­falls – im Idi­om der Autorin – dar­um, daß „die Sper­mi­en so durch­bret­tern“. „Jule“ möch­te das erst­mal nicht, lie­ber geht sie mit Derya zur Par­ty beim Aus­län­der­bei­rat. (Klar.) Derya will bis zur Ehe Jung­frau blei­ben. Mit reli­giö­sen Vor­stel­lun­gen ihrer tür­ki­schen Eltern hat das nichts zu tun. „Jule“ gesteht ein, daß sie in die­ser Hin­sicht wohl Vor­ur­tei­le hatte.

Fami­liä­re Bezü­ge sol­len vor lau­ter Peer­group-Sprech nicht außer acht blei­ben – drum gibt es eine älte­re Schwes­ter. „Jule“: „Wenn ich mal nicht wei­ter­weiß, so rein sexu­ell, dann zap­fe ich sie an.“ Und es gibt Mama und Papa, die sich manch­mal zof­fen. Dann näm­lich, wenn Papa ein Buch über Sexu­al­erzie­hung liest und Mama will, daß er statt­des­sen den Geschirr­spü­ler aus­räumt. Wie geil, echt.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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