Es geht um eine Aufklärungskampagne, die in der (generell sozialschwachen) Region Extremadura unter dem Titel „Die Lust liegt in der deiner Hand“ auf den Weg gebracht wurde. Darin werde u. a. „das Abc der Selbstbefriedigung“ vermittelt.
„Rechte“ Publizisten spotteten schon darüber, daß dieser Landstrich zwar die meisten Arbeitslosen habe – „aber dafür liegen sie in der Masturbation ganz vorn.“ In sogenannten Workshops, die die Broschüren flankieren, werden den Jugendlichen Vibratoren und Erotikspielzeug vorgeführt.
Ingendaay, ein Linksliberaler, sieht die Sache naturgemäß gelassen. Er findet, daß eine „Kombination aus Gefühls- und Sexualerziehung (…) vielleicht sogar Hemmungen und Verklemmungen“ löse, und das „wäre beim spanischen Mann durchaus angezeigt.“ Denn: Jährlich stürben etwa 70 Frauen durch die Hand ihrer Ehemänner oder „Partner“. Drum gehe es bei der „Es liegt in deiner Hand“-Kampagne auch um Gleichberechtigung. Ob Ingendaays letzter Satz nur unfreiwillig komisch ist? Er lautet: „Solange nur Frauen zu Opfern werden, kann von Gleichberechtigung keine Rede sein.“ Wow, das wärs: 140 Tote jährlich, aber endlich Gleichberechtigung!
Eins ist aber klar: Es besteht von Deutschland aus betrachtet kein Grund, mit dem Finger auf spanische Onanie-Ratgeber zu schauen. Daß sich die Broschüren der (dem Familienministerium unterstellten) Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) kaum anders präsentieren, hatte vor ein paar Jahren Gabriele Kuby öffentlichkeitswirksam dargelegt. Da gings vor allem um die Broschüre Körper, Liebe, Doktorspiele. Diese Handreichung zur frühkindlichen Sexualität kann nach wie vor kostenlos bezogen werden.
Unter zahlreichen anderen, oft umfänglichen Broschüren , die „Sexualkompetenz“ vermitteln wollen, gibt es auch Über Sex reden… zwischen Einschulung und Pubertät. Hier geht´s ums „Liebesleben der 6–10jährigen“, um den ersten Austausch von Zärtlichkeiten zwischen Drittkläßlern („Marie geht mit Ali“, ja, mit wem denn sonst?) und darum, daß Selbstbefriedigung Kindern beim Einschlafen helfen kann.
Besonders prall ist die Broschüre – nein, es ist fast ein Buch- , das unter dem Titel Aufregende Jahre – Jules Tagebuch (kostenlos) geordert oder runtergeladen werden kann. Die in flottem Ton geschriebene Pubertätsstory für 10–15jährige, die eine nun 16jährige „Jule“ rückblickend beschreibt, braucht sich vor den spanischen Heftchen mitnichten zu verstecken.
Natürlich schreibt nicht wirklich die Jule, sondern eine längst erwachsene Autorin namens Uschi Flacke, die keine Scheu hat, sich einem gemutmaßten Jugendslang anzubiedern. Als passender Ort für die 100seitige Lektüre werden „Lieblingssessel“ oder „Klo“ empfohlen. Dann geht’s los: mit „turbomäßig wachsenden Brüsten“, und genitalen Veränderungen, alles hyperfeministischkorrekt beschrieben. „Die Scheide ist echt genial“, etc.
Dennis („der mit dem Hundeblick und dem süßen Hintern“) will Sex, aber auch andere Ausrücke (die wir uns hier denken) dafür sind freilich okay. Ultimativ gehts dabei jedenfalls – im Idiom der Autorin – darum, daß „die Spermien so durchbrettern“. „Jule“ möchte das erstmal nicht, lieber geht sie mit Derya zur Party beim Ausländerbeirat. (Klar.) Derya will bis zur Ehe Jungfrau bleiben. Mit religiösen Vorstellungen ihrer türkischen Eltern hat das nichts zu tun. „Jule“ gesteht ein, daß sie in dieser Hinsicht wohl Vorurteile hatte.
Familiäre Bezüge sollen vor lauter Peergroup-Sprech nicht außer acht bleiben – drum gibt es eine ältere Schwester. „Jule“: „Wenn ich mal nicht weiterweiß, so rein sexuell, dann zapfe ich sie an.“ Und es gibt Mama und Papa, die sich manchmal zoffen. Dann nämlich, wenn Papa ein Buch über Sexualerziehung liest und Mama will, daß er stattdessen den Geschirrspüler ausräumt. Wie geil, echt.