Ich weiß nicht, welche Assoziation gemeinhin mit dem Wort “drangsalieren” verbunden ist. Aber ich dachte an feuchte Keller, in denen Neonazis ihre Gegner foltern.
Aber weit gefehlt: Die Rechtsextremisten “drangsalieren” ihre Gegner, indem sie deren Veranstaltungen besuchen und dort mitdiskutieren. Offenbar sind die “Gegner” argumentativ so schwach auf der Brust, daß ihnen der Besuch schon wie ein Drangsal (Nötigung) vorkommt.
Um zum positiven Teil des Nachtrags zu kommen. Von Robert Spaemann ist heute ein Interview erschienen, das in den meisten Punkten so weise ist, daß ich nicht umhin kann, es zu empfehlen. Als Kostprobe seine Antwort auf die Frage, warum nach Ende des Kalten Krieges die klassischen multiethnischen Gesellschaften “in die Luft flogen”:
Ich deute das so, dass die Demokratie allein – ohne andere eingeprobte Sicherungen – für solche multiethnischen und multikulturellen Kulturräume wohl doch nicht immer die beste aller Lösungen parat hat. Denn der reinen Demokratie wohnt ja immer der Hang inne, dass eine Mehrheit die Minderheit drangsaliert. In der Demokratie zählt der Mehrheitswille des Volkes – und wenn die Mehrheit des Volkes rabiat ist und sich durchsetzen will, dann kann sie das machen. Das Mehrheitsprinzip kann also durchaus auch zu Terror und Tyrannei führen. Wer sagt, das sei doch undemokratisch, ist blauäugig. Auch Exzesse sind überhaupt nicht a priori undemokratisch. In Bosnien hat das Zusammenleben funktioniert unter dem Kaiser in Wien. Es hat funktioniert unter dem Diktator Tito, und es hat – da kann man sagen, was man will – im Irak unter Saddam Hussein funktioniert. Im Irak haben die Christen anderthalb Jahrtausende friedlich mit der großen muslimischen Mehrheit gelebt. Jetzt, wo das Land demokratisiert wird, werden sie verjagt.