pdf der Druckfassung aus Sezession 31 / August 2009
Das Buch von Jan Fleischhauer Unter Linken. Von einem, der aus Versehen konservativ wurde (Berlin: Rowohlt 2009. 351 S., kart., 16.90 €) hat bei Konservativen keine gute Presse. Das ist verständlich. Sie sind nicht »aus Versehen« geworden, was sie geworden sind. Ansonsten ist der Band ein Erfolg: zwei Auflagen in einem Monat. Sehen wir also einmal ab von den Schwächen der analytischen Teile, auch von dem Mangel an Schneid, wenn es darum geht, sich wirklich als »Rechter« zu positionieren, und fragen nach den Gründen von Fleischhauers Erfolg. Selbstverständlich stehen ihm als Spiegel-Redakteur Möglichkeiten der Einflußnahme offen, selbstverständlich ist Rowohlt ein Verlag, der eine Neuerscheinung plazieren kann und selbstverständlich ist vieles von dem, was Fleischhauer sagt, von anderen vorbereitet worden. Aber diese Umstände erklären den Absatz von Tausenden Exemplaren in so kurzer Zeit nicht. Man muß wohl doch davon ausgehen, daß ein gewisser Nerv getroffen wurde.
Wie läßt sich das erklären? Wahrscheinlich ist eine Ursache der Generationenwechsel. Jetzt gehen die Achtundsechziger tatsächlich in den Ruhestand, also die, die im annus mirabilis zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt waren, und es rücken die »Achtundsiebziger« in die Führungspositionen nach. Den Begriff hat Reinhard Mohn zu installieren versucht, wenn auch mit nur mäßigem Erfolg. Das Wort ist blaß, es fehlt ihm Assoziationskraft, denn die »Achtundsiebziger « verbindet kein großes, die Einheit der Generation stiftendes Erlebnis, sie waren ’68 zu jung und ’89 zu alt. Aber was sie verbindet, ist die Erfahrung, von Linken erzogen zu werden, von linken Lehrern und Professoren, von linken Journalisten und Pfarrern, von linken Funktionären und Politikern, manchmal sogar schon – wie Fleischhauer – von linken Eltern. Die Alternativlosigkeit einer freudo-neomarxistischstrukturalistischen, fremden-frauen-schwulenfreundlichen, sich ewig mit den Unterdrückten solidarisierenden, die Gleichheit zum höchsten Wert erhebenden Weltanschauung gehörte zu ihrem Leben, ebenso wie das Wissen um eine spezifische linke Unduldsamkeit, eine Neigung, Abweichler oder Gegner mit einer Unbarmherzigkeit auszuschließen oder zu verfolgen, die ihresgleichen sucht.
Fleischhauers Konservativ-Werden war insofern ein Verteidigungsreflex, dann eine Reaktion auf die Wahrnehmung von Alternativen und erst ganz zum Schluß ein offener Schritt ins Unangepaßte. Den vollzog er, obwohl seine Frau – glaubt man der Darstellung – über Umzug nachdachte und wohlmeinende Freunde ihn warnten, ausgerechnet als Journalist ein Bekenntnis gegen die Linke abzulegen. Das alles wird mit einer gewissen Koketterie geschildert und nicht so, wie man es sich wünscht. Aber es ist ein Symptom, auch ein Symptom dafür, wie weit wir sind.
In einem Interview, das die Welt mit Fleischhauer und Arnulf Baring geführt hat (»Linken ist wichtig, besser zu sein als die anderen«, in: Die Welt vom 2. Juni 2009), ging es nicht nur um das zentrale Thema des Buches, sondern auch um die Frage, wie man denn nun gegen die Linke Stellung beziehen wolle. Baring erklärte sich zum Liberalen, wenngleich er zugab, daß man ihn so nicht einschätze, Fleischhauer schwankte zwischen »Bürger« und »Monarchist«. Was die Rechte anbetrifft, so bekundeten beide, daß es die gar nicht gebe. Das ist natürlich unrichtig, und wenn es richtig wäre, dann müßte schleunigst Abhilfe geschaffen werden, aber das wollen Fleischhauer wie Baring gerade nicht. Sie löcken wider den Stachel, aber ihre Stellung bleibt komfortabel, so gehören sie immer noch »dazu« und wollen ihren Status ungern gefährdet sehen.
Das ist durchaus nachvollziehbar. Die Menge der Martyriumsbereiten, der Propheten und der Bekenner ist immer klein, denn der Preis für den Einsatz hoch, eine lädierte Biographie als Minimum. Wenn sie tatsächlich eine Überlieferung am Leben erhalten oder eine neue Bewegung anstoßen, dann folgen die Trendsetter und im Erfolgsfall und zum Schluß die Masse der Mitläufer. Fleischhauer ist vielleicht ein Indiz dafür, daß wir bei den Trendsettern angekommen sind.