Staeck ist Präsident der Akademie der Künste in Berlin. Er hält es für seine Lebensaufgabe, politische Kunst zu schaffen und besonders gegen die Konservativen zu schießen.
Als Plakatkünstler erlebte er in den Siebzigern seine große Zeit. Sein heutiger Ruhm fußt auf dem beständigen Aufkochen seines damaligen Schaffens. Gern feiert er sich selbst als kreativen und unbequemen Robin Hood der Demokratie.
Staecks Böll-Nachruf ist so bizarr wie sein Autor selbst. Aus der kurzen Distanz prügelt er sofort auf den ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens ein. Dieser hatte Ende 1974 in seinem Amt als CDU-Fraktionsvorsitzender gefordert, die bundesdeutsche Öffentlichkeit solle sich im Klaren darüber sein, daß Bölls politisches Engagement im Kontext des Deutschen Herbstes nicht übersehen werden dürfe. Auch wenn er diesen „flammenden Appell“, wie Staeck es nennt, nicht gerade mit Sachkenntnis untermauern konnte (Carstens meinte, Böll hätte unter dem Pseudonym „Katharina Blüm“ ein Buch veröffentlicht, daß eine „Rechtfertigung von Gewalt“ darstelle), irrte er doch nicht.
Böll habe ihn seiner Zeit daraufhin angesprochen, ob er nicht ein Karstens-Plakat machen wolle. In einem recht langen Absatz kommt Staeck darauf seiner Plicht nach, an diesem willkommenen Beispiel seine politisch-künstlerischen Verdienste aufzuwärmen, um dann wieder auf Böll zurückzukommen, den er als Prototypen des unbequemen und politisch engagierten Intellektuellen feiert: „Vielleicht war es diese ihm eigene Mischung aus Sanftmut und heiligem Zorn, mit der Böll beharrlich das Demokratische anmahnte, die katholische Kirche sowie die nur oberflächlich gewendeten Altnazis attackierte, sich unbeirrt für den Frieden, Dissidenten in der Sowjetunion und alle Benachteiligten einsetzte und so stets aufs Neue die Giftpfeile der Bildzeitung auf sich zog. […] Gemessen an seinen zahlreichen politischen Eingriffen, muss er vielen Nachgeborenen tatsächlich wie ‚aus der Zeit gefallen‘ vorkommen.“
Daraus bastelt Staeck einen Appell für seine Kunstvorstellung: „Die L’Art-pour‑l’art-Fraktion nahm schon immer übel, wenn sich Künstler politisch engagieren. Da setzt man sich nicht nur gegenüber dem Kunstfreund schnell dem Verdacht aus, dass es mit der Kunst nicht allzu weit her sein könne, wenn jemand Klartext redet und sich sogar danach verhält.“
Klaus Staeck versteht zwei Dinge nicht: Erstens erliegt er dem Irrglauben, daß Kunst politisch sein müsse. Er mißachtet dabei die Tatsache, daß jedes politische Engagement den Wert der Kunst insofern mindert, als daß sie, immer untrennbar mit dem jeweiligen Zeitgeschehen verwurzelt, späterhin nicht mehr ohne umfassende Vorbildung verstanden werden kann. Ihr Kontext verengt sich somit meist zum reinen Zeitkommentar.
Zweitens ist Staecks Text ein Beispiel für die Sackgassenposition, in der sich das bundesdeutsche Establishment mittlerweile befindet: „In einigen Nachrufen klang immerhin leise an, dass jemand wie Böll heute noch irgendwie fehle, noch gebraucht würde in unserer intellektuell eher weichgespülten Wohlfühlgesellschaft. Jedenfalls jemand, der zur richtigen Zeit das Richtige sagt in Zeiten bedrohlich anschwellender Rat- und Mutlosigkeit. Gleich ob jene, die es angeht, nun hinhören wollen oder nicht.
So sehr derlei Klage Böll auch späte Anerkennung zollt, sie wird uns wenig helfen. Wir können nicht weiter ‚Warten auf Godot‘ spielen. Es gilt, Verantwortung zu übernehmen. Jetzt, nicht irgendwann.“ Staeck könnte, wenn er sein Prinzip der politischen Kunst selbst ernst nähme, diesem also eine tatsächliche gesellschaftliche Relevanz beimessen würde, in seiner Aufgabe als Präsident der Künste genau diese Verantwortung übernehmen. Aber das tut er nicht. Ebenso wenig, wie er erkennt, daß es bereits Menschen gibt, die zur richtigen Zeit das Richtige sagen und aus diesem Erkennen sogar noch eine Aufforderung zu Tat ableiten. Aber die sind konservativ. Und mit Konservativen spricht Klaus Staeck nicht.