Vorweg: Hier steht für diejenigen nichts Neues, die unser Institut, unseren Verlag und die Sezession seit der Gründung im Jahre 2000 begleiten. Es ist eine neuerliche Selbstvergewisserung, die nochmalige Festlegung eines Ausgangspunkts, unseres Standpunkts, der ja immer ein Ausgangspunkt ist und den wir vielfältig formuliert und verdichtet haben.
Zunächst also das Wichtigste: Wir (also: die Leute um unsere Projekte) wären immer so, wie wir sind. Wir würden stets Verlage gründen und an Gymnasien unterrichten, in Zeitungen veröffentlichen und eine Zeitschrift herausgeben, lebten mit unseren Familien auf mitteldeutschen Schollen oder in Wohnvierteln großer Städte, würden vor Studentenverbindungen, akademischen Zirkeln und Jugendgruppen vortragen, in Wort und Tat unser Erbe pflegen und darüber wachen, daß unserer Leben unser Leben bleibt und unsere Kinder auf dem schmalen Grat zwischen den Notwendigkeiten und dem Widerwärtigen unserer Zeit die Balance nicht verlieren. Vielleicht könnte der ein oder andere von uns seine Offizierkarriere fortgesetzt haben, wenn die Zeiten andere gewesen wären, und vielleicht stünden wir allesamt nicht vor dem Dilemma, die Wirklichkeit unseres Staates ablehnen zu müssen, um auf seine Idee zu verweisen; aber davon hängt nichts ab: Um Soldat zu sein, bedarf es der Schulterklappen nicht, und um dem Staat zu dienen, muß man kein Staatsdiener sein.
Wir wären immer so, wie wir sind. Wir wären auch dann nicht ironisch, wenn überall Pathos oder eine existentielle Ernsthaftigkeit auszumachen wäre, und wir sind nicht deswegen ernst, weil in jeder talkshow ein Witzlein die Antwort auf ungemütliche Gesprächslagen ist; wir sind nicht deshalb rechts, weil alle eher links sind, und morgen links, weil alle eher rechts sind. Wir sind im Wesentlichen stets ernsthaft und politisch immer rechts, und weil dies so ist, weil wir also nicht reagieren oder sonst auf eine seltsame Art außengeleitet sind, haben wir einen Standpunkt.
Flexibel sind die Methoden, mittels derer wir den eigenen Standpunkt kennzeichnen und verteidigen, um jene „Balkanidee” zu konkretisieren, deren Abgesang der Träger des Preises der Sezession, Wiggo Mann, anstimmt. Er hat ja einerseits recht: Ordne jeder seinen Ort, dann ist viel getan! Andererseits kommen wir doch nicht an der Politik und ihrem Überbau – der Metapolitik – vorbei, wenn wir unsere Prognosen ernst nehmen: daß nämlich die Bruchlinien, an denen entlang der Kampf um die Gestaltungsmacht im Land und vor allem: der Kampf um eine bestimmte, von Deutschland erreichte kulturelle Höhe ausgefochten wird, bereits mitten durch unser Land verlaufen. Und so liegen denn auch die Gründe für vielerlei Sezessionen, für Loslösungen von unpassenden Begriffen, klebrigen Vordenkern, zementierten Behauptungen auf der Hand.
Unser Standpunkt: Er ist gut beschrieben in den beiden Kaplaken-Bändchen, die im Sommer erschienen sind. Man muß diese Bändchen hintereinanderweglesen (zuerst Das konservative Minimum, dann Provokation), denn die eine Perspektive ergänzt und spiegelt die andere, und ebenso verhält es sich mit den Unterschieden im Ton: hier der kleinste gemeinsame Nenner, dort die Zuspitzung.
Das konservative Minimum markiert unsere Rückzugslinie und beschreibt das Problem der begrifflichen Unschärfe in der Bezeichnung der Verteidiger dieser letzten Stellung. Wer nennt sich nicht alles konservativ? Doch auch jene unentschlossenen, wert‑, kultur- oder beschwichtigungskonservativen Figuren, die das, was sie verlieren, möglichst langsam verlieren wollen, nie jedoch den Gedanken in Erwägung ziehen, daß man Opfer bringen könnte, um eine Stellung zu halten.
Das konservative Minimum umschreibt deshalb folgerichtig zunächst jenen Leitspruch, den sich jüngst ein Verlag als Motto wählte: „Die Entdeckung des Eigenen”. Aber das reicht nicht, und deshalb geht selbst das Minimum weit darüber hinaus: Es ist eine Kampfansage nach Innen (gerichtet gegen den sogenannten „nachfaschistischen Defaitismus” der Rechten) und nach Außen (gerichtet gegen jene, die unser Land auf den Hund haben kommen lassen). Und es ist dies ein notwendiger Schritt, einer, der von der bloßen „Entdeckung” zu einer „Verteidigung des Eigenen” führt.
Dieses Eigene, dieses aus der Geschichte gespeiste So-Sein unserer Nation, muß verteidigt werden, das ist unsere Überzeugung. Und gerade in letzter Zeit haben wir deutlich gemacht, daß diese unsere Identität nicht nur gegen jene verteidigt werden muß, die Deutschland aus dem vermeintlich schwarzen Nichts heraus und mittels Verdammung von tausend Jahren Geschichte nochmals neu gegründet und erfunden haben. Sie muß ebenso verteidigt werden gegen alle, die unter „deutsch” und „national” vor allem eine nostalgische KdF-Dampferfahrt über die toll geschwungenen Reichsautobahnen zu Hitlers Berghof verstehen, oder aber eine schaurig-schöne Übernachtung in Etzels Saal vor Stalingrad (alles in Farbe und mit einem wissenden Wir-würden-schon-wenn-wir-nur-dürften-Zwinkern im Auge): Genau so sieht nämlich eine Unterart des nachfaschistischen Defaitismus aus, und wir kennen nicht nur einen Fall, nicht nur einen jungen Mann, der für jede deutsche Waffentat einen Bildband aus einem einschlägigen Verlag griffbereit hat, seine eigene Kraft aber seltsam fruchtlos abfließen läßt: Wochenende für Wochenende gewinnt an den Computern solcher Gestalten die Wehrmacht den Zweiten Weltkrieg, und nach der Schlacht sieht man den Schreibtisch-Feldmarschall dann im Flecktarnjäckchen zum Konzert einer in die Jahre gekommenen Neofolk-Band ziehen.
So darf man nicht enden, aber so oder ähnlich unfruchtbar enden viele, bleiben in einem besserwisserischen Defaitismus stecken und blicken lässig auf jene, die auf eine persönliche Karriere verzichten, um dorthin zu gehen, wo es weh tut. Weh tat es dort, Verzicht auf Karrieren wurde dort geleistet, wo Dieter Stein mit seiner Redaktion stand, um die Junge Freiheit aufzubauen, jahrelang ohne die Gewißheit, daß dieser Lebenseinsatz einmal etwas austragen würde. Mittlerweile ist die JF nicht mehr wegzukriegen, und kaum ein Projekt, kaum ein Mann hat den Erfolg so sehr verdient.
Die Junge Freiheit hat vorgemacht, daß mit der Fixierung auf jene zwölf Jahre deutscher Geschichte Schluß sein kann. Das meint nicht, daß der verordnete Konsens über historische Begebenheiten einfach so hingenommen werden muß; wie wichtig ist doch dieser Revisionismus auf Sammetpfoten, den jüngst etwa Bogdan Musial in der FAZ mit seiner Untersuchung der Angriffspläne und ‑ziele Stalins im Frühsommer 1941 betrieb! Aber wie simpel wird ein Leben, das alles, was ihm nicht gelingen mag, auf die Niederlage von 45 schiebt. Geht es den Siegern heute wirklich besser als uns?
Wir rücken andere Fragestellungen in den Mittelpunkt unserer Überlegungen, etwa die, woher Legitimation und Energie für gezielte Regelverstöße im öffentlichen Raum kommen. Das sind die Themen des anderen Bändchens (Provokation), das von einem Vorsatz (1. Kapitel) ausgeht und über ein Zögern (2. Kapitel) in den Anlauf (3. Kapitel) und schließlich in den Sprung (4. Kapitel) findet. Vorsatz wozu, Sprung wohin?
Wir treten mit dem Vorsatz an, die Substanz unserer Nation zu retten und ihr die Möglichkeit zu bewahren, wieder zu sich selbst zu gelangen und als die Mitte Europas aufzustrahlen. Und weil wir uns dieser Aufgabe widmen, stehen wir in einem geistigen Bürgerkrieg gegen die Lobbyisten der Zersetzung: Es sind deutsche Politiker und Meinungsmacher, die gegen ihr Land und gegen ihr Volk arbeiten und das Experiment einer neuen Gesellschaft nicht (und auch nach der zwanzigsten Lektion noch immer nicht) beenden wollen. Und es sind im Kielwasser dieser Vorbilder die Deutschen selbst, die ihre Zukunft abtreiben oder gar nicht erst zeugen und sie so in fremde Hände geben. Das sind nur Beispiele, das ist nur eine von vielen Fronten.
Wir treten mit dem Vorsatz an, unter jungen Deutschen eine Epidemie des Mutes auszulösen. Wir fordern den Mut zur Authentizität, den Mut, die Schere zwischen dem, was einer für richtig hält und dem, was er dann äußert und tut, nicht zu weit geöffnet zu halten. Wir fordern den Mut, mit neuen, zugespitzten Begriffen die Wirklichkeit zu beschreiben. Gerade dafür gibt es ein gutes Beispiel. Es findet sich im Rahmen des Projekts Blaue Narzisse, das täglich wachsende Besucherzahlen und neue Mitstreiter verzeichnen kann. Dort veröffentlichte jüngst ein Simon Meyer den Aufruf „Wir Positiven” und forderte eben dies: den Mut, mit eigenen Begriffen das viel treffender zu beschreiben, was mit einem mainstream-Begriff im Grunde nur vertuscht wird. „Einen Gauner einen Gauner nennen” lautet die Formel.
Vielleicht kommt es noch in diesem Jahr zum Sprung in die Aktion. Dieser Sprung ist vorbereitet, organisatorisch und begrifflich: Wer einen Standpunkt hat, kann abspringen, kann ungebeten dort aufschlagen, wo sich der Gegner sicher fühlt, kann selbstbewußt sein „Ich nicht” sagen – und mehr. Es wird einige beispielhafte Aktionen geben müssen, einige Bilder müssen kursieren können, Bilder, die Schule machen. Dann werden wir erleben, wieviel Wasser in den Reservoiren aufgestaut ist. Spekulieren wir also darauf, daß diesem winterlichen Nachtrag zu einem sommerlichen Aufruf zur Provokation ein wiederum sommerlicher Ausbruch folgt.