Die Vorgeschichte hängt zusammen mit Mohlers abenteuerlichem Grenzübertritt vom Februar 1942. Er selbst hat für den Entschluß, aus der Schweizer Heimat ins Reich zu gehen und sich freiwillig zur Waffen-SS zu melden, zwei Motive angegeben: die Nachrichten von der Ostfront, damit verknüpft das Empfinden, hier gehe es um das Schicksal Deutschlands, und die Lektüre von Jüngers Arbeiter. Die Verknüpfung mag heute irritieren, der Eindruck würde sich aber bei genauerer Untersuchung der Wirkungsgeschichte Jüngers verlieren. Denn, was er im Schlußkapitel des Arbeiters über den „Eintritt in den imperialen Raum” gesagt hatte, war mit einem Imperativ verknüpft gewesen: „Nicht anders als mit Ergriffenheit kann man den Menschen betrachten, wie er inmitten chaotischer Zonen an der Stählung der Waffen und Herzen beschäftigt ist, und wie er auf den Ausweg des Glückes zu verzichten weiß. Hier Anteil und Dienst zu nehmen: das ist die Aufgabe, die von uns erwartet wird.”
Mohlers Absicht war eben: „Anteil und Dienst zu nehmen”. Es ging ihm nicht um „deutsche Spiele”, nicht um eine Wiederholung von Jüngers Abenteuer in der Fremdenlegion, sondern darum, in einer für ihn bezeichnenden Weise, Ernst zu machen. Daß daraus nichts wurde, hatte dann – auch in einer für ihn bezeichnenden Weise – mit romantischen Impulsen zu tun: der Sehnsucht nach intensiver Erfahrung, nach großen Gefühlen, dem „Bedürfnis nach Monumentalität”, ein Diktum des Architekturtheoretikers Sigfried Giedion, das Mohler häufig zitierte. Daß der nationalsozialistische „Kommissarstaat” kein Interesse hatte, solches Bedürfnis abzusättigen, mußte Mohler rasch erkennen. Er zog sein Gesuch zurück und ging bis Dezember 1942 zum Studium nach Berlin. Dort saß er im Seminar von Wilhelm Pinder und hörte Kunstgeschichte. Vor allem aber verbrachte er Stunde um Stunde in der Staatsbibliothek, wo er seltene Schriften der „Konservativen Revolution” exzerpierte oder abschrieb, darunter die von ihm als „Manifeste” bezeichneten Aufsätze Jüngers aus den nationalrevolutionären Blättern. Dieser Textkorpus bildete neben dem Arbeiter, der ersten Fassung des Abenteuerlichen Herzens sowie Blätter und Steine die Grundlage für Mohlers Faszination an Jünger.
Zehn Jahre später schrieb er über die Wirkung des Autors Jünger auf den Leser Mohler: „Sein Stil könnte mit seiner Oberfläche auf mathematische Genauigkeit schließen lassen. Aber diese Gestanztheit ist Notwehr. Durch sie hindurch spiegelt sich im Ineinander von Begriff und Bild eine Vieldeutigkeit, welche den verwirrt, der nur die Eingleisigkeit einer universalistisch verankerten Welt kennt. In Jüngers Werk … ist die Welt nominalistisch wieder zum Wunder geworden.” Wer das Denken Mohlers etwas genauer kennt, weiß, welche Bedeutung das Stichwort „Nominalismus” für ihn hatte, wie er sich bis zum Schluß auf immer neuen Wegen eine eigenartige, den Phänomenen zugewandte Weltsicht, zu erschließen suchte. Er hatte dafür als „Augenmensch” bei dem „Augenmenschen” Jünger eine Anregung gefunden, wie sonst nur in der Kunst.
Es wäre deshalb ein Mißverständnis, anzunehmen, daß Mohler Jünger auf Grund der besonderen Bedeutung, die er den Arbeiten zwischen den Kriegsbüchern und der zweiten Fassung des Abenteuerlichen Herzens beimaß, keine Weiterentwicklung zugestanden hätte. Ihm war durchaus bewußt, daß Gärten und Straßen das Alterswerk einleitete und zu einer deutlichen – und aus seiner Sicht legitimen – Veränderung des Stils geführt hatte. Es ging ihm auch nicht darum, Jünger auf die Weltanschauung der zwanziger Jahre festzulegen, wenngleich das Politische für seine Zuwendung eine entscheidende Rolle gespielt und zum Bruch mit der Linken geführte hatte. Sein Freund Werner Schmalenbach schilderte die Verblüffung des Basler Milieus aus Intellektuellen und Emigranten, in dem sich Mohler bis dahin bewegte, als dessen Begeisterung für Deutschland und für Jünger klarer erkennbar wurde. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz und dem Bekanntwerden seines Abenteuers wurde er in diesen Kreisen selbstverständlich als „Nazi” gemieden. Beirrt hat Mohler das aber nicht, weder in seinem Interesse an der Konservativen Revolution, noch in seiner Verehrung für Jünger.
Die persönliche Begegnung zwischen beiden wurde dadurch angebahnt, daß Mohler 1946 in der Zeitung Weltwoche einen Aufsatz über Jünger veröffentlichte, der weit von den üblichen Verurteilungen entfernt war. Es folgte ein Briefwechsel und dann die Aufforderung Jüngers, Mohler solle nach Abschluß seiner Dissertation eine Stelle als Sekretär bei ihm antreten. Als Mohler dann nach Ravensburg kam, wo Jünger vorläufig Quartier genommen hatte, war die Atmosphäre noch ganz vom Nachkrieg geprägt. Man bewegte sich wie in der Waffenstillstandszeit von 1918/19 in einer Art Traumland – zwischen Zusammenbruch und Währungsreform -, und alle möglichen politischen Kombinationen schienen denkbar. Der Korrespondenz zwischen Mohler und seinem engsten Freund Hans Fleig kann man entnehmen, daß damals beide die Wiederbelebung der „Konservativen Revolution” erwarteten: die „antikapitalistische Sehnsucht” des deutschen Volkes, von der Gregor Strasser 1932 gesprochen hatte, war in der neuen Not ungestillt, ein „heroischer Realismus” konnte angesichts der verzweifelten Lage als Forderung des Tages erscheinen, auch die intellektuelle Linke glaubte, daß die „Frontgeneration” ein besonderes Recht auf Mitsprache besitze, und das Ausreizen der geopolitischen Situation mochte als Chance gelten, die Teilung Deutschlands zwischen den Blöcken zu verhindern. Wie man Mohlers Ravensburger Tagebuch, aber auch anderen Dokumenten entnehmen kann, waren Jünger solche Gedanken nicht fremd, wenngleich die Erwägungen – bis hin zu nationalbolschewistischen Projekten – eher spielerischen Charakter hatten.
Differenzen zwischen beiden ergaben sich auf literarischem Feld. Mohler hatte Schwierigkeiten mit den letzten Veröffentlichungen Jüngers. Ihn irritierten die Friedensschrift (1945) und der große Essay Über die Linie (1951), und den Roman Heliopolis (1949) hielt er für mißlungen. Die Sorge, daß Jünger sich untreu werden könnte, schwand erst nach dem Erscheinen von Der Waldgang (1951). Mohler begrüßte das Buch enthusiastisch und als Bestätigung seiner Auffassung, daß man angesichts der Lage den Einzelgänger stärken müsse. Was sonst zu sagen sei, sollte getarnt werden, wegen der „ausgesprochenen Bürgerkriegssituation”, in der man schreibe. Er erwartete zwar, daß der „Antifa-Komplex” bald erledigt sei, aber noch wirkte die Gefährdung erheblich und der „Waldgänger” war eine geeignetere Leitfigur als „Soldat” oder „Arbeiter”.
Mohler betrachtete den Waldgang vor allem als erste politische Stellungnahme Jüngers nach dem Zusammenbruch, eine notwendige Stellungnahme auch deshalb, weil die Strahlungen und die darin enthaltene Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit viele Leser Jüngers befremdet hatte. In der aufgeheizten Atmosphäre der Schulddebatten fürchteten sie, Jünger habe die Seiten gewechselt und wolle sich den Siegern andienen; Mohler vermerkte, daß in Wilflingen kartonweise Briefe standen, deren Absender Unverständnis und Ablehnung zum Ausdruck brachten.
Mohler schloß sich dieser Kritik ausdrücklich nicht an und hielt ihr entgegen, daß sie am Kern der Sache vorbeigehe. „Der deutsche ‚Nationalismus’ oder das ‚nationale Lager’ oder die ‚Rechte’ … wirkt heute oft erschreckend verstaubt und antiquiert – und dies gerade in einem Augenblick, wo [ein] bestes nationales Lager nötiger denn je wäre. Die Verstaubtheit scheint mir daher zu kommen, daß man glaubt, man könne einfach wieder da anknüpfen, wo 1933 oder 1945 der Faden abgerissen war.” Einige arbeiteten an einer neuen „Dolchstoß-Legende”, andere suchten die Schlachten des Krieges noch einmal zu führen und nun zu gewinnen, wieder andere setzten auf einen „positiven Nationalsozialismus” oder auf eine Wiederbelebung sonstiger Formen, die längst überholt und abgestorben waren. In der Überzeugung, daß eine Restauration nicht möglich und auch nicht wünschenswert sei, trafen sich Mohler und Jünger.
Die Stellung Mohlers als „Zerberus” des „Chefs” war nie auf Dauer gedacht. Mohler plante eine akademische Karriere und betrachtete seine Tätigkeit als Zeitungskorrespondent, die er 1953 aufnahm, auch nur als Vorbereitung. Der Kontakt zu Jünger riß trotz der Entfernung nie ab. interessanterweise bemühten sich in dieser Phase beide um eine Neufassung des Begriffs „konservativ”, die ausdrücklich dem Ziel dienen sollte, einen weltanschaulichen Bezugspunkt zu schaffen.
Wie optimistisch Jünger diesbezüglich war, ist einer Bemerkung in einem Brief an Carl Schmitt zu entnehmen, dem er am 8. Januar 1954 schrieb, er beobachte „an der gesamten Elite” eine „entschiedene Wendung zu konservativen Gedanken”, und im Vorwort zu seinem Rivarol – ein Text, der in der neueren Jünger-Literatur regelmäßig übergangen wird – geht es an zentraler Stelle um die „Schwierigkeit, ein neues, glaubwürdiges Wort für ‚konservativ’ zu finden”. Jünger hatte ursprünglich vor, gegen ältere Versuche eines Ersatzes zu polemisieren, verzichtete aber darauf, weil er dann auch den Terminus „Konservative Revolution” hätte einbeziehen müssen, was er aus Rücksicht auf Mohler nicht tat. Daß ihn seine intensive Beschäftigung mit den Maximen des französischen Gegenrevolutionärs „stark in die politische Materie” führte, war Jünger klar. Wenn dagegen so wenig Vorbehalte zu erkennen sind, dann hing das auch mit dem Erfolg und der wachsenden Anerkennung zusammen, die er in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre erfuhr. Zeitgenössische Beobachter glaubten, daß er zum wichtigsten Autor der deutschen Nachkriegszeit werde.
Dieser „Boom” erreichte einen Höhepunkt mit Jüngers sechzigstem Geburtstag. Es gab zwar auch heftige Kritik am „Militaristen” und „Antidemokraten”, aber die positiven Stimmen überwogen. Mohler hatte für diesen Anlaß nicht nur eine Festschrift vorbereitet, sondern auch eine Anthologie zusammengestellt, die unter dem Titel Die Schleife erschien. Der notwendige Aufwand an Zeit und Energie war sehr groß gewesen, die prominentesten Beiträger für die Festschrift, Martin Heidegger, Gottfried Benn, Carl Schmitt, bei Laune zu halten, ein schwieriges Unterfangen – Heidegger zog seinen Beitrag aus nichtigen Gründen zweimal zurück. Ganz zufrieden war der Jubilar aber nicht; Jünger mißfiel die geringe Zahl ausländischer Autoren, und bei der Schleife hatte er den Verdacht, daß hier suggeriert werde, es handele sich um ein Buch aus seiner Feder. Die Ursache dieser Verstimmung war eine kleine Manipulation des schweizerischen Arche-Verlags, in dem Die Schleife erschienen war, und der auf den Umschlag eine Titelei gesetzt hatte, die einen solchen Irrtum möglich machte.
Im Hintergrund spielte außerdem der Wettbewerb verschiedener Häuser um das Werk Jüngers mit, dessen Bücher in der Nachkriegszeit zuerst im Furche‑, den man ihm zu Ehren in Heliopolis-Verlag umbenannt hatte, dann bei Neske und bei Klostermann erschienen waren. Außerdem versuchte ihn Ernst Klett für sich zu gewinnen. Wenn Klostermann die Festschrift herausbrachte, obwohl er davon kaum finanziellen Gewinn erwarten durfte, hatte das mit der Absicht zu tun, die Bindung Jüngers zu festigen. Deshalb korrespondierte der Verleger mit Mohler nicht nur wegen der Ehrengabe, sondern gleichzeitig auch wegen einer Edition des Gesamtwerks, die Jünger dringend wünschte.
Klostermann und Mohler waren einig, daß eine solche Sammlung nach „Wachstumsringen” geordnet werden müsse, jedenfalls der Chronologie zu folgen und die ursprünglichen Fassungen zu bringen beziehungsweise Änderungen kenntlich zu machen habe. Bekanntermaßen ist dieser Plan nicht in die Tat umgesetzt worden. Rivarol war das letzte Buch, das Jünger bei Klostermann veröffentlichte, danach wechselte er zu Klett, dem er gleichzeitig die Verantwortung für die „Werke” übertrug. In einem Brief vom 15. Dezember 1960 schrieb Klostermann voller Bitterkeit an Mohler, daß er die Ausgabe im Grunde für unbenutzbar halte und mit Bedauern feststelle, daß Jünger gegen Kritik immer unduldsamer werde. Zwei Wochen später veröffentlichte Mohler einen Artikel über die Werkausgabe in der Züricher Tat. Jüngers „Übergang in das Lager der ‚Universalisten’ ” wurde nur konstatiert, aber die Eingriffe in die früheren Texte scharf getadelt.
Noch grundsätzlicher faßte Mohler seine Kritik für einen großen Aufsatz zusammen, der im Dezember 1961 in der konservativen Wochenzeitung Christ und Welt erschien und von vielen als Absage an Jünger gelesen wurde. Mohler verurteilte hier nicht nur die Änderung der Texte, er mutmaßte auch, sie folgten dem Prinzip der Anbiederung, man habe „ad usum democratorum frisiert”, es gebe außerdem ein immer deutlicher werdendes „Gefälle” im Hinblick auf die Qualität der Diagnostik, was bei den letzten Veröffentlichungen Jüngers wie An der Zeitmauer (1959) und Der Weltstaat (1960) zu einer Beliebigkeit geführt habe, die wieder zusammenpasse mit anderen Konzessionen Jüngers, um „sich mit der bis dahin gemiedenen Öffentlichkeit auszugleichen”. Mohler deutete diese Tendenz nicht einfach als Schwäche oder Verrat, sondern als negativen Aspekt jener„osmotischen” Verfassung, die Jünger früher so sensibel für kommende Veränderungen gemacht habe.
Jünger brach nach Erscheinen des Textes den Kontakt ab. Daß Mohler das beabsichtigte, ist unwahrscheinlich. Noch im Juni 1960 hatte Jünger ihn in Paris besucht, kurz bevor Mohler nach Deutschland zurückkehrte, und im Gästebuch stand der Eintrag: „Wenige sind wert, daß man ihnen widerspricht. Bei Armin Mohler mache ich eine Ausnahme. Ihm widerspreche ich gerne.” Jetzt warf Jünger Mohler vor, ihn ideologisch mißzuverstehen und äußerte in einem Brief an Curt Hohoff: „Das Politische hat mich nur an den Säumen beschäftigt und mir nicht gerade die beste Klientel zugeführt. Würden Mohlers Bemühungen dazu beitragen, daß ich diese Gesellschaft gründlich loswürde, so wäre immerhin ein Gutes dabei. Aber solche Geister haben ein starkes Beharrungsvermögen; sie verwandeln sich von lästigen Anhängern in unverschämte Gläubiger.”
Sollte Jünger Mohlers Text tatsächlich nicht gelesen haben, wie er hier behauptete, wäre ihm auch der Schlußpassus entgangen, in dem Mohler zwar nicht zurücknahm, was er gesagt hatte, aber festhielt, daß ein einziges der großen Bücher Jüngers genügt hätte, um diesen „für immer in den Himmel der Schriftsteller” eingehen zu lassen: „An dessen Scheiben wir Kritiker uns die Nase plattdrücken.” Die Ursache für Mohlers Schärfe war Enttäuschung, eine Enttäuschung trotz bleibender Bewunderung. Mohler warf Jünger mit gutem Grund vor, daß dieser in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre ohne Erklärung den Kurs geändert hatte und sich in einer Weise stilisierte, die ihn nicht mehr als „großen Beunruhiger” erkennen ließ. Man konnte das wahlweise auf Jüngers „Platonismus” oder sein Bemühen um Klassizität zurückführen. Tendenzen, mit denen Mohler schon aus Temperamentsgründen wenig anzufangen wußte.
Die Wiederannäherung kam deshalb erst nach langer Zeit und angesichts der Wahrnehmung zustande, daß Jünger eine weitere Kehre vollzog. Das Interview, das der Schriftsteller am 22. Februar 1973 Le Monde gab, wirkte auf Mohler elektrisierend, was vor allem mit jenen Schlüsselzitaten zusammenhing, die von der deutschen Presse regelmäßig unterschlagen wurden: Zwar hatte man mit einer gewissen Irritation Jüngers Äußerung gemeldet, er könne weder Wilhelm II. noch Hitler verzeihen, „ein so wundervolles Instrument wie unsere Armee vergeudet zu haben”, aber niemand wagte sein Diktum hinzuzufügen: „Wie hat der deutsche Soldat zweimal hintereinander unter einer unfähigen politischen Führung gegen die ganze wider ihn verbündete Welt sich halten können? Das ist die einzige Frage, die man meiner Ansicht nach in 100 Jahren stellen wird.” Und nirgends zu finden war die Prophetie über das Schicksal, das den Deutschen im Geistigen bevorstand: „Alles, was sie heute von sich weisen, wird eines schönen Tages zur Hintertüre wieder hereinkommen.”
Mohler stellte die Rückkehr zum Konkret-Politischen mit der Wirkung von Jüngers Roman Die Zwille zusammen, ein „erzreaktionäres Buch”, so sein Urteil, das in seinen besten Passagen jene Fähigkeit zum „stereoskopischen” Blick zeigte, die von Mohler bewunderte Fähigkeit, das Besondere und das Typische – nicht das Allgemeine! – gleichzeitig zu erkennen. Obwohl Mohler an seiner Auffassung vom „Bruch” im Werk festhielt, hat der Aufsatz Ernst Jüngers Wiederkehr wesentlich dazu beigetragen, den alten Streit zu beenden. Die Verbindung gewann allmählich ihre alte Herzlichkeit zurück, und seinen Beitrag in der Festschrift zu Mohlers 75. Geburtstag versah Jünger mit der Zeile „Für Armin Mohler in alter Freundschaft”; beide telefonierten häufig und ausführlich miteinander, und wenige Monate vor dem Tod Jüngers, im Herbst 1997, kam es zu einer letzten persönlichen Begegnung in Wilflingen.
Nachdem Jünger gestorben war, gab ihm Mohler, obwohl selbst betagt und krank, das letzte Geleit. Er empfand das mit besonderer Genugtuung, weil es ihm nicht möglich gewesen war, Carl Schmitt diese letzte Ehre zu erweisen. Jünger und Schmitt hatten nach Mohlers Meinung den größten Einfluß auf sein Denken, mit beiden war er enge Verbindungen eingegangen, die von Schwankungen, Mißverständnissen und intellektuellen Eitelkeiten nicht frei waren, zuletzt aber Bestand hatten. Den Unterschied zwischen ihnen hat Mohler auf die Begriffe „Idol” und „Lehrer” gebracht: Schmitt war der „Lehrer”, Jünger das „Idol”. Wenn man „Idol” zum Nennwert nimmt, dann war Mohlers Verehrung eine besondere – von manchen Heiden sagt man, daß sie ihre Götter züchtigen, wenn sie nicht tun, was erwartet wird.