Als Niekisch 1937 wegen Hochverrats verurteilt wurde und bis zum Kriegsende im Zuchthaus saß, leugnete Jünger die Bekanntschaft nie und versuchte zu helfen; in den Strahlungen tritt Niekisch als „Cellaris” auf. Auch nach 1945 und Niekischs Übertritt zur SED blieb der Kontakt trotzdem erhalten, jedoch meinte Niekisch, daß sie sich in dieser Zeit am weitesten voneinander entfernt hätten. Eine neuerliche Annäherung sei erst möglich gewesen, nachdem er selbst sich „seit etwa Anfang 1950 aus der praktischen Politik zurückgezogen habe”.
In dieser Phase entstand der hier zum ersten Mal abgedruckte Text, ein Typoskript, das Niekisch an Jünger sandte, um seine Kritik am Waldgang deutlich werden zu lassen. Einer Veröffentlichung stand entgegen, daß Niekisch zwar schon auf Distanz zur DDR-Führung gegangen war, mit dieser aber noch nicht gebrochen hatte. Die Ausführungen lassen deshalb auch erkennen, in welchem Maß das Buch Jüngers als aktuelle politische Stellungnahme aufgefaßt wurde, bezogen auf den großen Ost-West-Konflikt, der – am 25. Juni 1950 hatte der Krieg in Korea begonnen – als Vorbereitung eines „Dritten Weltkriegs” verstanden werden konnte.
Karlheinz Weißmann
Die Kritik hat sogleich begriffen, daß das neue Buch Ernst Jüngers Der Waldgang ein wesentliches Anliegen zur Sprache bringt: es ist das Anliegen zuerst der westdeutschen, dann der europäischen Intelligenz überhaupt. Der Individualismus hatte vergessen, daß der Mensch von Natur aus ein kollektives Wesen ist; er hatte die Gemeinschaftsbindung aus der Welt schaffen wollen, indem er kurzerhand die Augen davor verschloß. Nunmehr ist ein Umschlag eingetreten: die kollektiven Mächte bringen gegenwärtig dem Menschen nahe, daß sie Tatsachen sind, die sich nicht mehr als quantités négligeables behandeln lassen wollen. Der Kollektivismus ist die neue Weltbewegung; in Rußland ist er bereits an sein Ziel gelangt, in Amerika ist er auf dem Marsche. Europa war der individualistische Kontinent; die europäische Intelligenz hatte den Individualismus geradezu auf die Spitze getrieben. Jetzt, nachdem Europa nur noch als geographischer Begriff zwischen Amerika und Rußland existiert, fragt die europäische Intelligenz verzweifelt, wo sie mit ihrem Individualismus fernerhin bleiben soll. Diese Frage tauchte schon gleich nach 1945 vor ihr auf. Damals setzte die Intelligenz ihre ganze Hoffnung auf die Innerlichkeit, den „elfenbeinernen Turm”. Die Außenwelt bot für ihren Individualismus keinen Tummelplatz mehr, aber in den Bezirken der Innerlichkeit, der Kunst, der Dichtung, der Philosophie, der Musik und der Religion konnte er sich unbeengt weiterhin austoben. Es war die Zeit, in der die „Wandlung” ergriffene Leser fand. Man wollte seinen Individualismus behaupten, indem man Existentialist, Surrealist oder gar Theologe wurde. Inzwischen ist man allerdings dahintergekommen, daß im Raume der Innerlichkeit die Luft viel zu dünn ist, als daß der Individualist auf die Dauer darin gedeihen könnte. Als Bürger der Innerlichkeit muß man notwendig Quietist sein; der Quietist freilich ist immer nur Objekt, Spielball, Opfer der Herren der Dinge und Ereignisse; sein Freiheitsgefühl beruht stets auf Selbsttäuschung und Selbstbetrug. Schließlich merkte das auch der Individualist der Innerlichkeit. Doch fürchtete er, von den kollektiven Mächten erdrückt zu werden, wenn er sich auf irgendeine Weise mit ihnen einließ; deshalb sann er auf einen neuen Fluchtweg. Der neue Fluchtweg heißt „Waldgang”.
Der „Waldgänger” ist weder Quietist noch Fatalist; so erfindungsreich er ist, den kollektiven Mächten auszuweichen, so aktiv ist er doch, ihnen Abbruch zu tun. Man hat ihn zuweilen einen geistigen Partisanen genannt, der seinen Krieg gegen den Kollektivismus auf eigene Faust, Gefahr und Verantwortung führe. Er will vor keinen Tatsachen kapitulieren, er ist der Aufständige, Rebell in Permanenz. Er ist der europäische Intellektuelle, der seine letzte Zuflucht nur noch in der Verwegenheit findet, sich in jedem Augenblick aufs Spiel zu setzen. Indem er dies tut, ist er Mann des Widerstandes. Als Mann des Widerstandes ist er der Beschirmer des Wesentlichen und Eigentlichen, der ewigen Werte, der unvergänglichen Substanz, des Urgrundes, dem das Echte und Belebende entsteigt. Die kollektive Macht ist demgegenüber die Verfolgerin und Verderberin aller Schätze menschlicher Tiefe; sie verflacht den Menschen zu einem verödeten Schablonen‑, Normen- und Maschinenwesen. In der „Einsamkeit des Waldes” rettet der Waldgänger nicht nur diese hohen menschlichen Güter; er verteidigt sie und im Bewußtsein seiner Sendung verlernt er die Angst vor dem Leviathan, der erbarmungslos alles zertreten möchte, was nonkonformistisch ist.
Der „Waldgänger” ist in einem neuen Gewande jene typische Grundfigur, die uns in allen bedeutsamen Werken Jüngers immer wieder begegnet. Als Fremdenlegionär entflieht er unbequemen Ordnungen bis an den Rand der afrikanischen Wüste, als unbekannter Soldat besteht er die Stahlgewitter, als Abenteurer des Herzens durchwandert er traumhaft alle fürchterlichen Situationen, welche das Dasein bereithält, als Dulder des Schmerzes erlebt er seltenste Genüsse des Triumphes, als Arbeiter begegnet er den Dämonen der Technik; als anteilnehmender Gast erlebt er die Katastrophe der Marmorklippen, als Idylliker distanziert er sich in den „Gärten und Straßen” und in den „Strahlungen” gegen die Schinderhütten, die Gasöfen und die Kriegsgreuel der Hitlerschen Unterwelt; als Burgenländer entschwebt er in den kosmischen Raum, als er entdeckt, daß auch „Heliopolis” seinen Haken hat. Diese Figur bindet sich an keinen Zustand, sie ist immer bereit, einer Ordnung, die ihr lästig fällt, den Rücken zu kehren, ja ihrem Untergang in die Hände zu arbeiten. Wo man sie ankratzt, kommt der Nihilist zum Vorschein. Nur ungern möchte dieser Nihilist erkannt sein; er liebt es, Masken zu tragen und die Umwelt zu äffen. Die Maske macht glauben, man habe noch irgendeinen Sinn, eine Aufgabe, eine positive Hinterabsicht. Ist die Sache dieser Figur nicht schließlich die „Freiheit”? Hofft sie am Ende nicht, wenn sie in den Wald geht, dort die „Freiheit” zu finden und zu retten?
Was ist der Wald? Keineswegs handelt es sich dabei um einen ganz eindeutigen Begriff. Wald ist die Einsamkeit, in welche sich der Einzelne zurückzieht, er ist das Abseits von aller Gesellschaft und Zivilisation; er ist das Dunkle, Gefühlsmäßige, Instinktive, das die eigene Brust umschließt, er ist das Daimonion des Sokrates, das aus der Tiefe spricht, aus welcher das Schicksal gespeist wird, er ist die Grundsubstanz des Seins; er ist aber auch die naturhafte Wildnis, in welche kein gesellschaftliches Gesetz, keine gesellschaftliche Ordnung mehr hineinreicht und in der man sich außerhalb jeder Bindung bewegt. Zuweilen zeigt Jüngers Wald mystische Färbung; er ist der geheimnisvolle Ort, an welchem der Mensch ganz rein und echt Mensch sein kann. Der Jüngersche Wald hat eine gewisse Verwandtschaft mit Rousseaus Natur. Um dem Zwang der feudal-aristokratischen Ordnung zu entrinnen, empfahl Rousseau, zur Natur zurückzukehren, die dem Menschen in seiner Nacktheit Mut macht, sich allen ständischen Verkrampfungen und Verbiegungen gegenüber als Gleicher unter Gleichen zu fühlen. Im Walde winkt vor allem Freiheit. Allerdings ist hier der Begriff der Freiheit so vieldeutig wie es derjenige der Wildnis ist. Ist die Freiheit der souveränen Aristokratie gemeint, deren Opfer die Knechte und Untertanen sind? Handelt es sich um die Freiheit des Bürgers, der die Chance seines Reichtums gegen den arbeitenden Menschen rücksichtslos ausnutzt? Ist an die Freiheit des Raubtiers gedacht, das auf seiner Wildbahn jede Kreatur anfällt, die seinen Appetit reizt? Wenn jedoch nur die Freiheit der Selbstbestimmung gemeint ist, muß gefragt werden, inwieweit Selbstbestimmung überhaupt möglich ist und wer diese Selbstbestimmung finanziert.
Indes darf man es begrifflich mit dem Walde nicht so genau nehmen: im Grunde ist er doch immer wieder nur das Symbol des Ungesellschaftlichen. Der Einzelne empfindet den Druck der gesellschaftlichen Macht so stark, daß er mit ihr schlechtweg nichts zu schaffen haben möchte. Demgemäß rückt hier der Waldgänger schillernd in das Licht, lediglich auf Flucht zu sinnen. Das Lob des Waldes ist ein scharfer Protest gegen die kollektivistischen Tendenzen. Der „Waldgang” ist eine provokatorische Demonstration des Individuums gegen den Kollektivismus. Voltaire hatte einst Rousseau ironisch entgegnet, er könne sich doch nicht dazu entschließen, auf dem Baume zu leben und wie die Tiere sich von Wurzeln und Beeren zu nähren. So realistisch hatte Rousseau sein „Zurück zur Natur” gar nicht gemeint, so realistisch will auch Jünger seinen „Waldgang” nicht verstanden wissen. Wie erginge es am Ende auch diesen Einzelnen, diesen individualistischen Intellektuellen im Walde? Das ganze Bildungsgut, an dem sie ihren Geist geschult haben, ist traditionell-gesellschaftlich. Gesellschaftlichen Institutionen verdanken sie es, daß sie mit diesem Bildungsgut überhaupt in Berührung kommen konnten. Nur in der gesellschaftlichen Kommunikation bleibt ihr Geist lebendig; auch Sokrates bedurfte seiner Schüler und suchte ihrer auf dem Markte habhaft zu werden. Als man ihm nach seiner Verurteilung die Flucht anbot, als man ihm die Gelegenheit eröffnete, „in den Wald” zu gehen, lehnte er es ab, von diesem Schlupfloch Gebrauch zu machen. Er blieb innerhalb der Gesellschaft und als er den Giftbecher trank, tat er es als ein gesellschaftliches Wesen, das sich den Gesetzen der Gesellschaft beugte und gerade nicht als ein „Waldgänger” dagegen meuterte. Vielleicht beruhen seine Größe und seine Wirkung eben darauf, daß er sich nicht zu den geistigen Partisanen schlug. Schließlich ist der geistige Partisan, der „Waldgänger”, immer nur ein verkappter Nihilist – und gerade ein Nihilist war Sokrates nicht.
So wird der Wald zu dem Ort, an welchem sich die Überwinder der Todesfurcht und des Schmerzes ihrer Unangreifbarkeit gegenüber den Kollektiven sicher werden wollen. Sie sind, hier im Walde, nach ihrer Meinung, das Salz der Erde, die wahre und vornehmste Elite; in ihnen, so glauben sie, vollendet sich der Sinn des Daseins. Sie fühlen sich als die eigentliche, durch ihre antikollektivistische Bewährung auserlesene Aristokratie.
Es ist begreiflich, daß für die europäischen und westdeutschen Intellektuellen, die durch Amerika und durch Rußland den Boden unter ihren Füßen fortgezogen sehen, ein solches Waldgängertum viel Verführerisches hat. Hier eröffnet sich für sie noch eine Möglichkeit, sich als Elite fühlen zu dürfen, wennschon als eine Elite ganz besonderer Art. Ihr Verdienst beruht nicht auf Leistungen für die Gesellschaft, sondern auf dem trotzigen Abbruch, den sie der Gesellschaft zufügen, auf der unversöhnlichen Gegnerschaft, welche sie der Gesellschaft zeigen. Weil sie bemerken, daß im Zeitalter der Technik der gesellschaftliche Zwang sich sachnotwendig verstärkt, wollen sie jeden gesellschaftlichen Zwang und die Technik überhaupt über Bord werfen: in der Wildnis hoffen sie, ihr Heil zu finden.
Den „Einzelnen” peinigt die Furcht vor dem Kollektiv; sein Eigenstes fühlt er durch sie gefährdet und wenn er sich zu behaupten trachtet, droht ihm der Tod. Die Todesfurcht würde ihn zur Schwäche verführen, von Todesfurcht gejagt, würde er Konzessionen machen, die Verrat an ihm selbst wären. Die Überwindung der Todesfurcht ist eine Bedingung der Selbstbehauptung des Einzelnen. Er wird zum echten und wirklichen Waldgänger erst, wenn er der Todesfurcht Herr geworden ist. Ist er dahin gelangt, dann vermag ihn das Kollektiv mit nichts mehr zu schrecken. Er ist ein Souverän, der es gefaßt darauf ankommen läßt, was ihm passiert, wenn er von dem Kollektiv keine Notiz mehr nimmt. Auch der Schmerz kann ihn zu keiner Kapitulation zwingen; indem der Einzelne die Kraft fand, dem Schmerz standzuhalten, bringen ihn selbst die Schinderhütten der Kollektive nicht zum Erzittern.
Eine Station des Einzelnen aber ist Ernst Jünger verborgen geblieben; es ist die wohl abenteuerlichste und gefahrvollste, bis zu welcher er vordringen kann. Gesetzt den Fall, er ist durch die Schinderhütten der kollektivistischen Macht – die Tyrannei – gegangen und ihnen nur wie durch ein Wunder entkommen; gesetzt weiter, er hat jahrelang in die Abgründe des Todes geblickt und für seine Person endgültig mit dem Leben abgeschlossen; gesetzt ferner, er ist in den grauenvollsten Schrecknissen gestählt und hat jegliche Angst vor dem Entsetzlichsten wie vor den Tyrannen verloren; gesetzt außerdem, er hat innerlich nie kapituliert und ist durch seine Erlebnisse dagegen gefeit, je zu kapitulieren; gesetzt schließlich, ihm erscheint schlechthin jede Form von Flucht und Ausweichen als eine Schwäche, die ihm, der Tod und Teufel begegnet ist und diese Begegnung erstaunlicherweise überstanden hat, nicht mehr erlaubt ist; gesetzt das alles, so ist zu fragen, ob es sich für ihn noch schickt, „in den Wald zu gehen”. Für ihn ist es selbstverständlich, ein Einzelner zu sein; es geht ihm gegen den Geschmack, daraus überhaupt noch Wesens zu machen. Er ist sich seiner „Einzelheit” so sicher, daß er ihrer gewiß sein darf, wo immer er geht und steht. Er ist so sehr über Schmerz und Leid, Lust und Freude erhaben, daß ihn kein Bedürfnis nach Sicherheit treibt, der kollektiven Macht irgendwie aus dem Wege zu gehen. Er verachtet sie, wie er alles zu verachten gelernt hat, aber er hält es für überflüssig, ja sogar für etwas großsprecherisch, es ihr zu zeigen. Er scheut sich nicht, sich in ihrem Bereich anzusiedeln und ihr das, was sie mit jenem Recht, das aus natürlichen Gründen jede Gemeinschaft in Anspruch nehmen darf, ihm abfordert, zu geben. Es berührt ihn daher nicht, möglicherweise mißverstanden zu werden oder den Vorwurf auf sich zu ziehen, „unter sein Niveau gegangen” zu sein; er findet, daß es viel leichter gewesen wäre, als Partisan im Walde zu leben. Wo aber die Gemeinschaft über das Maß des natürlichen und vernünftigen Rechtes hinausgreift und die Untergründe des Einzelseins antastet, verweigert er ihr den Gehorsam – aber er tut es ohne Lärm, ohne Protest, ohne Pose, ohne Pathos, er nimmt von der unangebrachten und überspannten Forderung der kollektiven Macht einfach keine Kenntnis. Er bleibt, ohne daß er zum Demonstranten der Einzelheit werden wollte, einfach das, was er ist. Der Gedanke, ihm könnte etwas zustoßen, beunruhigt ihn nicht; passiert ihm wirklich etwas, so hat das seine Logik, die ihm nicht unbekannt ist und die seit alters her in Kraft war, wo sich eine Gesellschaft gebildet hatte und ein Individuum aus dem allgemeinen Rahmen fiel.
Er weiß, daß das schlichte Beispiel, das er täglich gibt, nicht ganz ohne Wirkung bleibt. Es entzündet in Unzähligen noch eine Ahnung davon, daß für die kollektive Macht Grenzen bestehen, die kein Mensch preisgeben sollte. Wenn es je denkbar ist, den Leviathan in Schranken zu halten, so kann das nicht vom Walde her und durch Partisanen geschehen. Der Waldgänger, der sich ostentativ gegen die Gesellschaft behaupten will, hat etwas Überhebliches, ja vielleicht sogar Theatralisches. Der Einzelne hat ein Recht, Einzelner zu sein, nur wenn es innerhalb der Gemeinschaft ist; nochmals sei hier des Sokrates als des bewundernswürdigen Vorbildes gedacht. Es mag unsagbar schwer sein, innerhalb der Kollektive sein Einzelsein zu behaupten; aber was ist schon eine Individualität wert, die nicht auch diese Schwere auf sich zu nehmen vermag?
Die Tage Europas sind gezählt. Das Erbe des europäischen Geistes läßt sich nicht vom Walde her innerhalb der amerikanischen und russischen Überfremdung fruchtbar machen; nur innerhalb des Rahmens dieser Überfremdung muß, wenn auch oft opfervoll, die Sache dieses Erbes zur Geltung gebracht werden.
Die „Waldgängerei” ist ein Rezept, das allen Individualisten, An-archisten, Nihilisten, allen jenen Eigenbrötlern und Sektenheiligen, die von ihrem Elite- und Auserwähltheitsbewußtsein nicht lassen können, allen bürgerlichen Europäern, die aus dem trotzigen Protest gegen unabwendbare Notwendigkeiten ihr Selbstgefühl nähren, wohl eingeht; unter ihnen wird sie unvermeidlich in Mode kommen. Sie glauben, eine Tat zu vollbringen, wenn sie durch ihren Waldgang dem Leviathan ein Schnippchen schlagen; sie wähnen, ihm Eintrag zu tun, indem sie einfach nicht mitmachen. Ihr Waldgang ist Flucht aus der Geschichte; sie haben gegen den Leviathan noch lange keine Schlacht dadurch gewonnen, daß sie ihm den Rücken zeigen.
Es gibt Situationen, die zur Totalität drängen und denen, wie überschwemmenden Wasserfluten, niemand zu entrinnen vermag; sie holen auch den Leichtfüßigsten ein, in welchen Höhlen des Waldes immer er Schutz zu finden sucht. Man muß die Grundsubstanz des Seins im Machtbereich des Leviathans verteidigen; man kann es nur, wenn man ihm in unmittelbarer Berührung auf seine Schliche – auf seine Gesetzmäßigkeiten also – kommt. Man kann episodenhafte politisch-gesellschaftliche Exzesse – wie der Hitlerismus es war – zeitweilig ignorieren; wo neue globale Ordnungen unaufhaltsam im Anzuge sind, kann man es nicht. Wer es trotzdem tut, schlägt sich zum „verlorenen Haufen” und wird zum „gewesenen Menschen”.
Nicht unbemerkt bleibt, daß der schillernde und unpräzise Charakter des „Waldgängers” Ernst Jünger die Möglichkeit gibt, zahlreiche Beobachtungen und Reflexionen die das Wesen der kollektiven Macht und die Reaktion des Menschen auf sie erhellen, auszustreuen; sie sind wie seltene Blumen, die der Waldgänger auf seinen ungebahnten Urwaldgängen plötzlich und überraschend entdeckt.