Wie weiter?

Der Nachhall der Buchmesse: Es ist ja ein krasses Erlebnis, tausende Menschen an sich vorüberziehen zu sehen, wenn man...

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

gewöhn­lich beim Blick aus dem Fens­ter nur einen Birn­baum und einen Lehmstall, beim Gang durchs Dorf nur den Rad­fah­rer, den Trak­tor­fah­rer, den Roll­stuhl­fah­rer sieht, die man immer sieht und von denen man weiß, wie man sie neh­men muß, damit es ein gutes Gespräch oder ein “Zuruf von zuhau­se” wird.

Ich muß geste­hen: Ich bin nach Buch­mes­sen stets vol­ler Ver­ach­tung für die Mas­se, und die­se Ver­ach­tung kon­zen­triert sich für Sekun­den immer auf den­je­ni­gen, der mir beim Vor­über­ge­hen sein Gesicht zuwen­det, wäh­rend ich wie ein Zoo­tier in mei­nem Mes­se­stand sit­ze. Ich kann beim bes­ten Wil­len kei­ne Rei­fung, kei­ne Höher­ent­wick­lung erken­nen, ich kann kei­ne immer noch fei­ne­re Auf­fal­tung des Geis­tes kon­sta­tie­ren, und dabei ist es doch wahr­schein­lich die gebil­de­te­re Hälf­te der Deut­schen, die vor­über­zieht. Die Deut­schen, also: mei­ne Leu­te, also: die­je­ni­gen, für die man das zu tun vor­gibt, was man tage­lang auf der Mes­se tut, und dann wie­der mona­te­lang, jah­re­lang am Schreibtisch.

Ich sehe die­se Men­schen hal­be Stun­den für ein tro­cke­nes Schnit­zel anste­hen, wäh­rend sie einen Mes­se­stand viel­leicht in zwei Minu­ten abschrei­ten. Ich sehe sie die­ses Schnit­zel nur zur Hälf­te ver­zeh­ren, und ich sehe sie dann in die Empö­rung über Mas­sen­tier­hal­tung oder in Schlepp­net­zen ver­en­den­de Del­phi­ne ein­stim­men, wäh­rend auf ihrem Tel­ler also ein Teil von jenem Schwein zurück­bleibt, das doch starb für sie. Nach dem Fres­sen ste­hen sie am Klo an, und dann neh­men sie ein Pro­be­heft von mei­nem Stand mit und zeich­nen zehn Meter wei­ter ein Schnup­pe­r­abo bei der Jun­gen Welt, aber bei­des trägt im Schnitt nichts aus.

Wie wei­ter?

Es hilft fürs ers­te, sich vor­zu­stel­len, daß man mit fast jedem die­ser frem­den Andern im Dor­fe doch wohl aus­kom­men wür­de, daß man wüß­te, wie man ein­an­der zu neh­men hat. Das kann lan­ge dau­ern, übri­gens, bis man das weiß. In der Stadt aber, ehr­lich, wür­de ich mei­ne Ver­ach­tung nicht mehr los.

(Ich selbst übri­gens, als ich mein Schnup­pe­r­abo zeich­ne­te, wur­de erkannt von einer jun­gen Frau. Sie strahl­te noch die Lust aus, poli­tisch etwas zu rei­ßen, und sie war­te­te, bis ich wie­der fort war vom Jun­ge-Welt-Stand, aber ich beob­ach­te­te sie: Und sie zog wirk­lich mei­nen Ver­lags-Pro­spekt aus der Tasche und zeig­te dem Schnup­pe­r­abo-Ver­käu­fer die über­ein­stim­men­de Adres­se: mei­ne und die von mei­nem bösen Ver­lag. Also wer­de ich nicht drei Wochen lang die Jun­ge Welt lesen dür­fen. Ziel­grup­pe sind die Schnit­zel­fres­ser und Vorbeischlenderer.)

Götz Kubitschek

Götz Kubitschek leitet den Verlag Antaios

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