In letzterem Fach wurde er von Wolfgang Abendroth promoviert. Aber obwohl sein Doktorvater als Zentralfigur der »heimatlosen Linken« galt, wandte sich Altmann dem bürgerlichen Lager zu und gründete 1954 mit dem zehn Jahre jüngeren Johannes Gross die RCDS-Zeitschrift Civis; 1956 übernahm er die Leitung der CDU-nahen Akademie Eichholz.
Daß diese Tätigkeit einem beweglichen Kopf wie Altmann nicht genügte, war schon erkennbar, als 1958 ein Buch mit Beiträgen von ihm und Gross unter dem Titel Die neue Gesellschaft erschien, das mehr oder weniger deutliche Hinweise auf den Einfluß Carl Schmitts enthielt, der unter Pseudonym auch als Autor an Civis beteiligt gewesen war. Altmann hatte den »Avancierriesen« (Hanno Kesting) im verbotenen Reich des Geistes bei einem Genesungsurlaub im letzten Kriegsjahr an der Berliner Universität gehört, dann aber keinen Kontakt mehr gehabt. Der kam erst 1955 wieder zustande, wobei Schmitts Wertschätzung durch die Geschicklichkeit, mit der Altmann ihn zum Zweck der Anspielung – nicht die offene Bezugnahme – nutzte, nicht gemindert wurde, ganz im Gegenteil.
Diese Art Krypto-Schmittismus spielte auch eine Rolle für die beiden folgenden Bücher Altmanns – Das Erbe Adenauers (1960) und Das deutsche Risiko (1962) –, mit denen er sich einer CDU nach Adenauer als Analytiker empfahl. Tatsächlich sollte er zum engsten Beraterkreis von Ludwig Erhard gehören und lancierte den Begriff »Formierte Gesellschaft«, ein Terminus, dessen Anklang an Schmitts Begrifflichkeit sicher kein Zufall war.
Allerdings hatte Altmanns Wunsch nach Nähe zur Macht immer etwas Spielerisches. Diese Unernsthaftigkeit erklärt auch, warum er sein konservatives Image nach dem raschen Scheitern Erhards nutzte, um sich trotz des politischen Klimawechsels den Einflußreichen weiter interessant und angenehm zu machen. Eine Anpassungsfähigkeit, die ihm ohne Zweifel auch bei seiner beruflichen Karriere zustatten kam. Zwischen 1963 und 1978 übernahm er die Position eines stellvertretenden Hauptgeschäftsführers des Deutschen Industrie- und Handelstages. Während dieser Zeit hat er weiter, mehr oder weniger intensiv, publizistisch gearbeitet und bemerkenswert oft Themen und Stichworte Schmitts aufgenommen und ausgewalzt. Seine teilweise brillanten Texte – von der »scharf-zarten Bemerkungsgabe« des Freundes hat Gross gesprochen – kennzeichnete allerdings eine resignative Attitüde, die es Altman erlaubte, sich politisch nicht festzulegen. Daß der CDU-Mann ein ausgesprochener Verächter Helmut Kohls war, ließ sich natürlich in das Wohlwollen der Gegenseite ausmünzen, und kennzeichnend ist auch, daß Altmann seinen Nachlaß der Friedrich-Ebert-Stiftung übergab.
Arndt, Hans Joachim (1923–2004)
Zu den prägenden Erfahrungen der frühen Jahre Arndts gehörten der Aufstieg des NS-Regimes und dann vor allem die Kriegszeit. Arndt diente in der Marine als Offizier, geriet in Gefangenschaft und sah sich nach der Niederlage gezwungen, die Laufbahn des Berufssoldaten aufzugeben. Er begann ein Studium der Soziologie und ging im Sommersemester 1950 und im Wintersemester 1951/52 nach Heidelberg, wo er dann bei Alfred Weber promoviert wurde. In dessen Umfeld hatte sich zu dem Zeitpunkt ein »Carl-Schmitt-Fan-Club« (Dirk van Laak) gebildet, zu dem Arndt Kontakt über Reinhart Koselleck und Hanno Kesting fand, die ihn dann in Verbindung zu Schmitt wie Armin Mohler brachten.
Arndt engagierte sich auch in der nordrhein-westfälischen FDP, die mit ihrem Kurs der »nationalen Sammlung« eine gewisse Anziehungskraft auf die junge rechte Intelligenz der Bundesrepublik ausübte. Darüber hinaus dekuvrierte er sich aber nicht. Er hat zur Begründung immer angegeben, daß die totale Niederlage von 1945 eine klare Unterscheidung zwischen résistance und collaboration unmöglich machte. Bis zum Beginn der siebziger Jahre mied Arndt jedenfalls klare Positionsbestimmungen und veröffentlichte vor allem zu Managementfragen; auch die Universitätskarriere trat er erst relativ spät an: Im Zuge der Bildungsexpansion erhielt er 1968 einen neugeschaffenen Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg.
Die entscheidende Änderung trat erst ein, als Arndt zehn Jahre später eine Monographie unter dem Titel Die Besiegten von 1945. Versuch einer Politologie für Deutsche (1978) vorlegte, in der er von einer an Schmitt geschulten »konkreten Lageanalyse« ausging. Im Kern handelte es sich seiner Meinung nach darum, daß die Politologie keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben könne, da sie von einer vorgegebenen Dogmatik ausgehen müsse und weiter den ehemaligen Siegermächten als Konzept diene, ihre Umerziehungsmaßnahmen auf Dauer zu stellen.
Das Buch Die Besiegten von 1945 sorgte zwar in der Zunft für einen gewissen Unmut, aber eine echte Resonanz fand es nicht. Arndt nahm das mit Erbitterung zur Kenntnis und quittierte später nur noch mit Genugtuung, dass Panajotis Kondylis – den er als seinen Schüler betrachtete – den Faden aufnahm und »die illusionsloseste politische Grundlagenphilosophie« schrieb, »die nach dem zweiten Weltkrieg in deutscher Zunge veröffentlicht wurde«.
Böckenförde, Ernst-Wolfgang (*1930)
Ohne Zweifel hat Ernst-Wolfgang Böckenförde, der »Einstein des Staatsrechts« (Süddeutsche Zeitung), unter allen Nachkriegsschülern Carl Schmitts die beeindruckendste Karriere gemacht. Bereits 1953, mit dreiundzwanzig Jahren, wurde er in kurzem Abstand zum Dr. iur., dann zum Dr. phil. promoviert. Immerhin dauerte dann die Fertigstellung der Habilitation bis 1964. Allerdings erhielt Böckenförde sofort einen Ruf auf den Lehrstuhl für öffentliches Recht, Verfassungs- und Rechtsgeschichte sowie Rechtsphilosophie an der Universität Heidelberg, 1969 wechselte er nach Bielefeld, 1977 nach Freiburg i. Br. Zwischen 1971 und 1976 gehörte Böckenförde der Enquetekommission des Bundestages zur Verfassungsreform an, zwischen 1983 und 1996 amtierte er als Bundesverfassungsrichter.
Böckenfördes Interesse an Schmitt wurde über das Collegium Philosophicum Joachim Ritters in Münster geweckt. Das war nicht ungewöhnlich, Anlaß zu Irritationen gab eher seine SPD-Mitgliedschaft, die für einen bekennenden Katholiken in der frühen Bundesrepublik kaum die Regel war, und die Tatsache, daß er sich trotzdem und relativ deutlich auf Schmitt bezog. Einer breiteren Öffentlichkeit enthüllte sich dieser Zusammenhang allerdings kaum. Diesen Sachverhalt kann man deutlich an der Debatte über den Aufsatz ablesen, den Böckenförde 1960 im katholischen Hochland veröffentlichte und in dem er sich dezidiert kritisch mit der Haltung des Zentrums zur Machtübernahme Hitlers auseinandersetzte. Allgemein wurde dieser Text als Beitrag zu der mit Vehemenz einsetzenden »Vergangenheitsbewältigung« betrachtet, aber Schmitt registrierte ihn mit Wohlwollen, weil hier – anders als in der sonst üblichen, mehr verschleiernden als entdeckenden Art – die Position des Katholizismus im Jahr 1933 behandelt und deutlich die Zwangslagen herausgearbeitet wurden, die seine eigene Position relativieren konnten.
Böckenförde wollte mit seinem Text keiner Rechtfertigung Schmitts Vorschub leisten, aber es ergab sich wie in anderen Fällen eine Art Parallelität der Argumentation. Besonders deutlich wurde das immer dann, wenn Böckenförde zur Verteidigung der Kernstaatlichkeit ansetzte, die er gegen die Begehrlichkeiten der Gesellschaft – vor allem der Wirtschaft – geschützt wissen wollte. Daraus resultierten zuletzt noch seine scharfen Stellungnahmen zur europäischen Integration und die Ablehnung des Türkeibeitritts; vor allem aber geht es um das, was man schon als Böckenförde-Theorem bezeichnet hat, zusammengefasst in der Formel: »Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.« Man erkennt unschwer den Einfluß der Lehre Schmitts von der Bedeutung Politischer Theologie.
Forsthoff, Ernst (1902–1974)
siehe Sezession 38, Seite 28
Freund, Julien (1921–1993)
Freund stammte aus kleinen Verhältnissen in Lothringen. Unmittelbar nach der Besetzung Frankreichs schloß er sich der Résistance an, was ihm mehrfache Festnahme und Inhaftierung eintrug, der er sich schließlich durch die Flucht entzog. Nach dem Ende des Krieges nahm er sein unterbrochenes Studium wieder auf und unterrichtete dann als Gymnasiallehrer. Erst nach dem Abschluß seiner Dissertation (bei Raymond Aron) kehrte er in den akademischen Bereich zurück. Er übernahm einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Straßburg und setzte sich leidenschaftlich für den Ausbau seines Faches ein, wandte sich aber zuletzt angesichts des Leistungsverfalls und der Vorherrschaft der Linken enttäuscht von der Hochschule ab und trat bereits 1979 in den Ruhestand.
Als politisch verdächtig galt er natürlich auch wegen seiner offenen Sympathie für die Nouvelle Droite; eine Sonderstellung hatte er in der französischen Gesellschaftswissenschaft aber von Anfang an gehabt, wegen seines ausgeprägten Interesses an der deutschen Geistesgeschichte. Noch irritierender war nur seine Sympathie für Carl Schmitt, den er außerdem persönlich kannte und mit dem er lange – zwischen 1959 und 1982 – in einem sehr herzlichen Briefwechsel stand. Schmitt hat noch stärker als Weber oder etwa Georges Sorel Einfluß auf Freunds Verständnis der Geschichte und des Politischen genommen. Schon in seiner Doktorarbeit war es um die Bedeutung des Feindes und der Feindfähigkeit ganz im Sinne der von Schmitt vorgenommenen Unterscheidung gegangen.
Kesting, Hanno (1925–1975)
siehe Autorenporträt in diesem Heft
Koselleck, Reinhart (1923–2006)
Koselleck war einer der einflußreichsten Historiker der Nachkriegszeit. Sein Ansehen ist bis heute groß, was auch mit der Wahrnehmung eines strengeren Theoriebezugs zu tun hat, welcher der Disziplin sonst mangelt. Es bleibt allerdings die Frage, ob die Konzentration Kosellecks auf theoretische Fragen nicht auch dem Zweck diente, sich von gewissen Gefahrenzonen der Geschichtsschreibung fernzuhalten. Daß er diese kannte, gut kannte, war schon seinem genialen Erstling Kritik und Krise (1959) zu entnehmen, der sich mit dem Vorlauf der Französischen Revolution befaßt und dabei vor allem die ideologischen Mineure behandelt, die seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts den Untergrund des alten Europa und der neuen Staatlichkeit zerstört hatten. Thema und Vorgehensweise waren nachhaltig durch Schmitt angeregt, den Koselleck während seiner Heidelberger Studienzeit über Nicolaus Sombart kennengelernt hatte.
Die These, der Aufstand der »Zwischengewalten« habe jenen »Bürgerkrieg« ausgelöst, »unter dessen Gesetz wir heute noch leben«, hat selbstverständlich Mißtrauen geweckt, und Habermas warf Koselleck erwartungsgemäß vor, den Fortschritt »in Verruf« zu bringen, aber seiner wissenschaftlichen Karriere hat das nicht geschadet. 1965 erhielt er einen ersten Ruf nach Bochum, drei Jahre später nach Heidelberg, in demselben Jahr übernahm er auch einen Sitz in der Gründungskommission der Universität Bielefeld. Ein orthodoxes Mitglied der »Bielefelder Schule« ist Koselleck selbstverständlich nicht geworden, aber es gelang ihm in den siebziger und achtziger Jahren stets, bei der intellektuellen Linken den Eindruck zu erwecken, daß er dazugehöre.
Wie wenig das tatsächlich zutraf, kann man seinem wissenschaftlichen Hauptwerk entnehmen, der sich über Jahrzehnte erstreckenden Herausgabe des Handbuchs Geschichtliche Grundbegriffe. Denn es ging Koselleck darum, daß alle »Grundbegriffe« kein Wesen an sich hätten. Sie nähmen vielmehr teil am »semantischen Kampf, um politische oder soziale Positionen zu definieren und kraft der Definitionen aufrechtzuerhalten oder durchzusetzen«.
Neben den Geschichtlichen Grundbegriffen ist auch noch auf die von Koselleck mitherausgegebene Reihe »Poetik und Hermeneutik« hinzuweisen, an der Wissenschaftler verschiedener Disziplinen mitwirkten. 1980 erschien ein Band zum Thema »Niedergang«. In dem abschließenden Essay befaßte Koselleck sich mit der Frage, inwieweit die Wahrnehmung von Fortschritt und Dekadenz auf historischen oder perspektivischen Illusionen beruhe, wie sehr beide Diagnosen vom Betrachter abhängig seien und nicht selten das, was für den einen Fortschritt bedeute für den anderen als Abstieg erscheine und umgekehrt. Er verwies darauf, daß schon Rousseau und – schärfer – Nietzsche diesen Sachverhalt genutzt hätten, um, wie Koselleck Nietzsche zitiert: »Dem, was entartet und absterben will, das Verlangen zum Ende einzugeben«. Dann setzte er hinzu: »Aber brechen wir hier ab«.
Martini, Winfried (1905–1991)
siehe Sezession 38, Seite 40f
Maschke, Günter (*1943)
siehe Interview sowie Sezession 38, Seite 41 f
Mohler, Armin (1920–2003)
siehe Biographie von Karlheinz Weißmann
(Edition Antaios 2011)
Sander, Hans-Dietrich (*1928)
Sander kam erst 1967 in direkten Kontakt zu Schmitt, den Mohler vermittelt hatte. Zuvor hatte er in Westberlin studiert, war dann einige Jahre Dramaturg in Ostberlin, um dann 1957 endgültig nach Westdeutschland überzusiedeln. Dort war er, mit einer längeren Unterbrechung, bis 1968 Redakteur der Welt, bei der er sich nach dem Tod Hans Zehrers zunehmenden Schwierigkeiten ausgesetzt sah. Er knüpfte daraufhin an seine Forschungen zur Revolutionstheorie an und wurde von Hans-Joachim Schoeps mit einer Arbeit über »Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie« promoviert. Schmitt hat diese Arbeit mit vielen Ratschlägen begleitet, und Sander dankt ihm dafür im Vorwort. Beide führten zwischen 1967 und 1981 einen umfangreichen Briefwechsel (erschienen bei Antaios, Schnellroda 2008), in dem Schmitt immer wieder Anregungen gab und hier wirklich als ein akademischer Geburtshelfer wirkte. Er warnte Sander davor, die Judenfrage in der Gegenwart zu erörtern, was Sander dennoch tat, als er der zweiten Auflage seiner Dissertation ein Corollarium zum »Ortlosen Marxismus« anhängte. Damit manifestierte sich Sanders Außenseiterposition, die er nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch innerhalb von Schmitts Schülerschaft einnahm. Anfang der achtziger Jahre antwortete Schmitt nicht mehr auf die Briefe von Sander. Die Gründe sind rätselhaft. Sander vermutet, daß es seine Radikalität war, mit der er das Verhältnis von Partei und Staat untersuchen wollte, die Schmitt an seine nie geschriebene »Allgemeine Staatslehre« erinnert hätte. Sander hat dieses Projekt, das er mit »Gastmahl des Leviathan« überschrieb, bis heute nicht vollenden können. Allerdings blieb er der einmal gewählten Fragestellung treu, indem er die Zeitschrift Staatsbriefe herausgab, die in den neunziger Jahre wohl das interessanteste Theorieorgan von rechts gewesen ist.
Schroers, Rolf (1919–1981)
Schroers lernte Schmitt 1955 kennen, als er Lektor des Verlages Kiepenheuer & Witsch war, und blieb seitdem in regem brieflichen Austausch mit ihm. Der Sohn eines Generals hatte als Kriegsheimkehrer in Münster unter anderem Germanistik und Geschichte studiert und versuchte, sich zunächst als freier Schriftsteller und Übersetzer durchzuschlagen. Sein Erstling von 1949, eine biographische Studie über T. E. Lawrence, brachte ihn in die Gruppe 47, von der er sich später löste und ihr vorwarf, lediglich eine linke Interessengemeinschaft darzustellen, die andere Weltanschauungen konsequent ausgegrenzt und diffamiert habe. Er beteiligte sich in der Folge an zahlreichen Projekten und Neugründungen von Zeitschriften, denen oftmals keine lange Lebensdauer beschieden war. Anfang der sechziger Jahre schrieb er parallel zu Schmitt an einem Buch über die Gestalt des Partisanen, das 1961 erschien. Schmitt nimmt in seiner Theorie des Partisanen (1963) darauf Bezug. Da der erhoffte Erfolg als Schriftsteller ausblieb, sah sich Schroers nach einer festen Anstellung um und schloß sich den Liberalen an. Dort wurde er 1965 Chefredakteur der Zeitschrift liberal und war von 1968 bis zu seinem Tod Direktor der Theodor-Heuss-Akademie in Gummersbach. Als FDP-Mitglied ließ er sich zweimal als Direktkandidat für den Bundestag aufstellen, ohne allerdings ein Mandat zu erringen. Seine Parteinahme für Schmitt, die sich nicht zuletzt in seinem Werk mit zahlreichen Referenzen niederschlug, sorgte für Irritationen, hatte aber keine negativen Folgen für Schroers. Die Figur des Partisanen eignete sich offenbar besonders gut, um die Schranke, die um Schmitt von links errichtet worden war, zu durchbrechen. So kam auch der Sinologe und Maoist Joachim Schickel (1924–2002), von 1952 bis 1982 Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk, über den Partisanen 1970 mit Schmitt ins Gespräch .
Seifert, Jürgen (1928–2005)
Seifert hätte die Bezeichnung als »Schüler« Schmitts wohl nur mit starken Vorbehalten akzeptiert, denn er war zeit seines Lebens ein dezidierter Linker und der »Links-Schmittismus« immer eine merkwürdige, mindestens heikle Sache. Seifert gehörte zwar aufgrund seiner Herkunft zum Bürgertum, das sich allerdings durch die Folgen des Zweiten Weltkriegs entmachtet und enteignet sah. Der Sohn eines Ministerialrats sah sich nach 1945 zuerst gezwungen, als Landarbeiter, dann als Werkzeugmacher sein Brot zu verdienen, bevor er ein Studium aufnehmen konnte.
Seifert belegte Jura und Philosophie in Münster, wo er in Kontakt zum Umfeld des berühmten Collegium Philosophicum Joachim Ritters kam. Bei einem von den Brüdern Böckenförde organisierten Vortrag lernte er Schmitt 1955 persönlich kennen und begann, sich intensiv mit dessen Positionen auseinanderzusetzen. Was ihn dabei vor allem anzog, war das antagonistische Politikverständnis und der Hinweis auf die Grenzen des Rechtspositivismus. Beides kombinierte Seifert in seinen eigenen Vorstellungen von Sozialismus, die sich mit dem Kurs der SPD nach dem Godesberger Programm nur schwer zum Ausgleich bringen ließen. Als Mitglied des SDS wurde Seifert aus der Mutterpartei ausgeschlossen, beugte sich aber nicht und gewann eine gewisse Bekanntheit als Kritiker der Formierten Gesellschaft wie der Notstandsgesetze, die er zurückwies, auch und gerade weil er sie als Ausfluß Schmittscher Vorstellungen betrachtete, die vom gegnerischen Klassenstandpunkt ihre Logik bezogen.
In der Atmosphäre der sechziger Jahre waren solche Stellungnahmen durchaus noch nicht karrierefördernd, und Seifert erhielt erst 1971 einen Lehrstuhl an der Universität Hannover, bezeichnenderweise nicht an der rechts‑, sondern an der sozialwissenschaftlichen Fakultät. In der Folgezeit hat er vor allem durch seinen vehementen Kampf gegen »Berufsverbote« und die Anti-Terror-Gesetzgebung von sich reden gemacht und sogar den – nicht ganz unbegründeten – Verdacht der Sympathie mit der RAF auf sich gezogen. Zu betonen ist allerdings, daß Seifert ein vehementer Befürworter des Rechts auf freie Meinungsäußerung auch im Hinblick auf seine politischen Gegner war und die öffentliche Debatte als wichtigstes Stimulans eines demokratischen Gemeinwesens betrachtete.