Comics (2) – Asterix & Siggi

Neulich habe ich an dieser Stelle über die Serie "Der Stern von Afrika" in dem Comicsmagazin Zack berichtet.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Dar­an anschlie­ßend möch­te ich nun eine klei­ne Revue  (ohne Anspruch auf Voll­stän­dig­keit) diver­ser Comics vu de droi­te eröff­nen. Die Rezep­ti­on von Comics hat in den nach meta­po­li­ti­schen Berüh­rungs­flä­chen suchen­den Nou­vel­le-Droi­te-Able­gern in Frank­reich und Ita­li­en eine Rol­le gespielt, die in Deutsch­land undenk­bar ist.

Das hat damit zu tun, daß die ban­des des­i­nées in Frank­reich einen weit­aus höhe­ren Stel­len­wert in der Natio­nal­kul­tur inne­ha­ben als hier­zu­lan­de, wo mit Comics immer noch eher der Heft­chen­schund asso­zi­iert wird, obwohl doch via Wil­helm Busch Deutsch­land als eines der wich­tigs­ten Vater­län­der der Bil­der­strei­fen gel­ten darf.

Den­noch hat sich inzwi­schen auch hier her­um­ge­spro­chen, daß die Comics längst ihren Kin­der­schu­hen ent­wach­sen sind, und her­aus­ra­gen­de Künst­ler wie Jac­ques Tar­di, Jean Giraud, Hugo Pratt, Art Spie­gel­man oder Dave Sim her­vor­ge­bracht haben.

Machen wir den Anfang mit dem Nahe­lie­gends­ten: Aste­rix von Albert Uder­zo und dem genia­len, 1977 ver­stor­be­nen Tex­ter René Gos­cin­ny ist nicht nur eine Art fran­zö­si­sches Natio­nal­hei­lig­tum, son­dern auch einer der welt­weit popu­lärs­ten Comics, den wir hier nicht wohl län­ger vor­stel­len müssen.

Sei­nen Reiz bezieht Aste­rix zu einem gro­ßen Teil aus der Kari­kie­rung der euro­päi­schen Natio­nal­cha­rak­te­re, und so mach­ten Aste­rix und Obe­lix im Lau­fe ihrer Aben­teu­er unter ande­rem Bekannt­schaft mit den “Goten”, “His­pa­ni­ern”, “Bri­tan­ni­ern”, Kor­sen, Grie­chen und “Wikin­gern”.

1995 ver­öf­fent­lich­ten Richard Her­zin­ger und Han­nes Stein die Pole­mik End­zeit­pro­phe­ten –  Offen­si­ve der Anti­west­ler,  in der alle jene als extre­mis­ti­sche und proto­fa­schis­ti­sche Dun­kel­män­ner gegei­ßelt wur­den, die im Sie­ges­zug des west­li­chen Libe­ra­lis­mus nicht das Hap­py-End und den Sinn der Geschich­te zu sehen vermögen.

Zwar augen­zwin­kernd, inhalt­lich aber durch­aus ernst gemeint, mach­ten Stein und Her­zin­ger Aste­rix als “Blut-und-Boden”-Comics ding­fest, mit­samt einer heid­ni­schen (“Beim Teu­ta­tes!”) und eth­no­plu­ra­lis­ti­schen Ideo­lo­gie im Hin­ter­grund, als hät­te Alain de Benoist lui-même Pate gestan­den. “Ich habe nichts gegen Frem­de”, so ein geflü­gel­tes Wort des Dorf­äl­tes­ten Methu­sa­lix, “eini­ge mei­ner bes­ten Freun­de sind Frem­de. Aber die­se Frem­den da sind nicht von hier!

Die­se rück­stän­di­gen, abge­schot­te­ten und völ­kisch-xeno­pho­ben Gal­li­er ver­wei­ger­ten sich nach Stein und Her­zin­ger hart­nä­ckig den uni­ver­sa­lis­ti­schen Seg­nun­gen der Pax Roma­na und der römi­schen Zivi­li­sa­ti­on. Wie der “roma­ni­sier­te”, toga­tra­gen­de Gal­lier­häupt­ling im “Kampf der Häupt­lin­ge”, des­sen Zim­mer­wand der Spruch “Rome, sweet Rome” ziert, soll­ten die Man­nen um Aste­rix also qua­si end­lich die Besat­zer als Befrei­er begrü­ßen, und sich von der eige­nen reak­tio­nä­ren Zurück­ge­lie­ben­heit befrei­en lassen…

Als glän­zen­des Gegen­mo­dell zum gal­li­schen Dorf prä­sen­tier­ten die Autoren Dis­neys Enten­hau­sen, eine typi­sche ame­ri­ka­ni­sche Klein­stadt,  demo­kra­tisch, “welt­of­fen”, säku­la­ri­siert und kapi­ta­lis­tisch, und außer­dem – im Gegen­satz zu der eth­nisch homo­ge­nen Hei­mat Aste­rix’- bei­spiel­haft mul­ti­kul­tu­rell, leben dort doch Enten, Mäu­se, Hun­de und ande­re Tie­re fried­lich und ohne Ras­sen­dis­kri­mi­nie­rung  zusam­men. Nach Stein und Her­zin­ger käme das Heil Euro­pas also aus sei­ner “Enten­hau­sie­rung”, wäh­rend Uder­zo und Gos­cin­nys Modell eher ein qua­si-gaul­lis­ti­sches “Euro­pa der Vater­län­der” pro­pa­gier­te, das sich dem “Ame­ri­can Way of Life” widersetzt.

Nun: Wenn über­haupt, dann haben Stein und Her­zin­ger damit eines der schla­gen­ds­ten Argu­men­te über­haupt gegen das von ihnen so geprie­se­ne West­ler­tum gebracht: Pro-West­ler sein bedeu­te also aus­buch­sta­biert soviel, wie beim Lesen von Aste­rix zu den Römern zu hal­ten. Zu solch einem Kanail­len­tum kann auch nur ein Links­li­be­ra­ler fähig sein!

Schon drei­ßig Jah­re vor Stein und Her­zin­ger mein­te  Fix &  Foxi – Erfin­der Rolf Kau­ka gewis­se poli­ti­sche Ana­lo­gien in Aste­rix zu erken­nen. Wer ein­mal auf einem Floh­markt ein Heft des kurz­le­bi­gen F&F-Able­gers Lupo modern (ab 1965) in die Hän­de bekom­men hat, wird sich nicht schlecht über die Unver­schämt­heit gewun­dert haben, mit der Kau­ka in der Lizenz­aus­ga­be mit offen poli­ti­scher Ten­denz die Gal­li­er in “Ger­ma­nen” ver­wan­del­te und, wie es vor kur­zem noch auf der offi­zi­el­len Kau­ka-Web­sei­te hieß, die Pro­ble­ma­tik des “neu­en Limes” aufgriff.

Aste­rix und Obe­lix hie­ßen nun “Sig­gi und Bar­ra­bas”, wur­den zu “West­go­ten” erklärt, wäh­rend die Nur-Goten der fran­zö­si­schen Vor­la­ge zu “Ost­go­ten” mit säch­si­schem (!) Akzent mutier­ten. Und obwohl das Dorf in “Bonn­hal­la” und der Drui­de Mira­cu­lix, auf Ade­nau­er anspie­lend, zu “Kon­ra­din” umbe­nannt wur­den, ließ Kau­kas Bear­bei­tung kei­nen Zwei­fel, daß er auch West-Ger­ma­ni­en als besetz­tes Land betrach­te­te: so flu­chen die römi­schen Besat­zer im brei­tes­ten Yankee-Englisch (!).

Auch sonst ist die Kau­ka-Fas­sung voll mit hüb­schen klei­nen Details, die schon damals pro­vo­kant gewirkt haben müs­sen. In einer Epi­so­de tref­fen Asterix/Siggi und Obelix/Barrabas in einer Ker­ker­zel­le auf einen betrun­ke­nen Lands­mann. Wäh­rend die­ser im Ori­gi­nal “Heil Ver­cin­g­e­to­rix!” brüllt,  wird dar­aus in der deut­schen Fas­sung “Heil Kai­ser Wilhelm!”

Als schließ­lich Uder­zo & Gos­cin­ny von der Ver­fäl­schung Wind beka­men, unter­sag­ten sie Kau­ka den wei­te­ren Abdruck. So blie­ben “Sig­gi und Bar­na­bas” eine skur­ri­le Fuß­no­te, und ein köst­li­ches, fast schon fer­n­au-isches, Doku­ment natio­nal­be­wuß­ter publi­zis­ti­scher Dreis­tig­keit, das umso unge­wöh­li­cher ist, als Mit­te der sech­zi­ger Jah­re die meis­ten Natio­nal­kon­ser­va­ti­ven längst eher­ne Anhän­ger der West­bin­dung waren.

Der Voll­stän­dig­keit hal­ber sei erwähnt, daß der pseud­ony­me Autor des semi-legen­dä­ren “rech­ten Bae­de­ker” (erschie­nen in ETAPPE 17, Herbst 2003), Aste­rix unter die hier­zu­lan­de wenig bekann­ten “Pou­ja­dis­ten” ( Paro­le: “Wir selbst!”), ein­ord­net.

À sui­v­re!

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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