eingestellt wurde, ist nicht klar. Es mag nicht mehr finanzierbar gewesen sein oder keine Zielgruppe gefunden haben: Lehrreich ist es allemal, solch ein ambitioniertes Projekt zu sichten und zu sehen, was die „Köpfe“ des Bloc vorhatten.
1. Das Heft ist von Anfang an erwartbar strukturiert: lokale Nachrichten aus der frankophonen Welt, historische Artikeln, die (verdichtete) Klärung von Grundsatzfragen, Interviews und Reportagen aus der „Szene“, Musik- und Buchrezensionen sowie der Vorstellung potentieller Reiseorte für identitäre Urlauber.
2. Wenig überraschend ist, daß die meisten aktuellen Mitteilungen der Berichterstattung zu Fragen der Islamisierung und der Masseneinwanderung dienen; dazu gesellt sich der Abdruck von Veranstaltungsberichten und Terminen. Bei den historischen Artikeln, die etwa zur Geschichte der Römer, Kelten, Skythen oder Spartanern verfaßt werden, ist erfrischend deutlich klar, daß keinerlei Fixierung auf die Periode des Zweiten Weltkriegs gegeben ist.
3. Leitthemen sind unter anderem die Sicherheitsfrage der Banlieus, die wahrgenommene Islamisierung Westeuropas, eine linke Hegemonie in Medien und Kultur oder der wenig verheißungsvolle Ausblick auf ein Europa in 50 Jahren. Beleuchtet wird von den wenig streitlustigen Autoren aber auch der Gehalt der katholischen Soziallehre, die Bedeutung des Konzepts der Soft Power oder die Frage nach einer zeitgemäßen Familienpolitik.
4. Bei den Interviews und Reportagen ist überraschend, wie italienorientiert der Bloc in der Anfangszeit ausgerichtet war: Casa Pound erscheint auch hier als das große Vorbild, wenn etwa über eine gemeinsame Exkursion nach Rom berichtet wird (in die dortige Zentrale der „Faschisten des dritten Jahrtausends“), und dies durch Interviews mit CP-Vertretern eingerahmt ist. Eine weitere, weitgehend affirmative Reportage trägt die Überschrift: „Alle identitären Wege führen nach Rom“. Typischer CP-Stil in der Praxis ist auch eine Mahnwache des Blocs zu Ehren des communard Auguste Blanqui. Blanqui wird dabei ideologisch so spezifisch rezipiert, daß er sich als Symbol des hartnäckigen Durchhaltewillens für die gegenwärtige identitäre Sache einnehmen läßt.
Heute ist anzunehmen, daß sich das überwiegend positive Bild der identitären Franzosen in bezug auf die Casapoundisten nach 2007/08 geändert hat. In einem Interview, das in der aktuellen Ausgabe der Blauen Narzisse erscheint, distanziert sich der befragte Bloc-Aktivist dementsprechend von dem Casa-Pound-Etikett „faschistisch“, äußert sich auf die Nachfrage zu CP ansonsten nicht und lobt stattdessen realitätsnahe Initiativen der Schweizer Volkspartei (SVP).
5. Diese Wende zum Pragmatischen und den konkreten Lebensbedingungen der Franzosen, bei Vermeidung jedweder ideologischer Festlegung auf ideengeschichtliche Vorbilder, erscheint bei den Bücher- und Autorenvorstellungen zwischen 2005 und 2008 noch nicht ausgebildet zu sein. Gleichwohl auch der slowenische Linksintellektuelle Slavoj Žižek oder andere Autoren, die nicht dem „identitären“ Lager zuzurechnen sind, diskutiert und rezensiert werden, überwiegen Autoren wie Alain de Benoist, Jean Raspail, Charles Péguy, Knut Hamsun oder José Streel. Bei der Musik verhält es sich ähnlich. Auch hier gibt es zwar Besprechungen von Platten eines James Blunt oder den Dropkick Murphy’s, signifikant ist aber wiederum die naheliegende Orientierung auf das „eigene“ Lager. Fast in jeder Ausgabe wird auf die identitäre Hausband Hôtel Stella, aber auch auf französischen, italienischen oder spanischen Rechtsrock der radikaleren Szene verwiesen. Überdurchschnittlich präsent ist Zetazeroalfa (ZZA), eine qualitativ wohl eher mäßige Band um Gianluca Iannone –Präsident Casa Pounds –, die von den französischen Identitären geschätzt zu werden scheint, denn neben den CD-Besprechungen werden auch gemeinsame Konzerte von Hôtel Stella und ZZA beworben.
6. Die Lockerheit des Tons, die mittels dem Streifzug durch die Welt der Bücher und der Musik forciert wird, erfährt Unterstützung durch kurzweilige Reiseempfehlungen, die sich von Berlin über das Baskenland bis nach Vietnam oder Peking erstrecken. Immer wieder wird auch der Bereich der Politik verlassen, wenn über Fußball(fan)kultur oder die im Mittelmeerraum äußerst beliebten Anisschnäpse berichtet wird: Das Anisée-Vanillepudding-Rezept steht im Heft also neben dem Interview mit dem politischen Liedermacher „Skoll“, ein Aufsatz über die Vielfältigkeit der Erdbeere neben einer Abhandlung über den drohenden Guerre ethnique oder einer (selbst-)kritischen Beschäftigung mit der zeitgenössischen Ernährung („Sag mir was Du ißt, und ich sag Dir, wer Du bist“).
Eine von manchen deutschsprachigen Kommentatoren bemängelte unreflektierte „Geert-Wilders-“ oder „PI-Tendenz“ kann – zumindest anhand des identitären Magazins zwischen 2005 und 2008 – nicht diagnostiziert werden, obschon es auffällig ist, daß die Meldungen aus der frankophonen Welt fast ausnahmslos Fragen der Islamisierung thematisieren. Demgegenüber behandelt ein Autor gleichermaßen kritisch „Amerikanisierung und Islamisierung“, ferner sind Verrisse der „Neocon“-Politik George W. Bushs ebenso zu finden wie eine positive Reaktion auf einen Wahlsieg Hugo Chavez’, was eine voreilige Einordnung in die bedingungslos prowestlich-antiislamische Szene nicht unbedingt empfiehlt.
Summa summarum ist das Magazin vom selbstgesteckten geistigen Anspruch freilich nicht mit den Theorieorganen der Nouvelle Droite – éléments, Nouvelle Ecole – zu vergleichen. ID Magazine war ein Periodikum für das sich formierende identitäre Milieu, das Nachrichten mit kurzen Grundlagenartikeln, „identitärem Lifestyle“ sowie Neuigkeiten aus Musik und Literatur kombinierte.
Heute gibt es kein vergleichbares Organ des Blocs. Beworben werden aber einerseits Livr’Arbitres, ein Theorieheft mit Rezensionssparte, das zumindest aus dem Bloc-Umfeld stammt. Und es existiert eine 2011 erschienene Premierenausgabe der Orientations Identitaires zu der Frage einer postnationalistischen Standortbestimmung, in der die triple appartenance beschworen wird: Die Fokussierung auf Region, Nation und Europa. Ob die Einigkeit stiften sollende Aktion in Bälde durch frische theoretische Fundierung ergänzt wird, ist offen. Bedeutende Diskussionen hat es aber – vermutlich gemäß dem Willen der Macher und ihrer Maxime „Reden spaltet, Aktion verbindet“ – im leider kurzlebigen ID Magazine schon nicht gegeben.