Als Symbol kriegerischer Gewalt soll der Durchbruch das ganze immense Bauwerk zu einem Wahrzeichen der Wechselhaftigkeit deutscher Militärgeschichte machen, und ohne Zweifel gelingt das auch. Das in der Draufsicht nach den V‑Formationen der alliierten Fliegerstaffeln gestaltete, große Symbol zeigt mit seiner kompromißlos geschärften Spitze auf just jene Stelle, an der am 13. Februar 1945 die ersten Bomben den Auftakt zur Vernichtung des barocken Dresdens und seiner Menschen gaben. Als gut sichtbarer Wegweiser für jeden Flieger, der die Strecke noch einmal abfliegen möchte, ist der Keil die Manifestation eines fanatischen Willens zum nachholenden Perspektivenwechsel in der Gegenwart.
Dieser Wille ist es, der die »neuen Gesetzmäßigkeiten« speist, von denen der Leiter der Dienststelle und Direktor des Museums, Oberst Matthias Rogg, spricht, und nach denen sich das deutsche Militär nun kritisch mit seiner Geschichte auseinanderzusetzen habe. Das soll ruhig auch »provokant« sein, dennoch: Die deutsche Presse lobte bei Eröffnung in bravem, einhelligem Choral.
Für nichts weniger als die »Offenheit der demokratischen Gesellschaft« soll der Keil stehen, während er in vorgetäuschter Auseinandersetzung das Arsenal deutscher Militärgeschichte zerhackt: Vorgetäuscht ist sie, weil es einen Gegenentwurf, eine Gegenmeinung zum Keil nicht gibt. Er allein darf zu den Besuchern »sprechen«, die sich dem Museum nähern, er brüllt sie an, man kann nicht weghören: Architektur als Gewalt, als lustvolle Brutalität gegen das eigene Volk. Der Anspruch ist destruktiv, er kann sich nicht hinter dem Wortgeklingel einer Idee des absolut Guten verbergen oder hinter dem Gerede von der Demokratie als Gegenerzählung zu allem, was der vom Himmel fallende, schicksalhaft richtende Stahlkeil vor unseren Augen »dekonstruiert«.
Was aber könnte noch dekonstruiert werden? Durch Verbot, Weisung und Verweigerung fast aller ihrer hergebrachten Traditionsbestände beraubt, konnte die Bundeswehr unserer Tage noch zu keiner ihrer vielen Vergangenheiten ein unbelastetes Verhältnis herstellen oder gar eine positive Bezugnahme etablieren. Und damit steht sie für den ganzen Staat, der, seit Jahrzehnten konsequent entmilitarisiert, nur einen paradox verkrampften Umgang mit seiner Gewalt zu pflegen imstande ist, der für Existentielles, Hohes, Tiefes noch nicht einmal die Worte hat.
»Ambivalenz« ist einer der Schlüsselbegriffe für die Gesamtkonzeption des Museums. Zivile wie militärische Protagonisten dieses Großprojektes sprechen davon, neues und altes Begreifen von Militär und Krieg zusammenbringen und gegenüberstellen zu wollen. Das muß scheitern, wo sich das vermeintlich Neue aufs ewig kritische, dauerzersetzende Dekonstruieren und die radikale Abstandsgewinnung beschränkt. »Ambivalenz« wird dabei zu einem anderen Wort für das umfassend »Wehrlose« der heutigen Deutschen, zum Symptom einer allgemeinen Weichheit im Denken, die sich noch gegen die schlimmste Bedrohung um Harmlosigkeit und Vermittlung bemüht.
»Kritisch annähern«, »Sehgewohnheiten hinterfragen«, »Denkräume öffnen«, so benennt man die geltenden Ansprüche des Museums, und sie sind alle geeignet, »Fragen aufzuwerfen« und an die Besucher »weiterzugeben« – das erklärte pädagogische Ziel des Museumskonzeptes. Nur Antworten bietet hier niemand. Statt dessen spricht man viel von »neuen Wegen«, die »mit der Vergangenheit brechen« – lange Zeit galt das als Fluch der Enterbten und Gescheiterten, das will man in Dresden aber heute umdeuten und anders sehen, »radikal anders«, wie Oberst Rogg selbst sagt. So bleibt zumindest die Radikalität nicht den Kritikern vorbehalten, aber wohin die »neuen Wege« denn eigentlich führen sollen, auf welcher Geschichtserzählung denn das deutsche Soldatentum der Zukunft gründen soll, bleibt ganz und gar im Vagen. Im Ergebnis kommt das Bild dieser großen Verkeilung nicht über einen identitätsfeindlich gewordenen Intellektualismus hinaus.
Darin liegt die eigentliche »Ambivalenz« dieses Projekts: Das so selbstbewußt beschlossene, erbaute und nun verteidigte Bauwerk steht dort als großes Zeichen deutscher Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, wie sie sich ebensogut am Gestus der Verantwortlichen in der »Lage 2012« aufzeigen ließen. Nicht Dekonstruktion und kritischer Geist, sondern eine tiefe Ungewißheit im Selbstbild ist das entscheidende Kennzeichen des neuen Militärhistorischen Museums der Bundeswehr.