quasi rein phänomenologisch: Wir standen in den frühen Siebzigern in der Fleischerei Linow an.
Als meine Mutter an der Reihe war, sagte sie: Frau Linow, wir hätten gern zwölf Koteletts, denn wir bekommen Besuch! – Oje, Frau Bosselmann, zwölf Koteletts! Das ist aber ‘ne Menge! Da weiß ich ja gar nicht, was ich zu den anderen Kunden dann sagen soll. Wir verkaufen sonst immer das Fleisch so für eine Familie … – Meine Mutter: Ganz in Ordnung, Frau Linow. Wenn wir sechs haben können, dann reicht es auch. – Na, ein Glück. Vielen Dank, Frau Bosselmann.
Man könnte eine Menge dazu bemerken, angefangen bei den wirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Regularien der DDR, die, sicher, das Funktionieren eines liberalen Marktes behinderten, aus welchen vorzugsweise politisch-ideologischen Gründen auch immer. Aber wenn ich auf die Schnelle erklären sollte, was nun den Alltagsunterschied von damals und heute oder seinerzeit zwischen Ost und West ausmachte, fällt mir der Fleischerladen ein.
Zwölf Koteletts für eine normale Familie einheimsen zu wollen, das galt als eine Maßlosigkeit, die man besser gleich vor der Verkäuferin und der wartenden Kundschaft mit einer Fußnote erklärte, um nicht als charakterlos gierig zu gelten. – Wenn ich heute an der Fleischtheke des SUPER-MARKTES sagen würde, ich brauche zwölf Koteletts, dann wäre das – die frohe Botschaft! Die nur dadurch zu toppen wäre, daß ich mehrere Dutzend Koteletts wünsche oder gleich einen ganzen Schweinestall Fleisch möchte.
Ja, ja, Liberalität. Aber Liberalität und Anthropologie korrespondieren – zuweilen vermittelt durch ethische Vereinbarungen – nicht unproblematisch. Insbesondere wenn man im Marktwesen schon den gesamten Menschen erkennen möchte und sich Liberalismus auf die Konsequenzen betriebs- und volkswirtschaftlicher Rechnerei beschränkt. John Stuart Mill (1806–1873) in etwas didaktischer Weise dazu: “Es ist besser, ein unzufriedner Mensch zu sein, als ein zufrieden gestelltes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr, und wenn der Narr oder das Schwein anderer Ansicht sind, dann deshalb, weil sie nur eine Seite der Angelegenheit kennen. Die andere Partei hingegen kennt beide Seiten.”
Think big! XXXXL! Im Dutzend wird’s billiger, im Schock ist’s beinahe umsonst! – Denkt man vor diesem Hintergrund über Mensch, Natur, Mitgeschöpf und Ressourcen nach, kommt man dabei auf allerlei.
Ah, wird es heißen, da wimmert der schlimme Nostalgiker wieder Philemon und Baucis hinterher und will die „Zeichen der Zeit“ nicht begreifen. Ich weiß durchaus: Walter Ulbricht verglich damals die Müllberge von Ost und West, der DDR das Ziel setzend, doch möglichst bald ebenso gigantische Halden vorweisen zu können, um zu zeigen, wer nun wirklich Sieger der Geschichte ist. Der Müll des über alle Bedürfnisse hinaus Erzeugten ist’s mit Sicherheit – als eine tote Objektwelt, die uns umstellt.
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Ein Fremder aus Elea
Ich belass' es mal bei einer technischen Anmerkung.
Sie können dieses Verteilungsproblem elegant dadurch lösen, daß Sie durch erhebliche Preisunterschiede das Konsumverhalten der preisbewußten Kundschaft steuern, etwa durch Sonderpreise bei Massenlieferung, durch 25% Preisnachlaß am vorletzten Tag des Mindesthaltbarkeitsdatums und 50% am letzten.
Auf diese Weise lassen Sie jene, welche die freie Wahl haben wollen, jene bezahlen, welche das nehmen, was übrig bleibt.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen helfen.