Über Richard Millet

52pdf der Druckfassung aus Sezession 52 / Februar 2013

Das Gewöhnliche spielt im Leben Richard Millets (Jahrgang 1953) nur eine bescheidene Rolle. Als Kind verbrachte er sechs Jahre im Libanon, später kämpfte er dort im Bürgerkrieg auf Seiten christlicher Falangisten. Er kehrte aber nach Frankreich zurück und arbeitete erfolgreich als Autor und Lektor.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Sein Werk umfaßt über 50 Publi­ka­tio­nen, 1994 erhielt er den Essay-Preis der Aca­dé­mie fran­çai­se. Trotz sei­nes Renom­mees lie­gen in deut­scher Fas­sung ledig­lich zwei sei­ner auch hier­zu­lan­de wohl­wol­lend rezen­sier­ten Roma­ne vor. Bei­de erschie­nen im 2002 auf­ge­lös­ten Alex­an­der Fest Ver­lag. Bis 2011 war Richard Mil­let fes­ter Bestand­teil der intel­lek­tu­el­len Mit­te Frank­reichs, obwohl er ab und an einen Schrift­stel­ler­kol­le­gen der Unfä­hig­keit zieh und in schar­fem Ton den all­ge­mei­nen Ver­fall der Spra­che anzuprangerte.

Zum inter­na­tio­na­len Skan­dal wur­de Mil­lets »Elo­ge auf Brei­vik« (2012). In die­sem Essay hebt er auf die »for­ma­le Per­fek­ti­on« und die »lite­ra­ri­sche Dimen­si­on« der Tat Brei­viks ab und wirft als einen Grund für des­sen Oslo­er Blut­bad den Ver­lust der Iden­ti­tät inner­halb einer mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaft in die Debat­te. In einem FAZ-Inter­view konn­te Mil­let zwar beto­nen, daß er Brei­viks Tat für »mons­trös« hal­te; jedoch erkann­te nicht nur das deut­sche Feuil­le­ton in sei­nen »ras­sis­ti­schen« (Spie­gel-online) Aus­sa­gen »rechts­extre­me Geis­tes­ver­wandt­schaf­ten mit Brei­vik« (taz): Auch die Reak­tio­nen in Frank­reich waren nega­tiv. Ers­te Arti­kel in Le Mon­de und Äuße­run­gen empör­ter Kol­le­gen führ­ten dazu, daß der Ver­lag Gal­li­mard Mil­lets Büro auf­lös­te und ihn als Lek­tor seit­her nur noch auf frei­er Basis beschäf­tigt. In L’Express konn­te Mil­let sich ver­tei­di­gen, aller­dings wur­de sei­nem Arti­kel ein Begleit­text bei­gege­ben, der die Dis­tanz der Zei­tung zum Inhalt beton­te. Ande­re stie­ßen ins sel­be Horn wie die deut­schen Kri­ti­ker: Ber­nard-Hen­ri Lévy erklär­te Mil­lets Arbei­ten zur Brut­stät­te eines »white racist trash«, und die Libé­ra­ti­on rück­te Mil­lets Text in die Nähe des Ras­sen­has­ses. Einer Dis­kus­si­on mit Mil­let stell­te man sich nur beim Radio­sen­der France Cul­tu­re.

Es lohnt sich, einen Blick in die Zeit­schrift Rébel­li­on zu wer­fen, in der auch Alain de Benoist regel­mä­ßig publi­ziert. Die­ses Peri­odi­kum der Linie Proudhon-Sor­el-Nie­kisch wür­dig­te Mil­let zwar für sei­ne Beur­tei­lung der Mas­sen­ein­wan­de­rung, benann­te aber einen Schwach­punkt: Er über­ge­he, daß nicht »der Islam« die fran­zö­si­sche Kul­tur bedro­he, son­dern daß die glo­ba­le »Ame­ri­ka­ni­sie­rung« alle Kul­tu­ren rui­nie­re. Die Redak­ti­on die­ser Zwei­mo­nats­schrift kennt indes ver­ständ­li­cher­wei­se das JF-Inter­view nicht, in dem Mil­let sei­ner­seits erklär­te, daß die Euro­pä­er selbst für den kul­tu­rel­len Nie­der­gang ver­ant­wort­lich sei­en – nicht die Einwanderer.

Der deutsch­spra­chi­ge Leser wird bald nach­voll­zie­hen kön­nen, ob die Kri­tik der Rébel­li­on oder ande­rer zutrifft. Im April erschei­nen im Ver­lag Antai­os aus­ge­wähl­te Tex­te Mil­lets – dar­un­ter selbst­ver­ständ­lich auch die »Elo­ge lit­té­rai­re d’Anders Breivik«.

Benedikt Kaiser

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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