Carl Schmitt: Der Schatten Gottes – eine Rezension

(Rezension aus Sezession 62 / Oktober 2014)

von Felix Dirsch

Seit vor über 20 Jahren das Glossarium erschienen ist und in den letzten Jahren aus verschiedenen Lebensphasen (bis 1934) Aufzeichnungen Carl Schmitts...

ver­öf­fent­licht wur­den, kann man den »pri­va­ten« Schmitt mit dem »öffent­li­chen« in Bezie­hung set­zen. Gerd Gies­ler, Ernst Hüs­mert und Wolf­gang Spind­ler bear­bei­te­ten eine wei­te­re sol­che Edi­ti­on für die Jah­re 1921 bis 1924.

Sie bie­tet Ein­bli­cke in Schmitts Den­ken, Gewohn­hei­ten und Sicht­wei­sen im Lebens­al­ter von 43 bis 46. Teil I bil­den die Tage­buch­no­ti­zen vom August 1921 bis zum August 1922, den anschlie­ßen­den Teil II das Tage­buch 1923 und 1924. Die fol­gen­de, wohl inter­es­san­tes­te Par­tie besteht aus asso­zia­ti­ven Anmer­kun­gen und hat die »Schat­ten Got­tes« – in Anleh­nung an den alt­tes­ta­ment­li­chen Psalm 121 – im enge­ren Sinn zum Thema.

Der Zeit­ab­schnitt, der die­sem Pro­jekt, das nicht ohne die Ent­zif­fe­rung der Ste­no­gram­me Schmitts durch den mitt­ler­wei­le ver­stor­be­nen Kurz­schrift-Kun­di­gen Hans Geb­hardt mög­lich gewe­sen wäre, zugrun­de liegt, war für Schmitts Bio­gra­phie von beson­de­rer Bedeu­tung. Er begann sei­ne Lehr­tä­tig­keit in Bonn. Der Leser ent­deckt in den Tex­ten, wie sehr Schmitt durch Müdig­keit, schlech­ten Schlaf und sons­ti­ge Indis­po­niert­hei­ten von kon­zen­trier­ter Arbeit abge­hal­ten wird. Den­noch konn­te er in die­ser Pha­se sei­ne wirk­mäch­ti­ge Par­la­men­ta­ris­mus-Kri­tik vor­le­gen. Wei­ter­hin berei­te­te ihm sein schwie­ri­ges Ver­hält­nis zum weib­li­chen Geschlecht Pro­ble­me. Nach der Tren­nung von sei­ner ers­ten Frau lern­te er 1923 Dus­ka Todo­ro­vic ken­nen, die er spä­ter hei­ra­te­te. Was nach einer eher pri­va­ten Epi­so­de aus­sieht, hat­te wegen der Ver­wei­ge­rung der kirch­li­chen Annul­lie­rung der Ehe erheb­li­che Aus­wir­kun­gen für den (anfangs als dezi­diert katho­li­schen Staats­rechts­leh­rer wahr­ge­nom­me­nen) Rechts­wis­sen­schaft­ler. Er distan­zier­te sich fort­an vor­sich­tig vom kirch­li­chen Leben. So ist nicht zuletzt anhand die­ses Bei­spiels die Ver­schrän­kung von pri­va­tem und öffent­li­chem Wir­ken bei Schmitt offensichtlich.

Im letz­ten Abschnitt ste­hen etwas stär­ker sach­li­che und weni­ger per­sön­li­che Hin­wei­se im Vor­der­grund, so bei­spiels­wei­se, wenn der Ver­fas­ser über die Unmög­lich­keit der Reprä­sen­ta­ti­on von Kon­sum und Pro­duk­ti­on sin­niert. Es bleibt zu hof­fen, daß mehr sol­chen Refle­xio­nen nach­ge­gan­gen wird als den gleich­falls nach­zu­le­sen­den juden­kri­ti­schen Bemer­kun­gen. Sie spie­len nur mar­gi­nal eine Rol­le, ähn­lich wie ent­spre­chen­de Andeu­tun­gen Heid­eg­gers in den Schwar­zen Hef­ten. Die her­vor­ra­gen­de edi­to­ri­sche Leis­tung der Her­aus­ge­ber erleich­tert die Rezep­ti­on des Ban­des enorm.

(Carl Schmitt: Der Schat­ten Got­tes: Intro­spek­tio­nen, Tage­bü­cher und Brie­fe 1921 bis 1924, hrsg. von Gerd Giesler/Ernst Hüsmert/Wolfgang H. Spind­ler, Ber­lin: Dun­cker & Hum­blot 2014. 601 S., 69.90 € )

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (0)

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.