Die Stadt, die aufgrund ihrer heute wiederhergestellten barocken Pracht von vielen als “Elbflorenz” verehrt wird, hatte 1944 ungefähr 700.000 Einwohner; im Februar 1945 kamen Hunderttausende Flüchtlinge aus den bereits überrannten Ostgebieten sowie Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter hinzu.
Man geht für den Schicksalsmonat von etwa einer Million Menschen in der sächsischen Metropole aus, deren Rolle als Knotenpunkt der Reichsbahn und als Stadt der Kriegswirtschaft zu diesem Zeitpunkt, weniger als drei Monate vor dem 8. Mai, längst ausgespielt gewesen war.
Ist es ohnehin bemerkens- und bedenkenswert, daß der Luftkrieg gegen Deutschland um so heftiger wurde, je näher die Kapitulation rückte, erscheint die sinnlose Zerstörung Dresdens als besonders grauenhaftes Kapitel des Zweiten Weltkriegs.
Dieses Kapitel hat eine Vorgeschichte, die sich über mehrere Monate hinzog. Im August 1944 schlug Winston Churchill dem US-amerikanischen Präsidenten Roosevelt einen Plan für eine Operation “Donnerschlag” vor. 100 000 Berliner sollten getötet werden.
Explizit hieß es, daß die Bombardierung vor allem Wohngebiete treffen müsse – nicht etwa Rüstungsbetriebe. Berlin wurde tatsächlich knapp 300 Mal bombardiert, wobei 50.000 Menschen starben, aber der große Vernichtungsangriff traf nicht die damalige Reichshauptstadt, sondern Dresden.
Die Stadt war bis zu jenen verhängnisvollen Tagen im Februar 1945 nicht nur siebtgrößte Stadt Deutschlands, sondern auch die einzige deutsche Großstadt, die noch nicht von Bomberstaffeln heimgesucht wurde.
So mancher ihrer Bewohner glaubte und hoffte, die alliierten Strategen schätzten das Kleinod der Kunst und Architektur und würden es verschonen; tatsächlich fehlte es den westalliierten Luftstreitkräften in den Vorjahren schlichtweg an der notwendigen Reichweite.
Hoffnung war indes die einzige Option, denn zu verteidigen war Dresden längst nicht mehr. Jedwede Luftabwehr war beizeiten für östlich gelegenere Rüstungsanlagen abgezogen worden, die wenig verbliebenen Wehrmachtsverbände an die bedrohlich näherrückende Ostfront geschickt. Statt einer Festung glich Dresden einer vollkommen überfüllten Lazarettstadt.
Ob im Großen Garten oder um die Elbufer, auf den Plätzen, in den Straßen und Gassen – überall bevölkerten der Roten Armee Entkommene die Stadt.
Auch nur der kleinsten Gefahr einer Gegenwehr beraubt, hatten es die ersten britischen Flieger am 13. Februar 1945 allzu leicht, in aller Ruhe – und bei wolkenlosem Nachthimmel – die Innenstadt zu markieren und auszuleuchten. Das war gegen 22 Uhr, und nur zehn Minuten später fielen mehr als 2.000 Bomben und Luftminen.
Das stufenweise Flächenbombardement war eine ab 1942 sukzessive perfektionierte Technik, Schneisen in Häuserblocks und Siedlungen zu schlagen, um den später folgenden Brandbomben einen freien Weg in die Dachstühle und Wohnungen zu verschaffen. Die erste Angriffswelle, besagte Vorhut, dauerte zwar nur eine Viertelstunde, aber 75 Prozent der historischen Altstadt brannten bereits.
Bergungs- und Löscharbeiten dauerten vielerorts an, jedenfalls dort, wo Einsatzkräfte noch verfügbar waren, als nur drei Stunden später kanadische und britische Bomberpiloten 650.000 Stabbrandbomben abwarfen.
Nun wurden auch bisher verschont gebliebene Stadtteile mit Bombenteppichen belegt. Die zahlreichen Einzelfeuer verbanden sich zu einem beispiellosen Feuersturm. Tausende Menschenleben wurden ausgelöscht: das Feuer verschlang sie, Explosionen zerfetzten sie, oder aber sie erstickten in einem der »Folterkeller der Moderne«, wie Ernst Jünger Luftschutzbunker nannte.
Die Flammen loderten am 14. Februar in der ganzen Stadt; nun hätte es von außen konzentrierter Hilfe bedurft. Allein: Nach Briten und Kanadiern griffen nun die US-Amerikaner in tödlicher Routinearbeit ins Geschehen ein. Geschätzte 1.800 Sprengbomben und 136.800 Stabbrandbomben gingen auf die schutzlosen Menschen nieder.
Und was heute oft vergessen wird: In den Mittagsstunden des 15. Februar griffen US-Bomber erneut an, trotz der bereits erfolgten Zerstörung, trotz der unzähligen Schwerverletzten und Ermordeten in den Trümmern. Ihre Zahl ist bis heute Gegenstand bisweilen zynisch anmutender Geschichtsfälschung (– als ob die Vernichtung einer von Zivilisten, Flüchtlingen und Gefangenen bewohnten schutzlosen Stadt nicht ungeheuerlich genug wäre).
Von 25.000 bis 330.000 Toten ist indes beinahe jede Zahl genannt worden; besonders in den letzten Jahren geht die Tendenz im Zeichen eines ideologisch verfälschten Geschichtsbildes zur massiven Verringerung der Opferzahlen; irgendwann wird man womöglich versuchen, die Zahl 15.000 als “belegt” durchzusetzen.
Dabei gab das Internationale Rote Kreuz in seinem Report of the Joint Relief Committee aus dem Jahr 1948 noch ca. 275.000 Tote an. Der erste deutsche Bundeskanzler, Konrad Adenauer, nannte 1955 “etwa 250.000 Tote”. Der Neue Brockhaus, 1959, führt die Zahl 300.000 ein, Der Spiegel, 1963, 135.000. Die DDR-Geschichtsschreibung einigte sich auf rund 35.000 tote Dresdner und Flüchtlinge.
Die Stadtverwaltung Dresden gab nach der Wende (1992) 202.040 Tote an, wobei die Möglichkeit genannt wurde, über 250.000 würde zutreffen (Auflistung: 35.000 identifizierte Opfer, 50.000 nicht identifizierte, 168.000, bei denen es nichts mehr zu identifizieren gegeben habe). An dieser Aufstellung wurde die kritiklose Übernahme von Zahlen beanstandet, die im April 1945 durch NS-Stellen propagiert wurden.
Wolfgang Schaarschmidt, mit einer soliden Studie über Dresden 1945 hervorgetreten (2005), kommt in seiner Analyse der Geschehnisse auf mindestens 100.000, vermutlich aber eher 135.000 bis 150.000 Tote. Schaarschmidt gegenüber steht in der Forschung beispielsweise Richard Overy, aber auch Jörg Friedrich, der die Konsequenzen der Barbarei des Bombenkriegs mit zwei Werken überhaupt ins Bewußtsein zahlreicher Deutscher rückte.
Friedrichs Standardwerk Der Brand nennt 40.000 Opfer. Erst danach setzt – zeitlich gesehen – die bewußte oder unbewußte Verhöhnung der Bombenopfer ein: Die “Korrektur” der Opferzahlen durch zeitgeistkonforme Geschichtswissenschaft, Politik und weite Teile der Medienlandschaft.
Spiegel online (“Ende der Legenden”, 2008) berichtet von maximal 25.000 Toten (“wahrscheinlich weniger”), kurz darauf, im Jahre 2010, gibt eine offiziöse “Historikerkommission” unter medialem wie politischem Kopfnicken dieselbe Zahl an. Diese Schätzung der Kommission überrascht nicht, waren verschiedene Mitglieder doch bereits im Vorfeld wiederholt mit dieser Hypothese hervorgetreten.
Während Kritiker der apodiktisch festgelegten 25.000 Bombenopfer (man erinnere sich: bei über 1.000.000 Menschen, die sich während des Feuersturmes in Dresden aufhielten) reflexhaft und künstlich empört des Geschichtsrevisionismus geziehen werden, während die bloße (und ohne weiteres begründbare) Annahme höherer Opferzahlen bereits als unstatthaft und extremistisch diffamiert wird, können zum Teil Bundes- und Landtagsparteien nahestehende Jugendorganisationen in trauter Gemeinschaft mit linken Gewalttätern das Loblied der Massenmörder singen.
Das vom bloßen Ressentiment in regelrechten »Selbsthaß« umgeschlagene Empfinden entlädt sich in Dresden und anderswo in Vernichtungsphantasien, deren zutiefst menschenverachtender Slogan »Bomber Harris, do it again!« im Februar 2014 gar zum »Bomber-Gate« der Piratenpartei führte.
Gemeint ist ebenjener Sir Arthur Harris, der im Herbst 1944 die sächsischen Großstädte Chemnitz, Leipzig und Dresden für »unbedingt zerstörungsbedürftig« befand – und sie in der Folge tatsächlich weitgehend zerstören ließ.
Daß er sich mit keinem Geringerem als Winston Churchill dabei einig war, beweist nicht zuletzt dessen Forderung (vor dem deutsch-sowjetischen Waffengang und seinen genozidalen Folgen) nach dem »absolut verwüstenden, vernichtenden Angriff gegen das Nazi-Heimatgebiet«. Dieser Wunsch der auch von vielen Konservativen bewunderten Persönlichkeit ging bekanntlich in Erfüllung; zehntausende Menschen verloren ihr Leben. Alleine auf dem Dresdner Heidefriedhof liegen mindestens 20.000 begraben.
Dort stehen auf einem Gedenkstein für die Opfer der Luftschläge die Zeilen des jüdischen Dresdners Max Zimmerings:
Wieviele starben? Wer kennt die Zahl? / An Deinen Wunden sieht man die Qual / Der Namenlosen, die hier verbrannt / Im Höllenfeuer aus Menschenhand
Heute wird auf dem Heidefriedhof, ausgerechnet am 70. Jahrestag der vorsätzlich herbeigeführten Katastrophe, keine offizielle Gedenkveranstaltung mit Kranzniederlegung stattfinden. Aus Anlaß des Besuches von Joachim Gauck wolle man andere Wege der Erinnerung finden. Wie solche andere Wege im Deutschland des Jahres 2015 aussehen sollten, verrät ein grüner Politiker:
Schön wäre es, wenn ein Fest wie ‘Dresden ist bunt’ ein jährlich wiederkehrendes Ereignis würde, für ein weltoffenes und demokratisches Dresden.
Literaturhinweise:
Wolfgang Schaarschmidt: Dresden 1945. Daten – Fakten – Opfer, 272 S., 19,90 € – hier bestellen
Günter Zemella: Warum mußten Deutschlands Städte sterben? Eine chronologische Dokumentation des Luftkrieges gegen Deutschland 1940–1945, 648 S., 24,90 € – hier bestellen
Jörg Friedrich: Brandstätten. Der Anblick des Bombenkriegs, 240 S., 25 € – hier bestellen
Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945, 589 S., 10,95 € – hier bestellen
Benedikt Kaiser: „Die letzten Tage der Zerstörung – Bombenkrieg 1944/45“, in: Sezession 63, Dezember 2014, S. 30–35 – hier bestellen
Björn Schumacher: Die Zerstörung deutscher Städte im Luftkrieg, 344 S., 24,90 € – hier bestellen
Karl Martell
„Dresden wurde bewußt für die Zerstörung durch einen Terrorakt ausgewählt,
der nicht gegen die Nazis beabsichtigt war, sondern gegen das deutsche Volk an
sich. Die Bombardierung von Dresden, ... wurde von einer Gruppe Sozialpsychiater
an der Strategic Bombing Survery (SBS) ersonnen und geleitet, welches mit
dem Kommando für Sonderoperationen des Office of Strategic Services (OSS)
verbunden ist. Diese Gruppe wurde effektiv vom Leiter des Britischen Direktorats
der Psychologischen Kriegsführung, Brigadegeneral John Rawlings Rees geleitet, Direktor der Tavistock-Klinik in London, welche seit den 1920er Jahren als Zentrum
der psychologischen Kriegsführungsoperationen des britischen Empires gedient
hatte. Die Mannschaft des Strategic Bombing Survery, die eine Heerschar
aus den USA stammender Tavistock-Mitarbeiter wie Kurt Lewin , Rensis Likert
und Margaret Mead umfaßte, theoretisierte, daß der Terror, welcher der deutschen
Bevölkerung mit der ‚Botschaft von Dresden’ auferlegt werde, ihren Willen
zum Kampf brechen und sie ängstlich, erschrocken und verwirrt zurücklassen
würde. Sie projektierten, daß er [der Terror] einen dauerhaften Effekt auf
Deutschland haben würde, diese Nation aus den großen Staaten von Europa
entfernen und in ein dauerhaft psychologisch verletztes Wesen verwandeln
würde. Dem deutschen Volk, argumentierten sie, würde die Erkenntnis gebracht,
daß ‚alles, was Deutschland ausmache’, seine ganze Kultur und Geschichte,
in einem Augenblick, wie diesem, durch jene Mächte weggewischt
werden könnte, die sich auch zukünftig einem anmaßenden Deutschland entgegenstellen würden."
Lonnie Wolfe: Americans Target of Largest Media Brainwashing Campaign in History. The New
Federalist Weekly Newspaper, Printed in the American Almanac, September, 2001;