zeigen, daß die Debatte auf die eine Frage hinausläuft: Was, wenn der konservativ-bürgerliche Prostest nichts bewirkt, wenn über Wahlen kein Einfluß mehr zu nehmen ist, wenn das Machtkartell (Staat mag ich es nicht mehr nennen) am Ende vielleicht sogar die chinesische Lösung sucht – was dann?
Was macht der konservative Revolutionär in seiner prinzipiellen Achtung vor den staatlichen Institutionen dann? Was wäre seine ultima ratio, wie lautet seine letzte Antwort?
Ende der 60er Jahre wurden in Deutschland unter anderem Vorzeichen schon einmal ganz ähnliche Diskussionen geführt – wie weit darf eine Opposition gehen, wo sind die Grenzen des Protestes? Ist Gewalt vielleicht sogar legitim und moralisch notwendig, wenn sie sich gegen unmenschliche Zustände, gegen Unterdrückung und als ungerecht empfundene staatliche Gewalt richtet?
Gibt es den gerechten Krieg – und gibt es ihn auch außerhalb der Begegnung zweier Staaten auf dem Schlachtfeld, nämlich im Kampf der Bürger gegen den eigenen Staat? Kann es einen unbewaffneten, einen ethisch einwandfreien, im Kern konservativen Guerilla-Kampf geben? Und falls ja – welchen Regeln folgt er?
Carl Schmitt hat in seiner „Theorie des Partisanen“ (1963) einige Merkmale herausgearbeitet, mit denen sich möglicherweise arbeiten läßt. Es wäre zu prüfen, ob diese Merkmale auch in einen dezidiert gewaltfreien Kampf (contradictio in adjecto? In den 70ern hieß: Fighting for peace is like fucking for virginity) nützliche Anwendung finden können.
Eine Anmerkung vorab: Der Partisan kämpft gegen eine Fremdherrschaft im eigenen Land – inwieweit diese heute aus staatsrechtlicher Sicht gegeben ist, ist sekundär, die „gefühlte“ Fremdherrschaft mag reichen. Der Partisan (oder Guerillero oder auch Waldgänger Jüngerscher Prägung – ich betrachte die Begriffe hier trotz mancher Differenz im Detail einmal als kongruent) ist 1.) irregulär, verfügt 2.) über gesteigerte Mobilität, zeichnet sich 3.) durch Intensität aus sowie 4.) durch den tellurischen Charakter – was heißt das im Kontext eines gewaltfreien Widerstands?
Irregulär meint bei Schmitt die Tatsache, daß dem Partisanen im bewaffneten Kampf nicht die Legitimation des Soldaten zukommt – er steht mit seinen Aktionen außerhalb der Konventionen des Kriegsvölkerrechts, wird also auch nicht – geht er dem Feind ins Netz – als Kriegsgefangener, sondern als Verbrecher behandelt. Die westdeutschen Terroristen der 60er und 70er Jahre haben sich nach ihrer Festnahme stets als politische Gefangene betrachtet, die BRD-Justiz hingegen hat in ihnen nie mehr als Kriminelle gesehen.
Wir unterstellen einmal, daß die Irregularität grundsätzlich jederzeit auch auf eine nicht-gewalttätige, friedlich protestierende und intellektuelle Fundamentalopposition ausgedehnt werden kann. Die Art und Weise, wie Politik und Medien heute auf AfD, Pegida und selbst gemäßigte rechtsintellektuelle Positionen reagieren, zeigt deutlich, daß seitens der Machthaber eine Kriminalisierung beabsichtigt ist und massiv vorangetrieben wird.
Man moralisiert nicht mehr, man kriminalisiert – man höre sehr genau auf die Worte eines Heiko Maas, einer Aydan Özoğuz oder eines Thomas de Maizière. Das ist nicht mehr nur eine moralische Ausgrenzung, da wird vom offiziellen Hochsitz zur Jagd geblasen. Wer heute auf Seiten der Fundamentalopposition steht oder ihr auch nur nahe kommt, steht dieser Logik folgend an der Schwelle zum gewöhnlichen Kriminellen. Willkommen also bei den Irregulären.
Gesteigerte Mobilität – das meint bei Schmitt den Gegensatz der kleinen, beweglichen Guerilla-Truppe gegenüber den schwerfälligen Bewegungen regulärer Einheiten, die in komplizierte Hierarchien und Strukturen eingebunden sind. Auch dieses Merkmal lässt sich mühelos ins Zivile übertragen:
Wenn sich die Fundamentalopposition als breiter, gewaltfreier Widerstand organisiert und immer mehr Menschen im Land quer durch alle sozialen Schichten und auch in den anderen europäischen Ländern erfaßt, ist die Mobilität nahe unbegrenzt steigerbar – sie wird nicht so sehr durch taktische oder technische Mobilität erreicht, sondern durch geistige Beweglichkeit und schiere Ubiquität (ein wenig an das plattdeutsche Volksmärchen von Hase und Igel erinnernd: Ick bün all dor, sagt der doppelte Igel verschmitzt).
Mobilität muß als umfassende Präsenz, als Allgegenwart einer Bewegung begriffen werden, die überall und nirgends ist und höchst flexibel reagieren kann. Der klassische Partisan Schmittscher Prägung kommt im eigenen Land zum Einsatz, wenn dieses Land durch fremde Truppen besetzt wurde – wir dürfen diesen Status des besetzten Landes auch in einem nicht-militärischen Kontext verstehen. Der Partisan bindet die Energien des Gegners, gerade weil er ihm stets einen Schritt voraus ist – die Aktion des Partisanen bestimmt das Geschehen.
Partisanen sind auf die Dauer machtlos, viertausend Partisanen beschäftigen den Machthaber bereits intensiv, vierhunderttausend Partisanen lähmen ihn, vier Millionen ersticken ihn. Wohlverstanden im unbewaffneten Kampf, der natürlich auch ein ungleicher ist. Der Gegner verfügt über starke Machtmittel auch der physischen Gewalt, doch unbesiegbar ist er nicht. Man sollte (als in die Irregularität Getriebener) also intensiv über Mobilität nachdenken – was kann sie in heutigen Szenarien bedeuten, wie lässt sich das Prinzip der Beweglichkeit kreativ nutzen?
Intensität ist das dritte Merkmal des Partisanen. Intensität meint das gesteigerte politische Engagement. Als im eigentlichen Wortsinn politisches Engagement ist es ein exklusives Kennzeichen der Partisanenbewegung und ihrer Irregularität. Die Gegenseite beansprucht zwar auch, politisch zu handeln, doch faktisch betreibt sie seit jeher die Abschaffung des Politischen. Der Bürger soll sich gar nicht ernsthaft um die Bedingungen und Möglichkeiten des Zusammenlebens kümmern – deshalb werden ihm politische Surrogate vorgesetzt (allen voran die etablierten Parteien). Faktisch geht es um Machterhalt, um die Zementierung der Strukturen, die als „alternativlos“ ausgegeben werden – und um die Ausschaltung des Politischen.
Wer als Partisan das Politische hingegen als existenzielle und aus der geschichtlichen Situation geborene Möglichkeit be- und ergreift, wird vom Feuer der Begeisterung erfaßt und getragen – genau hier liegt die Intensität, nicht in der Macht der Gegenseite. Macht korrumpiert und macht die Herzen träge – das ist das Gegenteil von Intensität. Man muß sich nur die erstarrt und leblos wirkenden Physiognomien der Machthaber und ihrer Stützen im Medien- und Kulturbetrieb anschauen – da ist keine Spur von Intensität, vom gesteigerten Leben, da ist nur ängstliches, krampfhaftes Festhalten an der Macht. Also gilt es die Intensität des Denkens und Fühlens immer weiter zu steigern – Lust und Liebe sind bekanntlich die Fittiche zu großen Taten!
Der tellurische Charakter schließlich ist das vierte Merkmal des Partisanen. Er ist heimatverbunden – er dient keiner abstrakten Idee, keinen höheren Prinzipien, keiner Moral, sondern verteidigt Heimaterde und mit ihr verbunden seine Geschichte, seine kulturelle Eigenart, seinen Glauben, seine Muttersprache, seine Familie, seine Leute – und seine Zukunft. Das muß (und darf in der besonderen Situation dieser Tage) nicht mit Waffengewalt geschehen, doch auch der zivile Ungehorsam mit seinen vielfältigen Facetten kann eine äußerst wirksame Strategie von Angriff und Verteidigung sein.
Entscheidend ist es, sich als Partisan zu begreifen und sich der eigenen Stärke bewusst zu werden. Dabei kann es sehr nützlich sein, sich zu kleinen, phantasievoll agierenden Widerstandseinheiten zusammenzuschließen (diese bitte weder mit Wehrsportgruppen noch mit Stammtischen verwechseln). Die Wahl der konkreten Mittel wird vor allem unter den Gesichtspunkten der gesteigerten Mobilität und der Intensität täglich neu zu treffen sein.
Monika
Lange Rede, kurzer Sinn:
Wo ist die kleine Widerstandseinheit, die die chinesische Lösung anwendet ?
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