Im Hinblick auf parteiförmige Zusammenschlüsse standen anfangs aufgrund ihrer überraschenden, anfänglichen Wahlerfolge die »Republikaner« im Fokus. Nachdem diese sich schnell selbst erledigt hatten, folgte zur Jahrtausendwende die ebenso realpolitisch motivierte (Wieder-)Aufarbeitung der klassischen Rechtspartei NPD, wiewohl diese sich seit dem knapp verpaßten Bundestagseinzug 1969 in einem Zustand der Agonie befand.
Auf der anderen Seite war seit den frühen siebziger Jahren eine sogenannte Neue Rechte mit neuen, französischen Vordenkern entliehenen Argumenten und Aktionen jugendlichen Überschwangs auf den Plan getreten, die sich dezidiert von »altrechtem« Nationalkonservatismus und Parteienschacher abzugrenzen suchte.
Indem sich der ursprüngliche Nukleus dieser national- und sozialrevolutionären Bewegung – mit Hartwig Singer / Henning Eichberg und Wolfgang Strauss als wesentlichen Protagonisten – alsbald in unzählige Kleingruppen und Nebenströmungen aufzweigte, tat sich ein weiteres Feld für wissenschaftliche Deutungsversuche aller Art auf, das bis heute »Experten« wie Hajo Funke und Alexander Häusler ein gutes Auskommen und mediale Aufmerksamkeit garantiert.
Bislang wenig beachtet oder ignoriert wurde hingegen, daß es außerdem eine gewisse Zahl sowohl zeitlich wie auch organisationsförmig dazwischenliegender Einzelpersönlichkeiten gab, die Armin Mohler als »junge Rechte« bezeichnete.
Mohler selbst hatte – wie sein eigener Lehrer Carl Schmitt – an ihrer Heranbildung wesentlichen Anteil gehabt; insoweit lag die SPD-Historikerin Helga Grebing nicht ganz falsch, als sie Ende der 1960er beide als »Hintermänner« zu zentralen Protagonisten ihrer 1971 unter dem reißerischen Namen Konservative gegen die Demokratie erschienenen Habilitationsschrift bei Iring Fetscher machte.
In ihrer jeweils sehr langen Lebenszeit brachten Schmitt und Mohler es beide zu etlichen direkten oder indirekten Schülern, die – wie etwa der spätere Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde – in politische Schlüsselpositionen aufsteigen und die (west-)deutsche Politik prägen sollten.
Während Grebings Titel das indes ungerechtfertigte Bild einer gezielten Konspiration gegen die Bonner Republik aufbaut, deutet er doch an, was in jener Zeit im Rahmen rechten Politengagements noch stellenweise machbar war: die Einnahme eines konsequent gegen wahltaktische Rücksichtnahmen verteidigten, nationalen Interessen verpflichteten Standpunkts.
Nachgerade apodiktisch zeigt sich dieses Wirken am Beispiel von Marcel Hepp (1936–1970), des zeitweiligen Adlatus von Franz Josef Strauß – dessenungeachtet, daß er und sein jüngerer Bruder Robert (geb. 1938) in Studien zum bundesrepublikanischen Nachkriegskonservatismus zumeist nur in Fußnoten auftreten.
Marcel Hepp lernte Mohler schon als Jugendlicher kennen. In Langenenslingen geboren, hatte dieser Ernst Jünger im nur einen Fußmarsch weit entfernten Wilflingen besucht, als Mohler von 1949 bis 1953 dort Privatsekretär war. Auch hatten beide Hepps bereits zu Gymnasialzeiten Mohlers Dissertation Die Konservative Revolution in Deutschland 1918–1932 gelesen und dort einige maßgebliche Inspirationen gefunden, die ihnen nach Schulabschluß und Studienbeginn von Nutzen sein sollten. (Die zweite Auflage seiner Studie sollte Mohler dann bereits Marcel Hepp widmen mit der Erklärung, dieses Werk habe ihm jenen Freund eingebracht.)
1959 gründeten die Brüder an der Universität Tübingen die Studentengruppe »Katholische Front«, die durch bissige Flugblätter in einer eigenwilligen stilistischen »Mixtur aus Thomas von Aquin, Carl Schmitt und Enzensberger« (Mohler, einen anonymen »halb erschreckten Beobachter« zitierend) schnell solches Aufsehen erregte, daß auf kirchliche Intervention hin der Name in »Konservative Front« geändert und so gleichsam der Zusammenschluß auch für Nichtkatholiken geöffnet wurde.
Besonderes Verdienst der »Front« war es, bereits ein Jahrzehnt vor den ’68er-Revoluzzern die in den USA und Frankreich erprobten, »neuartigen Kampfmethoden (…) modern-aktionistischen Stil(s)« (Hans-Dieter Bamberg) in der Bundesrepublik bekannt gemacht zu haben: Go-Ins, das »Kapern« von Versammlungen oder die Aufforderung an Professoren, ihre Lehrmeinung zu rechtfertigen, wurden als genuin rechte Wortergreifungsstrategien in den akademischen Raum der BRD eingeführt.
Ein erster Versuch Marcel Hepps, in brieflichen Austausch zu treten, erweckte das Mißtrauen des alten Schmitt, der hinter der rechtskatholischen Offensive einen linken Provokationsversuch vermutete.
Nach Erkundigungen seines Freunds Hans Barion vor Ort und einer Vermittlung Armin Mohlers kam es dann doch zur Kontaktaufnahme; in der Folge wurden die Brüder Hepp im Gefolge Mohlers zu gern gesehenen Gästen bei den »Ebracher Seminaren«, der »Verschwörerzentrale« (Dirk van Laak) um Schmitt und Ernst Forsthoff, sowie den »Ammerländer Gesprächen« Caspar von Schrenck-Notzings.
1962 hatte Marcel Hepp sein Rechtsreferendariat in Erlangen angetreten und gemeinsam mit dem Bruder – den Theodor Eschenburg infolge einer aufsehenerregenden Aktion aus seinem Tübinger Oberseminar geworfen hatte – die »Konservative Front« an die dortige Universität überführt. Diese verhängte gegen den älteren Hepp ein Hausverbot, nachdem in einem »Front«-Flugblatt gegen die BRD-Entwicklungshilfepolitik von afrikanischen Kommilitonen (in sarkastischer Abwandlung eines Zitats von Albert Schweitzer) als »schwarzen Minderbrüdern« die Rede gewesen war.
Drei Jahre später erlangte Hepp mit Abschluß des Zweiten Staatsexamens den Assessorentitel, und es war Armin Mohler, der ihm übergangslos eine Anstellung verschaffen sollte: Franz Josef Strauß, zu dessen Vertrauten Mohler seit seiner Parteinahme für den CSU-Vorsitzenden während der »Spiegel-Affäre« zählte, suchte einen persönlichen Referenten von außerhalb Bayerns, ohne Berührungspunkte zur politischen Gschaftlhuberei.
Im März 1965 trat Marcel Hepp eine Stelle als Sachbearbeiter in der CSU-Landesleitung an, wurde im Mai bereits Referent für Öffentlichkeitsarbeit und im Herbst von Strauß zu seinem »Berater in politischen Fragen« ernannt. Damit stand er unvermittelt im Zentrum des »konservativ-katholischen Gaullismus« in der Bundesrepublik, der sich im Laufe des politisch spannungsreichen Jahres 1965 durch maßgebliches Zutun Mohlers um Strauß gebildet hatte.
Seit Sommer des Jahres zirkulierten erste Entwürfe eines internationalen Nichtverbreitungsvertrags über Atomwaffen (»Non-Proliferation Treaty«, NPT), den die USA und Großbritannien unter dem Eindruck des ersten chinesischen Atombombentests vom Oktober 1964 anstrebten und der in der Bundesrepublik auf erbitterten Widerstand der auf Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten bedachten »Gaullisten« in den Unionsparteien stieß.
Neben zeitweiligen Bestrebungen, die Bundeswehr nuklear zu bewaffnen, war insbesondere das Bedürfnis nach friedlicher Nutzung der Kernenergie hierfür ausschlaggebend – Hepp und Mohler prägten deshalb den pauschalisierenden Kampfbegriff »Atomsperrvertrag«, den Strauß übernahm. Nachdem im September der CDU-»Atlantiker« Ludwig Erhard als Bundeskanzler bestätigt worden war, schien die Zeit für eine Medienoffensive reif.
Während der ebenfalls mit Mohler eng verbundene Axel Springer sein Zeitungsimperium auf die Einschwörung des Wahlvolkes hin ausrichtete, wurde Marcel Hepp mit Wirkung vom 1. Mai 1967 zum Geschäftsführenden Herausgeber des CSU-Wochenblatts Bayernkurier (und damit unmittelbaren Stellvertreter Strauß’ selbst) ernannt und begann – ganz im aggressiv-provokanten Stil seiner Studentenzeit – sofort eine scharfe Agitation der Leserschaft, die ihm schnell Beinamen wie »Maulschelle des F. J. Strauß« (Rudolf Augstein) oder »Einpeitscher vom Dienst« (Wulf Schönbohm) einbrachte.
Neben Mohler aktivierte Hepp weitere kämpferische Rechtsintellektuelle für den Bayernkurier, allen voran Winfried Martini und Emil Franzel, die seine journalistischen »Freischärler-Aktionen« gegen innerparteiliche Abweichler, SPD, FDP und Gewerkschaften mittrugen.
Aufgrund des drastisch verschärften Tonfalls im Parteiblatt beklagten politische Gegner »die diffamierende Weise, in der sich die Auseinandersetzung bewegt« (Paul Noack) und Hepps offenkundige Tendenz zu einer »Verabsolutierung des Freund-Feind-Verhältnisses« (Giselher Schmidt). Mohler hingegen sollte sich später anerkennend der an den Schriften Schmitts geschulten, dezisionistisch-etatistischen Politikauffassung des Freunds erinnern:
Dies war wohl das Erstaunlichste an Marcel Hepp: daß ein junger Mann wie er (…) einen so ausgeprägten Sinn hatte für das, was den individuellen Wünschen und Süchten übergeordnet war. Eine romantischere Zeit hätte es ›das Gemeinwohl‹ genannt, wieder eine andere ›das Reich‹. Er nannte es nüchtern den Staat.
Hepp verfolgte einen dezidierten innerparteilichen Rechtskurs und fiel publizistisch gnadenlos über politische Opponenten her. Nicht von ungefähr mehrten sich Ende der 1960er Jahre vor allem innerhalb der CDU die Stimmen gemäßigter Funktionäre, die ein Ende der Bürgerkriegsrhetorik forderten.
Die Jahresversammlung der Jungen Union Bayern forderte bereits 1968 die Abberufung Hepps von seinem Posten als Geschäftsführender Herausgeber; im Folgejahr bat der Sprecher des Mainzer CDU-Bundesparteitags Simon seinen Parteifreund und damaligen Bundeskanzler Kiesinger unter Beifall »eindringlich«, dahingehend auf Strauß einzuwirken, »daß Marcel Hepp endlich abgelöst wird, damit diese unwürdigen Artikel, die dort veröffentlicht werden, endlich wegkommen«.
Der CSU-Vorsitzende stellte sich bei allen diesen Angriffen vor seinen Intimus; die Gestaltung des Bayernkuriers sei allein Sache der CSU, die Schwesterpartei habe sich herauszuhalten, im übrigen habe man mit dem offensiven Kurs den Bezieherkreis jenseits der bayerischen Landesgrenzen immens steigern können. Hepp, dem Kritiker längst – nach dem bekannten Logo der Plattenfirma EMI – den grimmig-anerkennenden Spitznamen »His Master’s Voice« verliehen hatten, hatte in diesen Jahren seinen persönlichen Zenit erreicht.
Noch vor der schleichenden Aufgabe der Hallsteindoktrin durch die Bundesregierung und die »Neue Ostpolitik« unter Willy Brandt blieb der NPT Hepps Hauptangriffsziel. Ihm galt ein Großteil seines Wirkens beim Bayernkurier ebenso wie sein einziges, 1968 erschienenes Buch Der Atomsperrvertrag. Die Supermächte verteilen die Welt – »die schärfste Polemik gegen den Atomsperrvertrag aus ›gaullistischer‹ Perspektive« (Karlheinz Weißmann) –, mit dem er den Vertrag auch zum Wahlkampfthema 1969 machte:
Mit Hilfe der »kompromißlosen Ablehnung der von den Supermächten von Bonn geforderten Unterschrift« (Klappentext) sollte verhindert werden, daß der NPD, die sich bis dato als einzige Partei ausdrücklich gegen eine Unterzeichnung positioniert hatte, Unionswähler zugetrieben würden. Die Plan, dem rechtsradikalen Konkurrenten thematisch das Wasser abzugraben, ging schließlich auf; im Rückblick sollte sich der damalige NPD-Bundesvorsitzende Adolf von Thadden anerkennend an Marcel Hepp als den »hervorragendste(n) Wortführer« in der Debatte um den Nichtverbreitungsvertrag erinnern.
Im März des Wahljahres reiste Hepp außerdem in Straußschem Geheimauftrag zusammen mit Walter Becher in die USA, um dort republikanische Kongreßabgeordnete auf den Widerstand gegen den NPT einzustimmen; eine Dienstreise, die bei ihrem Auffliegen drei Monate später für einige Verstimmung in US-Regierung und Bundestag sorgte. Auch Armin Mohler bearbeitete den zögerlichen Strauß ausgiebig: Die anstehende Wahl werde über den zukünftigen Stellenwert der Unionsparteien ebenso entscheiden wie über den außenpolitischen Kurs der Bundesrepublik.
In diesem Sinne übersandte Mohler dem Parteivorsitzenden im unmittelbaren Vorfeld der Wahl ein – vermutlich mit Hepp abgesprochenes – ultimatives Wahlkampfkonzept; Strauß schlug den Rat seines alten Vertrauten in den Wind und hatte am 28. September 1969 eine krachende Wahlniederlage zu verkraften. Hierüber und über den Beitritt der BRD zum Nichtverbreitungsvertrag enttäuscht, ging Mohler langsam auf Distanz zu Strauß und zur Parteipolitik.
Daß der NPT am 5. März 1970 gleichwohl in Kraft trat, erlebte Marcel Hepp noch knapp mit. Anfang des Jahres war eine fortgeschrittene Krebserkrankung des Rückenmarks diagnostiziert worden, an der »eine der großen Hoffnungen der jungen Rechten« (Mohler) im Oktober mit 34 Jahren in einem Heidelberger Klinikum verstarb. Er hinterließ Frau und Tochter.
Auf seiner Trauerfeier hielt Franz Josef Strauß die Grabrede – Armin Mohler registrierte demgegenüber verbittert, daß der Parteichef seinen Intimus während dessen Siechtum nicht ein einziges Mal im Krankenhaus besucht hatte, und wandte sich endgültig vom seines Erachtens feigen Taktierer Strauß ab.
In seiner 1973 veröffentlichten Phänomenologie »Der faschistische Stil« beschrieb Mohler den Faschismus als weniger politische, vielmehr ästhetisch-»kalte« Ausrichtung ikonischer Figuren wie Ernst Jüngers und Gottfried Benns, deren Idealtypus jedoch im spanischen Falangistenführer José Antonio Primo de Rivera Fleisch geworden sei – umso bemerkenswerter, daß jener im Geburtsjahr des älteren Hepp hingerichtet worden war und Mohler stets – laut Karlheinz Weißmann – »sich José Antonio wie MH (Marcel Hepp) vorstellte«.
Das kurze Leben und der kometenhafte Aufstieg Marcel Hepps im Kräftefeld eines losen, doch weit ausgreifenden rechtsintellektuellen Netzwerks der Prä-68er-Bundesrepublik zeigen auf, was vor einem halben Jahrhundert in der politmedialen Landschaft des freiheitlich-demokratischen Deutschlands noch machbar war.
Ein mächtiger Parteivorsitzender, dessen CSU seinerzeit einen bundesweiten Wahlantritt gegen die liberalisierte Schwesterpartei erwog und der nicht vor der Einbeziehung bedeutender Nonkonformisten in seinen Beraterkreis zurückscheute, und eine noch nicht gänzlich gleichgeschaltete Presselandschaft mit der CSU-Zeitung Bayernkurier als finanziell abgesichertem Kampfblatt schufen einen argumentatorischen Freiraum, an dem sich politische wie publizistische Gegner abzuarbeiten hatten.
Vor diesem Hintergrund, der inzwischen selbst ein Betrachtungsgegenstand der Zeitgeschichte ist, hebt sich die heutige Misere umso greller ab – die CSU ist an ihren bayerischen Katzentisch verbannt, der Bayernkurier zu einem monatlich erscheinenden Kommuniqué heruntergekommen, und eine nennenswerte journalistische Gegenöffentlichkeit erschöpft sich zumeist in sauertöpfischen Kommentierungen der jüngsten dpa-Meldungen. Die Antwort auf die Frage nach dem, was machbar sei, wurde 1968ff. auf den Kopf gestellt – und war doch erfolgreich. Nachdem sich die deutsche Parteilandschaft durchgängig als unreformierbar herausgestellt hat, steht lediglich noch eine neue Graswurzelrevolution als Option im Raum. Die »Konservative Front« wäre wohl dabeigewesen.