auf dem jährlich Milliarden von Euro umgesetzt werden. So richtig Fahrt nahm dieser Kapitalismus mit dem unseligen Bosman-Urteil des EuGH auf. Dieser urteilte 1995, die Ausländerregel verstoße gegen die „im Binnenmarkt gewährte Freizügigkeit der Arbeitnehmer“, wenn der neue und der alte Verein in Mitgliedstaaten der EU beheimatet seien.
Und er kippte auch gleich das Verbot, wonach in Wettkämpfen nur eine begrenzte Anzahl von Spielern aus anderen Staaten eingesetzt werden dürfen. Für Spieler aus anderen EU-Staaten dürfe, so der EuGH, eine solche Regel nicht gelten.
Die Aufhebung der Beschränkung für Klubs bei der Verpflichtung von EU-Ausländern führte in den Mannschaftssportarten zu einer wahren Flut von ausländischen Spielern, die auch in den Bundesligen immer dominanter werden. Bis dahin gewachsene und bewährte Strukturen wurden durch dieses Urteil über Nacht pulverisiert. Immerhin setzte 2001, als der damalige Bundesligist Energie Cottbus in einem Spiel elf ausländische Akteure in der Anfangsformation einsetzte, ein gewisses Umdenken ein. Mittlerweile müssen Profi-Klubs unter anderem verpflichtend in den Betrieb von Nachwuchs-Internaten statt in neue Spieler investieren, und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) baute sein Stützpunktsystem aus. An der Gesamtentwicklung haben diese Maßnahmen aber nichts Wesentliches geändert, wie ein Blick in die Mannschaftskader der Bundesligen zeigt.
Wie dramatisch die Umwälzungen infolge des Bosman-Urteils sind, zeigte bereits 2002 eine Studie der Universität Bielefeld, die unter anderem zu folgenden Ergebnissen kam: „Durch das Bosman-Urteil wurde das sportliche Leistungsprinzip radikalisiert, und es entstanden neue, wechselseitige Überbietungsversuche, die von ihrer Dynamik und vom Prozeßverlauf Ähnlichkeit mit einer Rüstungsspirale haben.“ Für Nachwuchsspieler werde es damit immer schwerer, in den Bundesligen Fuß zu fassen, denn durch „den Ausländer-Boom werden nicht nur Plätze in den Bundesligen blockiert, sondern es ist vor allem das gestiegene Leistungsniveau, das die Chancen der Nachwuchsspieler reduziert. Der Sprung in die jeweiligen ersten Ligen ist für die Nachwuchsspieler viel größer geworden.“ Die Folge dieser Entwicklung ist, daß das Reservoir an deutschen (und noch viel mehr von autochthonen) Spielern, die für die Nationalmannschaften herangezogen werden können, immer schmaler wird, weil die Schlüsselpositionen in den Mannschaften immer häufiger von Ausländern besetzt sind. Selbst hochtalentierte deutsche Fußballer wie aktuell Mario Götze finden sich auch deshalb auf der Ersatzbank wieder.
Die Wahrheit hinter den Aussagen von Alexander Gauland
Ein eigenes Thema, das hier nicht vertieft werden kann, ist die Entwicklung in den Jugendmannschaften, die auch mehr und mehr von Spielern mit „Migrationshintergrund“ bestimmt werden; womöglich auch noch trainiert, wie ich es immer wieder einmal beobachten konnte, von entsprechenden Trainern, die vor allem ihresgleichen förderten. „Bio-deutsche“ Spieler sind in diesen Jugendmannschaften – das gilt vor allem für den Westen Deutschlands – häufig eher die Ausnahme oder bestenfalls Mitläufer. Daß hier der ein oder andere vorzeitig das Handtuch wirft, überrascht nicht.
Vor diesem Hintergrund sind die Aussagen des AfD-Vize Alexander Gauland gegenüber dem Spiegel zu verstehen, die deutsche Fußballnationalmannschaft sei „schon lange nicht mehr deutsch“ im „klassischen Sinne“. Profifußball sei „keine Frage der nationalen Identität mehr“, sondern „letztlich eine Geldfrage“. Gauland bekennt, von Fußball keine Ahnung zu haben, hat aber sehr wohl erkannt, wohin der hemmungslose Turbokapitalismus im Fußball, jetzt noch forciert durch die Wahnsinnssummen, die in der englischen Premier League alle Dämme brechen lassen, führt. Von 2016 bis 2019 zahlen Sky und BT Sport für die Übertragung von Spielen der Premier League insgesamt rund 5,2 Milliarden Pfund – umgerechnet etwa 6,9 Milliarden Euro.
Dieses Geld dreht die „Rüstungsspirale“ wie im kalten Krieg weiter; entsprechend groß ist die Abwanderung auch von Bundesligastars in Richtung England. Auf der Insel winkt das große Geld, dem – Ausnahmen bestätigen die Regel – allein im heutigen Söldner-Fußball die Reverenz erwiesen wird. Selbst der deutsche Branchenprimus FC Bayern München hat Probleme, seine Spitzenspieler zu halten, wenn das große Geld aus Spanien, England oder Frankreich (hier vor allem FC Paris-St. Germain) ruft. Die Champions-League, eine Art Leistungsschau des europäischen Vereinsfußballs, spiegelt das hemmungslose Wettrüsten im europäischen Vereinsfußball wider: Es sind im Prinzip immer wieder dieselben Vereine (insbesondere aus Spanien), die diesen Wettbewerb unter sich ausmachen. Nicht nur hier, sondern auch vermehrt in den nationalen Ligen inklusive Bundesliga droht deshalb die große Langeweile. Zu groß ist mittlerweile die Schere zwischen den nationalen und internationalen Branchenführern und dem großen „Mittelmaß“, das bestenfalls noch als Zulieferer für talentierte Spieler dient (und damit in seiner Wettbewerbsfähigkeit weiter geschwächt wird). Darüber kann auch der Gewinn der englischen Meisterschaft durch Leicester City nicht hinwegtäuschen.
Nationalmannschaften als Spielwiese der „Selbstoptimierung“
Die Nationalmannschaften dienen in diesem Zusammenhang vor allem der Selbstoptimierung; ein Mesut Özil, aber auch andere Nationalspieler „mit Migrationshintergrund“ dürften kein anderes Interesse an der deutschen Nationalmannschaft haben, als ihren Marktwert zu steigern. Die Wahrscheinlichkeit, mit dem deutschen Team – bezeichnenderweise nur noch „Die Mannschaft“ genannt – einen internationalen Titel zu holen, ist eben höher als mit der türkischen oder einer anderen Nationalmannschaft. Wer von diesen Spielern eine Identifikation mit Deutschland erwartet, ist realitätsblind.
Das Wettrüsten droht die Vereine, letztlich aber den ganzen Fußballsport zu erodieren. Viele Clubs agieren bereits an ihrer finanziellen Leistungsgrenze oder darüber hinaus. „Es war die schlimmste Katastrophe, die der Klubfußball je erlebt hat“, kommentierte der Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, die Auswirkungen des Bosman-Urteils mit martialischen Worten – mit der sich der FC Bayern München insbesondere in der Zeit seiner Ägide aber sehr gut arrangiert hat. Spätestens in der Ära des Selbstdarstellers „Pep“ Guardiola mutierte der FC Bayern mehr und mehr zu einem „All-Star“-Team, das sich kaum noch von anderen Söldner-Clubs unterscheidet. Und es ist auch nicht zu erwarten, daß sich das unter dem kommenden Trainer Ancelotti ändern wird. Auch unter ihm werden ausländische Kicker Vorfahrt vor deutschen haben. Der Strom von Nationalspielern, die der FC Bayern über die Jahrzehnte gestellt hat, wird deshalb nur zu bald versiegen. Gleiches gilt im übrigen mutatis mutandis für Borussia Dortmund.
Am 10. Juni rollt der Ball im übrigen wieder – man fragt sich bloß, wohin …
Waldgänger aus Schwaben
Es ist ein Zeichen totalitärer Staaten, dass alles politisiert wird. Der Fußball schon länger.
Handball wurde schon als
kartoffeldeutsch geschmäht.
Heute wird sogar der eben verstorbene Cassius Clay im Kampf gegen Rechts gefleddert:
Ali wollte das Gute, und einer wie Alexander Gauland, ein Mann so jämmerlich, dass nicht einmal ein Sakko aus Tweed in der Lage ist, ihm eine Statur zu verleihen, hätte wahrscheinlich Ali einen Gutmenschen geschimpft.