wäre das Narrenschiff wahrscheinlich eine etwas in die Jahre gekommene, leicht verrottete Luxusyacht, nennen wir sie „MS Berlin“. Die Insassen würden sich wie bei Bosch durch Maßlosigkeit und Liederlichkeit auszeichnen, nur trügen sie die vertrauten Züge des gegenwärtigen politmedialen Machtkartells. Doch nicht sie sind die eigentlichen Narren. Die namensgebende Figur hockt etwas abseits und hat mit dem Treiben an Bord nichts zu tun. Er, der Narr, ist der einzige, der sich nicht wie ein Narr verhält. Dieser Narr sind wir.
Lenkbar ist der Kahn auf dem Gemälde von Bosch nicht, denn er hat kein Steuerruder. Der Insasse, der da wie ein Mahnmal der Hilflosigkeit einen riesigen Kochlöffel ins Wasser hält, könnte allenfalls dafür sorgen, daß die Nußschale sich unentwegt im Kreis bewegt. Was, wenn ein Sturm aufkommt? Oder wenn eine Strömung das plumpe Gefährt erfasst? Klippen und Riffs sind wahrscheinlich nah. Der rah- und segellose Mast mündet in eine Baumkrone, aus dessen Krone ein Dämon auf das Treiben unter ihm herabblickt. Doch, dieses Bild passt in die heutige Zeit. Mehr noch als das der „Titanic“.
Schauen wir uns ein wenig an Bord unserer Luxusyacht „MS Berlin“ um, aus der Perspektive eines Narren. Es gibt keinen Zweifel, daß die Schiffsführung nicht Herr der Lage ist. Sie gibt sinnlose Kommandos aus, sämtliche Instrumente zur Positionsbestimmung und zur Kursabsteckung sind verschwunden oder funktionsunfähig. Gleichzeitig gibt man sich munter-sorglos, man genießt das Dasein an Bord bis zum Erbrechen. Da wird selbst ein Berufsnarr griesgrämig. Oder?
Schauen wir uns nun den Narren einmal näher an – schauen wir uns selbst an. Der im Abseits sitzende Narr nimmt nicht teil an den Narreteien der Passagiere. Er würdigt das Treiben keines Blickes mehr. Vielleicht wartet und hofft er darauf, daß die Besatzung das Schiff verlässt und Leute anderen Schlages sich an Bord einfinden?
Gut, gestatten wir uns einen Szenenwechsel. Leute vom Schlage Trumps übernehmen das Kommando auf dem Narrenschiff. Sie entfalten sofort einen unüberseh- und unüberhörbaren Aktivismus, kernige Kommandos ertönen bis in den letzten Winkels des angeschlagenen Schiffs. Der Narr hebt seinen müden Blick, betrachtet das Geschehen eine Weile – und wendet sich wieder ab. Denn was da geschieht, ist wohl ein Kurswechsel, doch das Narrenschiff bleibt ein Narrenschiff. Das Machenschaftliche, der über allem wachende Dämon des Politischen, übersteht jeden Kurswechsel. Macht korrumpiert. Was wird von einem Volkstribunen Trump übrig bleiben, dessen designierter Finanzminister ein altgedienter Goldman-Sachs-Mann ist? Wie wird eine AfD sich verändern, wenn sie erst als Anhängsel eines pfründeverliebten CDU-Klüngels in die Nähe der Macht kommt?
Wir unterscheiden zwischen dem unter allen Umständen närrischen Treiben der Besatzung und der Passagiere und dem Narren. Dieser Narr ist Nietzsches heiliger Narr, der bei hellichtem Tag mit der Lampe nach Gott sucht, ist ein Eulenspiegel, der den anderen den Spiegel vorhält. Er ist ein Exzentriker – ein Exzentriker der Macht, der zwar die Macht oft aus nächster Nähe beobachtet, jedoch nie an ihr teilhaben wird, niemals einen Platz im Zentrum einnehmen wird. Diese närrischen Exzentriker sind wir. Klingt das nicht alles ein wenig defätistisch, jetzt, mittendrin im politischen Paradigmenwechsel? Müsste der Narr nicht seine Narrenkappe abstreifen, die Ärmel hochkrempeln und zum Teil der Mannschaft werden, sich einfügen, zum Ruder greifen?
Folgendes wird innerhalb der nächsten drei Jahre kommen: Der Paradigmenwechsel wird europaweit stattfinden (in Deutschland vielleicht zuletzt), manches wird sich ändern, vieles wird bleiben – unter sogenannten realpolitischen Zwängen. Auch wir werden bleiben: als distanzierte Narren, den Spiegel stets in Reichweite, um ihn jedermann vor die Nase zu halten. Das hat nichts mit Resignation zu tun, sondern ist eher eine Hoffnung. Heilige Narren und Exzentriker werden auch künftig ebenso unverzichtbar wie unbeliebt sein. Daher bin ich sicher: Das Spiel der Ausgrenzung wird sich auch im kommenden Establishment wiederholen. Nicht umsonst meint das Wort Sezession ja das Abseitsgehen. Mag jemand die Wette halten?
Spielhahn
Wie hoch ist der Einsatz?