Wer ist nämlich tumb genug, sogleich auf die scheinbare Begeisterung der sonst ja ach so politikverdrossenen Millennials für den launigen Abstinenzler aus Eschweiler anzuspringen? Spiegel Online natürlich, beziehungsweise deren “Jugendformat” Bento. Das ist nicht umsonst nach den japanischen Essenskistchen dieses Namens benannt, denn bei Bento findet sich Politiksimulation gleichberechtigt neben Werbung, Nonsens, Werbung, Werbung, Sex und… Sie ahnen es… Werbung.
Bei der Jagd nach frischen Trends auf Facebook, Reddit und 9GAG sind offenbar einige der hippen jungen Beiträger auf die Schulz-Meme gestoßen und haben messerscharf geschlußfolgert, daß es sich dabei um die witzige Aktion einiger hochintelligenter Aktivisten handeln müsse – und zusätzlich um ein wichtiges Trolling gegen Donald Trump, dessen digitale Gefolgschaft im Vorfeld der Präsidentschaftswahl aus den anarchohumorigen Symbolcollagen eine wahre Wissenschaft gemacht hat. Bei Bento ist ohnehin alles Trolling, was sich an Posen einer im Mainstream unbeliebten Person orientiert; es besteht mehr als nur ein wenig Nachholbedarf hinsichtlich der Funktionsweise des Internets.
Das gilt eben auch für das Wesen der Memetic warfare. Es würde zu weit führen, hier die komplette Memtheorie nach Richard Dawkins ff. herunterzubeten; das ist etwas für die Druckausgabe. Daher hier nur soviel, ohne die ihnen eigene Magie zerreden zu wollen: Die Meme in Bild und Schrift, wie man sie aus dem zeitgenössischen Internet kennt, sind eine der Rhizomstruktur des Netzes angemessene kommunikative Metastruktur, die als virtuelle Verknüpfung von Informationswert und Emotion über die erlebbare Realität gelegt ist. Klingt erstmal furchtbar zäh, ist es auch (Gilles Deleuze eben), aber wenn man von etwas redet, von dem man keine Ahnung hat (und Datenbanken wie KnowYourMeme.com können da schon abhelfen), macht man sich leicht lächerlich.
So wie Bento eben, und mit ihnen die durch ihre Wohlstandsverwahrlosung delirierende Sozialjugend. Man spielt sich gegenseitig die Bälle zu, und zwischendurch wird sogar die Frage wieder interessant, was das eigentlich sei, so ein “Parteimitglied”. Da mache sich nochmal einer über Nordkorea lustig – dort hat man zwar nur einen Bruchteil der Ressourcen, die unsere medialen Meinungsschäferhunde aufwenden können, kommt aber trotzdem irgendwie weniger aufgesetzt rüber. (Ok, die Musik ist aus einer US-Computerspielreihe, aber auch das hat eben Memqualität!)
Meme funktionieren schlichtweg nicht, wenn sie nicht mindestens (selbst-)ironisch gemeint sind. Bento schlingert natürlich: “[…] wird Martin Schulz halbironisch als “Gottkanzler” gefeiert, der die Demokratie rettet, rechte Hetzer bekämpft und im #Schulzzug auf dem Weg ins Kanzleramt ist […]” Daran ist allenfalls ironisch, daß man sich optisch an Trump-Memen orientiert, sonst nichts. Alle Attribute des “Gottkanzlers” sind an sich bitter ernst gemeint. Eben das ist der Grund, weswegen Linke sich daran zwangsläufig die Zähne ausbeißen: Wenn man der festen Überzeugung ist, unentwegt gegen alle Übel der Welt ankämpfen zu müssen, dann geht einem nichts mehr locker von der Hand.
Und unlockere Meme sind nichts weiter als (aufgrund der absichtlich minderen Qualität auch noch schlechte) Propaganda. Man sollte meinen, daß die hiesigen Tastaturritter aus der üppig finanzierten Totalblamage von “No Hate Speech” etwas gelernt hätten, zumindest ein wenig Demut. Aber weit gefehlt, man hat die Ventile noch weiter aufgerissen! Auch hier gilt wieder das Zweite Gesetz von Vox Day: “SJWs always double down”, “Berufsbetroffene drehen immer weiter auf [statt sich zurückzuziehen]”, wenn sie eine Schlappe kassieren.
Nicht nur kastriert man die naturgemäß wildwüchsigen Meme dadurch, daß man sie in politische PR-Strategien zu zwängen sucht. Was außerdem weder Bentos junge Garde noch die jungsozialistischen Liebhaber der “geilen Sau” Schulz begreifen, ist die simple Tatsache, daß man aus einer Position der Stärke heraus (und plötzlich auf die SPD abzufahren, ist wahrlich kein Widerstandsakt!) einfach nicht subversiv sein kann und darum zwangsläufig langweilig bleibt. Das könnte man dem fettgefressenen (und ‑gesoffenen) Parteimoloch schon fast noch als Selbstironie auslegen, aber dazu fehlt wohl die notwendige Selbsterkenntnis; Sozialdemokraten mit Humor findet man heute wohl nur noch in der PARTEI.
Zugegeben, bei der ersten fremdschamerfüllten Lektüre der Bento-Beiträge hielt ich das alles für eine große Leserverarsche, weil eigentlich niemand so netzinkompetent sein sollte. Dann aber häuften sich binnen kürzester Zeit die Propagandabeiträge, und es zeigte sich, daß die das wirklich ernst meinen. Nun, Planziel klar verfehlt: Wer schon zum Chor derjenigen gehört, die unentwegt gegen “Fake News” anschreien, sollte eigentlich wissen, daß es die Internet-Redensart “in Meta ersaufen” nicht umsonst gibt.
Gerade auf Plattformen wie Reddit oder den vielen 4chan-Derivaten ist so ziemlich nichts für bare Münze zu nehmen, und wenn in Ausnahmefällen doch, so wird es ruck, zuck von Aktivisten gekapert, die mehr Ahnung und Fertigkeit mitbringen. Mir kann deshalb niemand erzählen, daß der mittlerweile entstandene #Schulzzug-Content auch nur noch zur Hälfte von wirklichen Unterstützern des verhinderten Film-Kapos (das ist übrigens Trolling, nur um das klarzustellen) stammt. Wer sowas glaubt, hält auch den brillanten Twitter-Hypergutmensch “Godfrey Elfwick” für real.
Wie so ein halbgarer Versuch des viralen Trendsetting mit Pauken und Trompeten schiefgehen kann, zeigt momentan mustergültig die Installation “He Will Not Divide Us” des überschätzten Schauspielers Shia LaBeouf, den man aus den Transformers-Popcornfilmchen und dezent obskuren Musikvideos kennt. LaBeouf hat am 20. Januar eine Webcam und ein Mikro an der Außenwand des New Yorker Museum of the Moving Image angebracht, die angeblich über die gesamte Präsidentschaftszeit Donald Trumps hinweg einen Livestream von Passanten, die sich von Trump “nicht spalten” lassen wollen, ins Internet stellen sollen.
Nun ist aber derartiges in den USA nicht mehr möglich, ohne sofort Trolle anzuziehen, ob nun mit politischer Agenda oder ohne. Vertreter und Sympathisanten der AltRight liefern sich unter dem Motto “Troll the Wall!” mittlerweile einen Wettkampf darum, die beste Störaktion an der “Klagemauer” abzuziehen.
Bisherige Auftritte lieferten unter anderem Emily Youcis, die aufgrund ihrer Ko-Moderation der Konferenz des National Policy Institute im November 2016 ihren Arbeitsplatz verlor, der berüchtigte “Mike Enoch” von TheRightStuff.biz, die Teilnehmer des von Counter-Currents/North American New Right ausgerichteten “New York Forum”, Aktivisten von “Identity Evropa” sowie der AltRight-nahe, deshalb unlängst vom Cartoon-Network-Format “Adult Swim” geschaßte und längst selbst zu einem Mem gewordene Kabarettist Sam Hyde, der mit einem Anhang von 40 Mann den Betrieb an der Webcam komplett zum Erliegen brachte. Stellvertretend soll hier eine junge Dame zu Wort kommen, die ebenfalls von den berühmten Red pills genascht hat:
Also, liebe Kinder und Schulz-Aktivisten, die sich tatsächlich selbst ernst nehmen, ruhig mal eine Pause vom Rechner nehmen und raus an die frische Luft gehen. Es gibt bestimmt auch noch irgendwelche Klausuren zu schreiben – wer will schon wie Niels Annen enden? Zumal wenn eh nichts Ordentliches dabei herauskommt. Oder, wie man in der “Szene” so schön sagt: GTFO!
So geht das! (hier erklärt)
Bernhard Christian
Ich muss gestehen, dass mir der Gedanke eines Chu-Chu-Chulzzugs, der aufgrund nicht verbauter Negativbeschleunigungsvorrichtungen über diverse Brücken und schlussendlich am Kanzleramt vorbei rast, immer noch ein Grinsen ins Gesicht zaubert; auch wenn Mememagic normalerweise andere Zauberkräfte nachgesagt werden.