die Bevölkerung durch harmlose, aber in voller Überzeugung vorgebrachte Meinungsäußerungen, denen wirklich jeder vorbehaltlos zustimmen kann, bei Laune zu halten und jede Anwandlung einer politischen Willensbildung im Keim zu ersticken – ganz soft, ganz ohne physische Gewalt. Hinsichtlich der Haltung zu allen wichtigen Fragen des Lebens soweit wie nur möglich an Null heranzukommen, ist das erklärte Ziel.
1955 erschienen, ist “Nach Yancys Vorbild” heute aktueller denn je. Denn die Kunstfigur Yancy steht für Seichtigkeit, für Infantilisierung und Konsumismus als Treiber und Garanten der Entpolitisierung des öffentlichen Diskurses – und damit für jene Marker, die den heutigen Zustand der westlichen Industriegesellschaften charakterisieren.
Der Akt der Subversion in der literarischen Vorlage besteht darin, Yancy umzuprogrammieren: Idyllische Kalenderszenen sollen, so der Ausblick, abgelöst werden durch Bilder von Hieronymus Bosch, dem Meister des diabolischen Schreckens. Damit kehrt nach und nach das Politische zurück in den Alltag – dieses im Sinne Carl Schmitts gedacht als Frage der Unterscheidung von Freund und Feind.
Passend hierzu ein kürzlich auf YouTube eingestellter Vortrag: Rainer Mausfeld, ein Kieler Wahrnehmungspsychologe und Kognitionsforscher, spricht auf Einladung der Hamburger Sektion des IPPNW (Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.) über die Methoden und mentalen Mechanismen, derer heutige Eliten sich in den westlichen Industriegesellschaften bedienen, um die Masse auf Kurs und sich selbst an der Macht zu halten. Es ist im Wesentlichen die Methode Yancy, die man zeitgemäß auch mit Soft power oder Nudging umschreiben könnte – Rainer Mausfeld spricht treffend von “Mentalvergiftungen”.
Den von Psychologie und Sozialwissenschaften bis ins Letzte ausgefeilten Methoden der Soft power wird in den westlichen Industriegesellschaften der Vorzug gegeben – nicht aus humanitären, sondern aus ökonomischen Gründen. Professionelles Meinungsmanagement ist in diesen Gesellschaften nicht nur effizienter als Hard power, sondern auch billiger.
Hard power hingegen wurde bislang nur dort eingesetzt, wo das Meinungsmanagement aufgrund von Mängeln in der medialen Infrastruktur noch nicht zuverlässig genug funktioniert, bzw. dort, wo Polizeigewalt einfach unschlagbar günstig zu haben ist. Doch stimmt diese Abgrenzung noch?
In der Praxis erleben wir in Deutschland inzwischen fast täglich, wie auch Hard power in der politischen Auseinandersetzung ausgeübt wird – Menschen mit vom Meinungsmanagement abweichender Meinung werden bespuckt, tätlich angegriffen, ausgegrenzt, an der Meinungsäußerung gehindert und niedergebrüllt, Autos werden abgefackelt, Häuser beschmiert. Selbstverständlich geht diese Form von Hard power nicht unmittelbar von den Eliten und den ihnen zu Diensten stehenden staatlichen Organen aus.
Ausführende Instanz ist vielmehr die Zivilgesellschaft, die sich – durch psychopolitische Steuerung auf Kurs gebracht – als willfährige Hetzmeute betätigt (der legendäre “Aufstand der Anständigen”). Die Hatz nimmt seit dem Brexit und seit der Wahl von Donald Trump und im Vorfeld wichtiger europäischer Wahlen derzeit beträchtlich an Fahrt auf und zeigt Züge von Hysterie – die Machteliten scheinen tatsächlich besorgt zu sein, daß die psychopolitische Steuerung längst nicht mehr in dem Maße funktioniert, wie es notwendig wäre, um die Dinge unter Kontrolle zu halten.
Indem versucht wird, die Abweichler wieder einzufangen oder zum Schweigen zu bringen, erreicht man jedoch nur das Gegenteil – das in bunten Farben ausgemalte idyllische Szenario einer Weltzivilisation ohne Nationen und ohne Grenzen verschwindet, der diabolische Schrecken der Realität betritt die Bühne. Mit ihm einher gehen die Rückkehr des Politischen, das Ende von Infantilismus und Konsumismus und die Absage an alles Seichte.
Was uns bevorsteht, ist nicht nur ein Wahljahr – Wahlen sind, wie Rainer Mausfeld sagt, das Unwichtigste und Nebensächlichste an der Demokratie. Was uns bevorsteht, ist ein umfassender Kulturkampf, in dem es nicht darum geht, ob die eine oder andere Kultur obsiegt, sondern ob Kultur als Inbegriff in Jahrhunderten gewachsener und vielseitigster Strukturen überhaupt Bestand haben oder im Globalisierungsbrei untergehen wird.
Der_Jürgen
Lutz Meyer schreibt:
"Hard Power wurde bisher nur eingesetzt, wo das Meinungsmanagement infolge von Mängeln in der medialen Infrastruktur noch nicht zuverlässig genug funktioniert, bzw. dort, wo Polizeigewalt einfach unschlagbar günstig zu haben ist. Doch stimmt diese Abgrenzung noch?"
Eine wichtige Feststellung. Aus rein politischen Gründe vor Gericht kamen bis vor kurzem im wesentlichen nur Leute, die sich entweder offen zum Nationalsozialismus bekannten oder die orthodoxe Version der Judenverfolgung im Dritten Reich bestritten. (In seltenen Fällen existierte zwischen den Betreffenden eine Personaleinheit; für das System ist die zweite Kategorie unvergleichlich gefährlicher, weshalb gegen dissidente Historiker, selbst wenn sie eindeutig Nichtnationalsozialisten oder sogar dezidierte Antinationalsozialisten sind, oft weit härtere Urteile gefällt werden als gegen "Siegheil"-Rufer. )
Politische Prozesse dieser Art konnte und kann sich das System leisten, weil es darauf bauen kann, dass sich in der Öffentlichkeit kein merklicher Widerspruch dagegen regen wird.
Doch nun erweitert sich der Kreis der Repressionsopfer stetig. So wurde der Satiriker Uwe Ostertag wegen Karikaturen im Internet (er legte Politikern Aussprüche in den Mund, die sie nicht getätigt hatten, wies aber in jedem Fall ausdrücklich darauf hin, dass es sich um Satire handelte), zu 22 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt.
https://www.contra-magazin.com/2017/02/gesinnungsdiktatur-22-monate-haft-fuer-uwe-ostertag-wegen-politisch-inkorrekter-satire/
Zum Vergleich: Der Schmierfink Böhmermann wird aufgrund seiner unflätigen Ergüsse, an denen rein nichts Satirisches ist, von der Lügenpresse als Held der Meinungsfreiheit gelobt.
Die BRD befindet sich heute in einem Stadium des Übergangs von einer versteckten zu einer offenen Diktatur. Das System gibt sich immer weniger damit zufrieden, Dissidenten durch Berufsverbote in den Ruin zu treiben oder ihr soziales Umfeld durch Hetzkampagnen zu zerstören, sondern greift vermehrt zu offen polizeistaatlichen Mitteln.
Nachdem Petry und Pretzell die AFD bewusst aufs Abstellgleis geführt haben und Höcke in seinem Spiegel-Interview den verlangten Kotau vor dem Gesslerhut vollzogen hat, kann man das Thema AFD/parlamentarische Opposition wohl abhaken, gleichgültig ob die Partei im September acht oder zehn oder fünfzehn Prozent der Stimmen erhält. Hoffen wir, dass Sezession, Compact, das IFS, die Identitären und die übrigen Kräfte des friedlichen Widerstands noch eine Zeitlang weitermachen können, ehe die Schrauben noch stärker angezogen werden. Hierzu reicht schon ein Brandanschlag auf ein Asylantenheim mit mehreren Toten, den man ja nach Bedarf selbst inszenieren kann; ein paar "rechtsextreme" Sündenböcke lassen sich unschwer auftreiben.
Man kann Schnellroda und seinen Freunden also nur starke Nerven wünschen.