Sonntagsheld (2) – Mein Freund, der Sultan

Deniz Yücel sitzt im Knast und die deutschen Medien stehen Kopf. Allenthalben sprießen Solidaritätsbekundungen aus dem Boden.

Die FAZ erhebt den mora­li­schen Zei­ge­fin­ger über die ande­ren mora­li­schen Zei­ge­fin­ger, und irgend­wo in Mit­tel­deutsch­land trin­ken ein paar gut­ge­laun­te Dis­si­den­ten zur Fei­er des Tages ein Glas Cham­pa­gner und sto­ßen auf unse­ren Sonn­tags­hel­den an: Recep Tayyip Erdoğan.

Hin­ter vor­ge­hal­te­nen Hän­den, an ein­sa­men Stamm­ti­schen in ver­rauch­ten Dorf­knei­pen und in den Kom­men­tar­spal­ten der Bun­des­re­pu­blik macht sich die­ser Tage eine fast beschäm­te Scha­den­freu­de breit. Man ist sich nicht so ganz sicher, ob man gute Lau­ne haben darf, weil ein miß­güns­ti­ger Tür­ke mit deut­scher Staats­bür­ger­schaft, der sei­ne jour­na­lis­ti­sche Kar­rie­re bis­her vor­nehm­lich sei­nen anti­deut­schen Ver­nich­tungs­phan­ta­sien (hier und hier) und dem Vor­trag auto­chthon deut­scher Ver­nich­tungs­phan­ta­sien (hier) ver­dank­te, nun hin­ter tür­ki­schen Gar­di­nen sitzt.

Irgend­wie ist man ja gegen Erdo­gan, nickt zufrie­den mit dem Kopf, wenn man liest, daß der Auf­tritt des tür­ki­schen Jus­tiz­mi­nis­ters in Gag­ge­nau abge­sagt wur­de, und ent­rüs­tet sich zu Recht über die weib­lich-wei­che Nach­gie­big­keit, mit der die Bun­des­re­gie­rung die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zur Tür­kei pflegt.

Sicher, Mei­nungs­frei­heit ist gera­de in Zei­ten des sanf­ten Tota­li­ta­ris­mus ein emp­find­li­ches The­ma, und wer sich ges­tern noch mit einem heroi­schen ver­meint­li­chen Vol­taire-Zitat auf die Sei­te deut­scher Kar­ne­va­lis­ten geschla­gen hat, mag ver­sucht sein, auch jetzt mit einem rasch und unge­fähr­lich dazwi­schen­ge­scho­be­nen #free­de­niz sei­ne Soli­da­ri­tät zu bekunden.

Allein: Wir müs­sen ab und an auch mal an die Gesund­heit unse­res Gemüts den­ken. Je nach Aus­prä­gung des eige­nen EQ [= Elfen­bein­turm­quo­ti­en­ten, Anm. d. Redak­ti­on] hat man als Rech­ter in der Bun­des­re­pu­blik mehr oder weni­ger zu lachen, in kei­nem Fall jedoch genug.

Wenn dann so einer verz­ot­tel­ten Spaß­brem­se wie Deniz Yücel, die aus Deutsch­land gern einen “Rüben­acker” machen wür­de, der eige­ne PR-Gag um ein paar Wochen ver­län­gert wird, darf auch mal herz­haft gelacht wer­den. Es ist ja nicht so, daß wir dem hoch­de­ko­rier­ten Kurt-Tuchol­sky-Preis­trä­ger einen töd­li­chen Schlag­an­fall wünsch­ten, aber nach­dem er selbst mit ori­en­ta­li­scher Läs­sig­keit fest­stell­te, daß wir Deut­sche – wir Ange­hö­ri­ge “eine[r] Nati­on, die seit jeher mit gren­zen­lo­sem Selbst­mit­leid, pene­tran­ter Bes­ser­wis­se­rei und ewi­ger schlech­ter Lau­ne auf­fällt” – ganz fürch­ter­lich humor­los sind, kann man uns die­se Freu­de auch mal zubilligen.

Heu­te also ein High five für Erdoğan, ab mor­gen heißt es dann wie­der: Make Istan­bul Con­stan­ti­no­p­le again!

(PS: Ich kom­me nicht umhin, fest­zu­stel­len, daß die Hin­ter­grün­de des gan­zen Spek­ta­kels hier her­vor­ra­gend zusam­men­ge­faßt sind.)

 

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Kommentare (49)

deutscheridentitärer

5. März 2017 09:04

Endlich sagts mal jemand!

Generell finde ich, dass Erdogan stabil liefert. Über die zunehmenden deutschfeindlichen Ausfälle seiner Regierung braucht man sich nicht empören, was sich klein macht, wird getreten, so ist das halt; das es auch anders geht zeigt das Verhältnis zu Russland.

Dass diese Gestalt Yücel oder wie sie heißt weggesperrt wurde, kann man dem Mann gar nicht hoch genug anrechnen. Ich muss da auch keine inneren Verrenkungen vollziehen, da mir die Meinungsfreiheit eh ziemlich egal ist; unser Lager muss halt seine Meinung äußern können, den Linken kann das gerne verboten werden.

Lars Waldgaenger

5. März 2017 09:09

In seiner Taz-Kolumne "Super, Deutschland schafft sich ab!" aus dem Jahre 2011 beschreibt Y. die Deutschen als dauerjammernde Opfergestalten. Er hat nun die wunderbare Gelegenheit, sich als "harter Kerl" (so ist anscheinend sein fesch frisiertes, sonnenbebrilltes Selbstbild) zu beweisen. Viel Glück dabei.

Monika L.

5. März 2017 09:28

Ich bewundere Thilo Sarrazin, der die Inhaftierung  Deniz Yücels in der "Jungen Freiheit" kritisiert hat. Das nennt man wohl Größe. 

Die habe ich in diesem Falle leider ( !)  nicht mehr. Nicht nur, weil ich an die Gesundheit meines Gemütes denken muß. Nein, auch weil ich die verbleibenden Kräfte zunehmend zum Beten nutze. Etwa für das Gebet, daß die Hagia Sophia dereinst wieder als Kirche erstrahlt. 

https://www.welt.de/geschichte/article149477810/Vorbild-vieler-Moscheen-soll-wieder-Kirche-werden.html

P.S. Kleiner Wunsch an die  Identitären. Gewöhnt euch das high five ab !

Auch das geht mir langsam ans Gemüt.

Solution

5. März 2017 10:33

Zwei Anmerkungen: 

1. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Erdogan. Warum auch? Er ist schließlich ein türkischer Politiker, der türkische - und keine deutsche - Politik macht.

2.  Ich bin dafür, daß die Türken Wahlkampfveranstaltungen in großem Stil in der BRD durchführen dürfen. Immerhin sieht man dann auch, wem die Loyalität der Türken gehört, von denen die meisten einen deutschen Paß haben. Ebenso bin ich für große Moscheen mit riesigen Minaretten und für eine Erlaubnis totaler Verschleierung. Wenn man etwas versteckt, wird es nicht mehr richtig wahrgenommen. Ich möchte die schleichende Islamisierung in allen Facetten sehen. Vielleicht öffnet das noch so manchem die Augen.

Der_Jürgen

5. März 2017 10:42

 "Etwas Besseres als Deutschland findet man allemal", meinte Herr Deniz Yücel. Nun hat er etwas Besseres gefunden, Allah sei gelobt. Von mir aus kann er für den Rest seines Lebens dort bleiben, wo er jetzt ist.

Gustav Grambauer

5. März 2017 11:08

Habe lange gebraucht, um das überhaupt zu begreifen, aber es gibt unter westlichen Linken keinen Korpsgeist, und auch das Gequatsche über "Solidarität" war von Anfang an ohne Substanz (der Begriff wurde von Bertolt Brecht und Hanns Eisler exakt in dem Moment, 1929, zu einem Agit-Prop-Kampfbegriff für ein letztes Aufgebot an moralischer Erpressung gemacht, als klar wurde, daß sich der stolze Arbeiter eben nicht mit seinem Lumpenproletarier-Bruder in ein Boot setzen würde). Für die Presse-Meute ist Yücel nur eine Nummer und seine Haft längst als Kollateralschaden abgeschrieben. Alle Tränen von dieser Seite sind eine Krokodilstränen, und manche werden noch ihrerseits auf Erdogan dafür anstoßen, daß er einen Konkurrenten auf dem hartumkämpften Zeilenschinder-Arbeitsmarkt festgesetzt hat. Wenn überhaupt jemand einen für den Finger zieht, dann wird Gabriel die in aller Welt berühmt-berüchtigte BRD-Scheckbuchdiplomatie à la Genscher ("Wieviele Koffer hat er denn diesmal dabei?") in Gang setzen, aber auch nur, weil das eine gute Gelegenheit ist, wieder mal hintenrum möglichst viel deutsches Geld zu verschleudern und sich vornrum als Meisterdiplomat der Hypermoral zu profilieren.

Ganz nebenbei beobachten wir in diesen Tagen in der BRD eine hochgefährliche neue, sich schwedischen Verhältnissen nähernde Eskalationsstufe. Das System enthebt sich jetzt offiziell der schieren körperlichen Anwesenheit von Abweichlern an der kollektiven Fiktion der kunterbunten Concordantia Concordana. Dabei wird diese jetzt in so hohem Grade als "offenkundig" simuliert, daß jeder Rückgriff auf kleinlich-spießige Vorwürfe im Hinblick auf einzelne Tatbestände und Tatbestandsmerkmale entfällt. Damit wird die altbekannte Dynamik in Gang gesetzt werden, mit der jeder Verteidigungsversuch nur noch neue Kaskaden an Bestrafungen auslöst:

https://www.youtube.com/watch?v=J5UEpyLzlZA

... und gleichzeitig schwadroniert dieses System von "Meinungsfreiheit".

- G. G.

RMH

5. März 2017 11:25

Das jemand wegen seinem Schandmaul einsitzen muss, ist eine Tatsache, die mir, als der Todsünde des Liberalismus zugeneigten, natürlich nicht behagt. Auf der anderen Seite sind die ganze "Free - wasweißichdenalles"- Kampagnen schon immer mehr als fragwürdig und durchsichtig gewesen, selbst Free Willy war ja bekanntermaßen kritikwürdig. Wer etwas älter ist, kennt davon ja noch eine Menge anderer.

Den Humor des Beitrags teile ich daher nicht, einen Aspekt des Beitrags aber schon und das ist der, der darauf hinweist, das Erdogan nationale Interessen definiert hat und diese recht konsequent durchzusetzen versucht, während das Regime, welches Deutschland derzeit regiert, statt mit der EU zusammen die Grenzen hochzuziehen und den Grenzschutz zu verstärken, sich via deal von dem Herrn ein Stück weit erpressbar hat machen lassen.

Ein Land, welches selber seine eigenen nationalen Interessen definiert, würde es zudem auch nicht zulassen, dass Bewohner fremder Nationen in seinem Gebiet eine fünfte Kolonne bilden. Auch hier versagt unser Regime kläglich - die paar wenigen Alibi-Verbote von Auftritten von türkischen Politikern wirken da wie ein kleiner, untauglicher Versuch, die Spitze eines Eisberges unter das Wasser zu drücken, damit der Eisberg nicht erkennbar bleibt.

Hier sehe ich im Übrigen auch das Ablenkungsmanöver der Free Yüksel Kampagne - man legt sich ein ganz, ganz kleines bisschen mit Erdogan an und das ganze Ditib-, Geheimdienst- und fünfte Kolonne-Thema wird damit schön übertüncht. Kurz vor der NRW-Landtagswahl will sich niemand ernsthaft mit den Millionen von Türken in Deutschland anlegen.

Philip Stein

5. März 2017 13:26

"P.S. Kleiner Wunsch an die  Identitären. Gewöhnt euch das high five ab !"

Genau, der hier taugt viel mehr: Handshake

Utz

5. März 2017 14:46

Ich verweise auf Laut gedacht (sehenswert!):

https://www.youtube.com/watch?v=izUqORtfbb0

Merkel sagt sinngemäß: Deutscher ist, wer auf deutschem Boden lebt. Warum sollte sich in Deutschland jemand für Yücel einsetzen? Seine Adresse ist jetzt ein türkisches Gefängnis, er ist kein Deutscher mehr.

Nemo Obligatur

5. März 2017 14:57

Das ganze Grundübel ist der Doppelpass. Entweder ist jemand Deutscher oder Engländer oder Türke oder wasweißich. Alles zusammen geht nun einmal nicht. Herr Y. wird jetzt in der Türkei als Türke behandelt. Da er Deutscher nur halb dem Paß nach sein wollte, geschieht es ihm recht.

@Monika L.

Das hier ist für Sie. Vielleicht hebt es Ihre Stimmung. Achten Sie auch auf die Schlusspointe.

https://www.youtube.com/watch?v=SYCBEAfYw3Q

Simplicius Teutsch

5. März 2017 15:27

„Denn in Deutschland herrscht Meinungsfreiheit.“ – So wörtlich ein Berufskommentator der Mainstreampresse im Münchner Merkur (S.2, 3.3.2017) zu dem, wie er meint, „in einem Rechtsstaat recht normalen Vorgang, wenn sich eine Kommune um die öffentliche Sicherheit sorgt“, weil mutmaßlich zu wenige Parkplätze für die ankommenden Veranstaltungsgäste vorhanden sein könnten.

Interessanterweise liegt die etwa 500 Personen fassende „Kulturhalle“ von Gaggenau, wo die schließlich verbotene politische Versammlung stattfinden sollte und wo der türkische Justizminister sprechen wollte, ganz am Rande des Stadtteils Bad Rotenfels umgeben von Wiesen und Äckern - aber halt leider mit "relativ engen Anfahrtswegen" (so das Versammlungsverbot überzeugend erklärend der Baudezernent Pfeiffer von Gaggenau).

SWR-Innenminister Thomas Strobl (CDU) meint übereinstimmend, es sei kein politisches Verbot, sondern eines aus rechtlichen Gründen

Ich stelle fest: Das also ist bundesrepublikanisch gelebte freiheitliche Demokratie. Aber ich kann nicht einmal mehr darüber lachen. Es ist wohl an der Zeit, dass ich das Abo für die Mainstreampresse abbestelle.

Balduin B.

5. März 2017 16:00

Herr Deniz Yücel hätte jetzt sicher bessere Karten, wenn er sich statt für den Doppelpass, ausschließlich für die Deutsche Staatsbürgrschaft entschieden hätte. So gesehen, trägt er jetzt die Konsequenzen einer falschen Entscheidung in der Vergangenheit. Nun ist er halt in der Türkei der Türke, und nicht der Deutsche.

Vielleicht ist es ja auch für alle beteiligten das Beste, wenn er sich für die Belange der Türkei einsetzt, sofern ihm das dort ermöglicht wird. Es ist jedoch nicht zu erwarten, daß er sich in der Türkei ungestraft für den Volkstot wird einsetzen dürfen. Erdogan versteht da sicher keinen Spass und hat,zumindest damit, auch recht.

Eine gewisse Schadenfreude über ungemütliche Knaststunden für Herrn Yücel in der Türkei ist hierzulande deutlich zu vernehmen; wer wollte es uns verdenken.

Noch eine kleine Anmerkung zu "high five" und "handshake":

Ich will nicht altmodisch klingen, aber wenn man sich "Identitär" nennt, sollte man für alle Gesten und Ausdrücke nach Formulierungen in unserer Landessprache suchen! Als Aktiver in der AfD versuche ich den Kollegen den "Flyer" abzugewöhnen und stattdessen Flugblatt zu sagen, bevor keiner mehr das deutsche Wort kennt. Das nennt man dann Identitätsverlust.

Cacatum non est pictum

5. März 2017 16:33

Ein schöner Text! Kurz, knackig, spritzig. Mit einer feinen Prise Ironie garniert. Diesem Hasardeur und passionierten Deutschenhasser weine ich keine Träne nach. Er hat mit dem Feuer gespielt und sich die Finger verbrannt. Pech! Keine deutschen Interessen berührt ...

Cacatum non est pictum

5. März 2017 18:19

@deutscheridentitärer

Ich muss da auch keine inneren Verrenkungen vollziehen, da mir die Meinungsfreiheit eh ziemlich egal ist; unser Lager muss halt seine Meinung äußern können, den Linken kann das gerne verboten werden.

Ist das bloß eine Trotzreaktion auf unsere missliche Lage, oder sehen Sie das wirklich generell so? Dann möchte ich in diesem Punkt klar widersprechen. Ein idealer Staat würde selbstverständlich das Recht seiner Bürger auf freie Meinungsäußerung schützen, und zwar möglichst umfassend. Wenn er es nur bestimmten Gruppen einräumt, erzeugt er böses Blut. Das sehen wir ja dieser Tage. Die Meinungsfreiheit in der Türkei interessiert mich deswegen nicht, weil sie eben eine türkische Angelegenheit ist und keine deutsche.

@Solution

Ich bin dafür, daß die Türken Wahlkampfveranstaltungen in großem Stil in der BRD durchführen dürfen. Immerhin sieht man dann auch, wem die Loyalität der Türken gehört, von denen die meisten einen deutschen Paß haben. Ebenso bin ich für große Moscheen mit riesigen Minaretten und für eine Erlaubnis totaler Verschleierung. Wenn man etwas versteckt, wird es nicht mehr richtig wahrgenommen. Ich möchte die schleichende Islamisierung in allen Facetten sehen. Vielleicht öffnet das noch so manchem die Augen.

Diese Veranstaltungen sollten live im GEZ-Fernsehen übertragen werden. Alle Redebeiträge wären mit deutschen Untertiteln zu versehen. Dem "Wort zum Sonntag" könnte eine gleich lange sunnitische Predigt folgen - am besten von einem saudischen Imam, der dem Publikum Koransuren vorträgt, in denen es um die Wertschätzung von "Ungläubigen" geht. Ja, das wäre ein Anfang ...

@Simplicius Teutsch

Interessanterweise liegt die etwa 500 Personen fassende „Kulturhalle“ von Gaggenau, wo die schließlich verbotene politische Versammlung stattfinden sollte und wo der türkische Justizminister sprechen wollte, ganz am Rande des Stadtteils Bad Rotenfels umgeben von Wiesen und Äckern - aber halt leider mit "relativ engen Anfahrtswegen" (so das Versammlungsverbot überzeugend erklärend der Baudezernent Pfeiffer von Gaggenau).

SWR-Innenminister Thomas Strobl (CDU) meint übereinstimmend, es sei „kein politisches Verbot, sondern eines aus rechtlichen Gründen“.

Man trifft eine Entscheidung, die keine Wählerstimmen kostet. Andererseits wählt man dafür eine Begründung, von der man sich erhofft, dass sie die Leidtragenden milde stimmt und deren Zorn einhegt. Ist das die vielgerühmte "Spurbreite des schmalen Grats"? Oder einfach nur windelweiche Feigheit?

Monika L.

5. März 2017 19:07

@Philip Stein 

Lieber Milchshake als Handshake ( Grrrrr:))))))))Ungeheuerlich. Diese Geste:

https://m.youtube.com/watch?v=E0LlZiYzjmc

Stil-Blüte

5. März 2017 19:18

@ Baldwin B.

Da  sprechen Sie mich an. Händeschütteln, Händewaschen, die Hand reichen, Handreichung, die Hände falten... an den Händen halten, Handwerk. F ü n f e r   - die Faust als Zeichen des Widerstandes ist leider schon ver- und missbraucht .  Fünfer-(Handschlag) wäre das was? Schlottelius, unser unbekanntester, nichts desto weniger genialster Sprachschöpfer innerhalb des deutschen Sprachraums, hätte hier zehn Varianten angeboten, von denen, nachprüfbar, mindestens die Hälfte bis heute überlebt haben würden.

Stil-Blüte

5. März 2017 20:00

@ Caroline Sommerfeld

Sie möbeln uns auf. vermöbeln uns gar? Nur zu! Wer Kraft hat, soll Kraft geben.

Abronsius

5. März 2017 20:32

Mir ist bisher völlig entgangen, daß Istanbul wieder christianisiert werden soll. Aber gesundheitlich ist alles in Ordnung? Satire hin oder her, ich würde mich mal auf das Wesentliche konzentrieren. Etwas, was keinen Realitätsbezug hat, kann man schlecht überspitzen. Jetzt muß erstmal Deniz Yücel heil und gesund aus der türkischen Untersuchungshaft kommen. Hoffentlich erleidet er in der Haft keinen Schlaganfall.

Dachs

5. März 2017 20:51

Deniz Yücel sitzt jetzt am richtigen Ort:"Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal.“ 

Yücel feiert in der taz den Kriegsverbrecher Harris, den er respektvoll Sir Arthur Harris nennt, Henry Rübenacker Morgenthau und Ilja Ehrenburg. Also jenen Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg ("Tötet, tötet! Es gibt nichts, was an den Deutschen unschuldig ist, die Lebenden nicht und die Ungeborenen nicht! Folgt der Weisung des Genossen Stalin ..."), der in seinem 1943 in Moskau erschienenen Buch „Wojna“ (Krieg) dies geschrieben hat: „Die Deutschen sind keine Menschen. Von jetzt ab ist das Wort Deutscher für uns der allerschlimmste Fluch. Wenn du nicht im Laufe eines Tages einen Deutschen getötet hast, so ist es für dich ein verlorener Tag gewesen. Für uns gibt es nichts Lustigeres als deutsche Leichen.“

Möge der lustige Yücel also seinen türkischen Pass genießen und Merkels Türsteher Erdogan noch vor den Wahlen im Mai die nächste halbe Million illegale Zuwanderer nach Deutschland durchwinken – dann sprechen zuerst die CDU-Abgeordneten in NRW ein ernstes Wort mit Frau Merkel.

Das wunderbare: Deutschland müsse "lernen, sich zu benehmen", des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu an diesem Wochenende weist den Weg. Keine weitere Rempelei mit Türstehern. Rufen wir Präsident Erdogan zu: "Mr. Erdogan, open this gate!"

Desprecio

5. März 2017 20:56

@ Balduin B.

"Ich will nicht altmodisch klingen, aber wenn man sich "identitaer" nennt, sollte man für alle Gesten und Ausdruecke nach Formulierungen in unserer Landessprache suchen !"

Ihre Worte könnten von mir sein. Ich habe Ähnliches in diesem Forum schon des öfteren geaeussert  (gefordert/angemahnt). Leider umsonst - es wurde eher schlimmer. Man kann heute Bildung wohl nur noch durch Anwendung möglichst vieler Anglizismen unter Beweis stellen. In diesem Sinne kämpfe ich in meinem beruflichen und privaten Umfeld einen vergeblichen aber um so aufrechteren Kampf. Wenn wir in diesem Kulturkampf, den wir zweifellos führen, ja führen muessen, das Wichtigste aus der Hand geben, was für diesen Kulturkampf nötig ist, unsere Sprache, haben wir verloren, bevor er so richtig begonnen hat ! Ich wundere mich immer wieder über das Unvermögen zweifellos hochintelligenter Foristen (aber auch Autoren) bei SiN, die in dem krankhaften  Bemuehen, die englische Sprache zu bevorzugen, nicht einen gravierenden Beitrag zum Identitaetsverlust erkennen. Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag, dem ich nicht nur wegen des letzten Absatzes in vollem Umfange zustimmen moechte !

deutscheridentitärer

5. März 2017 21:01

" Ein idealer Staat würde selbstverständlich das Recht seiner Bürger auf freie Meinungsäußerung schützen, und zwar möglichst umfassend. "

Möglichst umfassend, meinetwegen. Aber ich bin nicht der Meinung dass jede Meinung geäußert werden darf. Was Yücel bzgl. des deutschen Volkstods geschrieben hat sollte meiner Meinung nach in einem idealen Staat nicht straffrei geäußert werden dürfen. Oder Parolen wie "Hätte Maria abgetrieben, wärt ihr uns erspart geblieben", "Bomber Harris do it again". Jegliche Meinung, die darauf abzielt, das Gemeinwesen als solches nicht wenigstens der Intention nach konstruktiv zu kritisieren, sondern seine Existenz als solches in Frage zu stellen, müsste strafrechtlich abgewehrt werden (und wird es in der Realität ja auch stets).

Cacatum non est pictum

5. März 2017 21:34

@Balduin B.

Ich will nicht altmodisch klingen, aber wenn man sich "Identitär" nennt, sollte man für alle Gesten und Ausdrücke nach Formulierungen in unserer Landessprache suchen! Als Aktiver in der AfD versuche ich den Kollegen den "Flyer" abzugewöhnen und stattdessen Flugblatt zu sagen, bevor keiner mehr das deutsche Wort kennt. Das nennt man dann Identitätsverlust.

Zustimmung! Der "Flyer" ist seit Jahren in aller Munde. Jüngere kennen das Wort "Flugblatt" gar nicht mehr. Und so geht es mit der deutschen Sprache in einem fort. Das Tempo, in dem man Begriffe verwirft und ersetzt, ist mittlerweile atemberaubend und gibt Anlass zu ernster Besorgnis.

@Caroline Sommerfeld

Einzudeutschen bzw. passende deutsche Ausdrücke zu gebrauchen - je nun ... Ich halte das für ein Generationenspezifikum. Wer, sagen wir mal, unter 40 ist, erfreut sich zahlreicher Anglizismen im aktiven Sprachgebrauch. Dies deshalb zu tun, weil man keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten mehr hat, ist armselig und schlecht.

Es geschieht immer aus diesem Grund, auch wenn sich das manch einer nicht eingestehen will. Die Schwemme der Anglizismen, die wir heute verwenden, hat der deutschen Sprache schon enormen Schaden zugefügt. Und in der Sprache manifestiert sich das eigene Denken. Die Fähigkeit, seinen Gedanken Gestalt zu verleihen, nimmt mit schwindendem Wortschatz ab. Da sich die Negativbeispiele in den öffentlichen Resonanzräumen (Buch, Zeitschrift, Fernsehen) häufen, ist der Einzelne schon zu aktivem Entgegenwirken gezwungen, wenn er sich vor dem Sprachverfall schützen möchte.

Dies deshalb zu tun, weil man damit eine gewisse Ironie, Persiflage, Stilebene, Milieusprache, Psychologensprache, Szenesprache etc. abbilden will, vergrößert das Spektrum der Ausdrucksmöglichkeiten.

Nein. Das Ausdrucksspektrum unserer Sprache ist riesengroß. Wer auf modische Fremdwörter ausweicht, verlagert seine Botschaft nur aus dem Deutschen heraus und nimmt ihr an Präzision. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Sven Jacobsen

5. März 2017 21:47

Gehen wir ruhig davon aus, dass hier jeder über eine vergleichsweise ausgeprägte Liebe zur deutsche Sprache verfügt; Fehler und Korrekturen sind natürlich immer drin. In Frankreich hat man übrigens vor gar nicht so langer Zeit die Waffen im Kampf gegen die Anglizismen gestreckt.

In den Mainstream-Medien (Teufel auch, wie sagt man‘s nur?), in den Medien also ist von Deniz Yücel fast immer als einem Journalisten der „WELT“ die Rede. Seine abfälligen Bemerkungen über Deutschland in vergleichsweise kleineren Publikationen dürften weitgehend unbekannt sein. Vermutlich würde das auch nicht viel an dem allgemein vorherrschenden Bild von ihm ändern. Ich jedenfalls kannte die im Artikel erwähnten Äußerungen nicht.

Interessant ist, dass Erdogan der deutschen Regierung jetzt etwas abverlangt, womit sie bislang wohl kaum in Erscheinung trat: ein gewisses nationales Selbstbewusstsein zu zeigen; nicht viel, aber immerhin. Und die politische Linke stimmt mit ein. Die Dinge nehmen auf unerwartete Weise Fahrt auf. 

H. M. Richter

5. März 2017 22:10

"Und beim "Gesichtserker" mag ich nicht landen"".

Caroline Sommerfeld

Da muß auch niemand landen, denn obiges Wort ist nie ernsthaft als (vermeintliche !) Eindeutschung vorgeschlagen worden. Wäre auch recht lächerlich, da "nasa" bereits für das Althochdeutsche belegt ist.

Und für Herrn Yücel gilt: Wie man sich bettet, so liegt man.

Cacatum non est pictum

5. März 2017 22:39

@Dachs

Das wunderbare: Deutschland müsse "lernen, sich zu benehmen", des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu an diesem Wochenende weist den Weg. Keine weitere Rempelei mit Türstehern. Rufen wir Präsident Erdogan zu: "Mr. Erdogan, open this gate!"

Lustig! Danke für den Lacher. Obwohl ich Erdogan für einen brandgefährlichen Lumpen halte, bereitet er auch mir dieser Tage große Freude. Sein unwidersprochen gebliebener Nazivergleich war das Sahnehäubchen. Er lässt unsere Spitzenpolitiker öffentlich als das dastehen, was sie sind: ehrlose Deppen ohne Charakter und Mut.

In normalen Zeiten müsste einem Patrioten eigentlich der Kamm schwillen angesichts der türkischen Verbalattacken. Aber unsere Zeiten sind nicht normal. Wir werden von Kollaborateuren regiert. Und wenn die auf politischer Bühne bloßgestellt werden, kann das nur in unserem Sinne sein. Also, Herr Erdogan: Tesekkür ederim.

Fräulein von Trense

5. März 2017 23:16

Um gleich zwei der hier angerissenen Themen miteinander zu verbinden - zur haßzerfressenen türkischen Schreibkraft in ihrem heimatlichen Gefängnis ließe sich auch sagen: karma is a bitch.

Der Feinsinnige

6. März 2017 00:39

@Sven Jacobsen

„Interessant ist, dass Erdogan der deutschen Regierung jetzt etwas abverlangt, womit sie bislang wohl kaum in Erscheinung trat: ein gewisses nationales Selbstbewusstsein zu zeigen; nicht viel, aber immerhin. Und die politische Linke stimmt mit ein. Die Dinge nehmen auf unerwartete Weise Fahrt auf.“

Ja, so kann man das sehen. Nur: Was passiert? Bislang höre ich nur Abwiegeln oder dröhnendes Schweigen. Ich glaube auch nicht, daß sich das substantiell ändern wird (hoffentlich täusche ich mich). Unter normalen Verhältnissen (aber was ist hier und heute in Deutschland normal?) müßten die Äußerungen und Drohungen Erdogans, die heute durch die Nachrichten gehen („Nazi-Praktiken“, „Aufstand machen“, vgl. z.B. n-tv online vom 5.3.2017: „Wenn ich will, komme ich: Erdogan deutet Deutschland-Reise an“, u.a. mehr) ausreichen, das althergebrachte diplomatische Prozedere in Gang zu setzen:

Den deutschen Botschafter zurückrufen, den türkischen Botschafter ausweisen, Konsulate schließen, bis hin zum Abbruch der diplomatischen (und wirtschaftlichen!) Beziehungen. Mindestens aber zuallererst: Sämtliche türkischen Regierungsmitglieder auch privat zu unerwünschten Personen erklären und dies gegebenenfalls auch durch Zurückweisungen an Flughäfen durchsetzen.

Das wäre rechtlich sogar im Rahmen unserer Gesetze möglich, vgl. folgenden Artikel des SWR-aktuell vom 23.2.2017: „So würde ein Auftritt Erdogans verhindert.“

https://www.swr.de/swraktuell/wahlkampf-erdogan-in-deutschland-verhindern/-/id=396/did=19074746/nid=396/1kak61m/

Aber unsere Regierung hat Angst. Angst davor, daß Erdogan tatsächlich einen „Aufstand“ zu entfesseln versucht und es in Deutschland zu Massendemonstrationen (oder Schlimmerem?) von türkischen Anhängern Erdogans kommt. Angst davor, daß Erdogan die Grenzen nach Europa wieder öffnet und das Abkommen kündigt, das nie hätte geschlossen werden dürfen. Angst davor, daß immer mehr Deutsche erkennen, daß sie alternativ wählen sollten, um etwas zu ändern.

Die deutsche Regierung läßt sich und (viel schlimmer!) das ganze ihr anvertraute Land von einem Erdogan beschimpfen und erpressen. Das ist die Lage. Ekelhaft.

Urwinkel

6. März 2017 02:43

"Wer, sagen wir mal, unter 40 ist, erfreut sich zahlreicher Anglizismen im aktiven Sprachgebrauch."

Naja, besonders froh wirken die U40-jährigen mit ihrem Denglisch nicht. Eher lebensmüde und zurückgebildet, Frau Sommerfeld. Interessanter in der Hinsicht sind die großmäuligen Ü60er. Deren Sprachverständnis erschöpft sich meist schon in einem rausgeschmetterten "Fuck You". Englisch lernten sie wie viele ihrer Generation noch nicht in der Schule. Das wurmt sie. Und es freut sie, wenn sie "Handy" oder "Party" den Enkeln buchstabieren können.

Rabenfeder

6. März 2017 03:46

@ Gustav Grambauer

Sie schreiben: „Habe lange gebraucht, um das überhaupt zu begreifen, aber es gibt unter westlichen Linken keinen Korpsgeist, und auch das Gequatsche über "Solidarität" war von Anfang an ohne Substanz(...)“

Es muss ja auch kein wirklicher Korpsgeist sein; Zur Schau gestellte Gelassenheit über die Provokationen eines ihrer Trommler genügt vollauf. Ob diese Gelassenheit („der Yüksel wollte doch nur zum Nachdenken anregen, das darf man nicht so ernst nehmen...“) ehrlich empfunden oder nur gespielt ist, wen interessiert es? In jedem Karnevalsverein wird gehauen und gestochen, im Vereins-Innenraum darf es gerne - so will es wohl unsere menschliche Natur – zur Sache gehen, nach außen hin wird die Front gegen den Feind gehalten.

Wenden wir dies auf die Rechte an, dann wird klar wie wir mit unseren forscheren Köpfen umgehen sollten: „Der Höcke wollte doch nur zum Nachdenken anregen, Nachdenken ist wichtig und richtig und weil wir nachdenken (*wendet sich an Hetzmeute*), erkennen wir welche Probleme uns die katastrophale Politik...“

Wenn also @ Schneekette im anderen Strang donnert: „Weil es (die Provokation) nicht funktioniert!“, dann frage ich mich: Wer sagt denn, dass sie nicht funktioniert? Da geht es nicht nur um Tagespolitik, sondern um tiefer sitzendes. Das braucht Zeit. Steter Tropfen höhlt den Stein. Selbst wenn wir denn zugeben müssten, dass Geschichtsaufarbeitung nicht funktioniert, so funktioniert sie meines Erachtens nur deshalb nicht, weil die Rechte ihre Reihen nicht geschlossen hält.

Herr Grambauer, ich muss zugeben, dass mir der Zusammenhang zwischen ihrer ernst zu nehmenden Warnung und der eher bemühten als echt komischen politischen „Büttenrede“ von Frau Petry noch nicht ganz klar ist.

Übrigens: Den oben verlinkten AfD-Mann Königer aus Brandenburg

https://www.youtube.com/watch?v=SYCBEAfYw3Q

oder auch

https://www.youtube.com/watch?v=4DQ61G9ir0Q

finde ich hingegen sehr komisch.

@ Cacatum non est pictum

Als Antwort auf ihre kritische Frage im Nebenstrang, worin denn die Bereicherung bestehen soll:

Nun, ich habe zumindest teilweise recht intime Einblicke in vermeintlich oder tatsächlich fremde Welten nehmen dürfen (oder müssen?). Ich möchte, trotz aller Probleme, keine meiner Erfahrungen missen. Wichtige Kontrapunkte zur bestimmenden deutschen Melodie! Wenn allerdings Millionen Kontrapunkte jedes Thema zu einem kakophonischen Lärm (kann man das so sagen?) zersetzen, dann klingelt es auch in meinen Ohren, wenn sie verstehen, was ich meine.

Maiordomus

6. März 2017 08:56

@deutscher Identitärer. Politisch dümmer geht kaum. "Unser Lager muss seine Meinung äussern können, den Linken kann das gerne verboten werde." Real sind linke Meinungsverbote in der westlichen Welte heute wohl auch verfassungsrechtlich praktisch undenkbar, während rechte Meinungsverbote zum Teil legiferiert sind. Eine solche Forderung bleibt nur höchst blamabel, weil es die Rechte sein müsste, die von formaler Meinungsfreiheit profitiert. Sogar in der Schweiz wird nun die Forderung laut, Jongen, den sog. Parteiphilosophen der AfD (Parteiphilosoph halte ich für absurde Bezeichnung),  selbst gegen vier Gegner nicht sprechen zu lassen, wogegen sich Frank A. Meyer im Sonntagsblick von gestern immerhin von Berlin aus verwahrte. Wirklich lächerlich, als Rechter sich jetzt so dümmlich über die Meinungsfreiheit zu äussern. Ich empöre mich auch deswegen, weil ich als unabhängiger Geist im Einzelfall für keine meiner Meinungen garantieren kann und mich weigere, blosse Lagermeinungen, auch rechte Lagermeinungen, abzusondern. Auf diesem Ihrem Niveau, Identitärer, könnte auch Schnellroda schnell mal einpacken. Oder habe ich mich in diesem Blog geirrt?

Schneekette

6. März 2017 08:59

@Rabenfeder

Ich frage mich, wie oft ich meine Formulierungen noch wenden soll, damit es unmissverständlich wird.

NATÜRLICH funktioniert Provokation!

Nur eben DIESE NICHT!

Mit Vergangenheitsbewältigung kann man sich erst beschäftigen, wenn man wieder einen Diskursrahmen etabliert hat. Wenn man an die Lehrpläne rankäme. Wenn...

Dutzende Provokationen würden funktionieren. Aber DIESES dutzendfach aufgehobene Kolumbusei ist vergammelt.

 

deutscheridentitärer

6. März 2017 10:24

@Maiordomus

"Real sind linke Meinungsverbote in der westlichen Welte heute wohl auch verfassungsrechtlich praktisch undenkbar, während rechte Meinungsverbote zum Teil legiferiert sind. Eine solche Forderung bleibt nur höchst blamabel, weil es die Rechte sein müsste, die von formaler Meinungsfreiheit profitiert:"

Wie klug Sie sind. Vielleicht erkennen Sie auch den Unterschied zwischen dem, was taktisch angemessen ist und dem, was man grundsätzlich für ein erstrebenswertes Ziel hält. Die Linke fordert seit jeher "formale" Meinungsfreiheit, um sie im gleichen Atemzug ihren Gegnern zu verwehren. Dass Einfordern der Meinungsfreiheit ist ein taktisches Mittel, den Feind bei seinen eigenen (vorgeblichen) Idealen zu packen und ihn entweder zu entlarven oder zu zwingen der eigenen Sache Diskursraum zu gestatten. Sobald wir nicht mehr der Underdog sind, fangen wir selbstverständlich an, gewisse Dinge zu tabuisieren und dabei hilft auch eine strafrechtliche Sanktionierung.

"Wirklich lächerlich, als Rechter sich jetzt so dümmlich über die Meinungsfreiheit zu äussern. Ich empöre mich auch deswegen, weil ich als unabhängiger Geist im Einzelfall für keine meiner Meinungen garantieren kann und mich weigere, blosse Lagermeinungen, auch rechte Lagermeinungen, abzusondern."

Ja ich bin eben kein unabhängiger Geist, sondern jemand, der einer Sache verpflichtet ist.

"Auf diesem Ihrem Niveau, Identitärer, könnte auch Schnellroda schnell mal einpacken. Oder habe ich mich in diesem Blog geirrt?"

Keine Sorge, ich bin hier allenfalls der unlustige Hausclown.

Gustav Grambauer

6. März 2017 10:38

Rabenfeder

Bin immer dafür, Heuchlern mit dem Stilmittel der gespielten Heuchelei zu begegnen. Was eine von Ihnen engesprochene Büttenrede von Frau Petry betrifft: eine solche habe ich doch gar nicht verknüpft (König, - köstlich, herzlichen Dank -, würde sich mit dem Karikatur-Wort "verlinkt" seinen Spaß machen), sondern den Hinauswurf eines ehemaligen AfD-, jetzt fraktionslosen Abgeordneten aus einer Sitzung der der Hamburger Bürgerschaft. Scrollen (hihihi!) sie noch mal hoch und versäumen Sie auch nicht, die geistige Häßlichkeit auf der Ebene, auf der sich Raskolnikow vor einer Golfausrüstung oder einem Rollkoffer ekelt, zu empfinden. Wir sind auch genau beim Thema "Korpsgeist", denn diese Frau Veit hätte es niemals gewagt, so gegen Flocken (nicht zu verwechseln mit "unserem" Historiker Dr. Flocken) vorzugehen, wenn sie nur mit 1 % Rückhalt des Rechtsabweichlers bei seinen ehemaligen Fraktionskollegen hätte rechnen müssen. Aber bekannt als der liberalste Landesverband heulen die noch ihrem Idol Hans-Olaf Henkel nach und haben zu dem Mobbing (mir fällt kein besseres Wort ein) wohl nur höhnisch gegrinst.

- G. G.

Der_Jürgen

6. März 2017 11:49

Zum Schlagabtausch zwischen @Deutschidentitärer und @Maiordomus möchte ich einige Worte sagen, weil das Thema so ungemein wichtig ist.

Unter den geltenden Verhältnissen, in einem Staatswesen, das die Meinungsfreiheit verfassungsmässig garantiert, in der Praxis aber stark einschränkt (in der BRD oder Österreich wesentlich massiver als in der Schweiz), ist es, wie Maiordomus festhält, in der Tat eine Torheit, als Rechter dem linken Gegner die Meinungsfreiheit öffentlich abzusprechen. Es gilt immer wieder auf die Heuchelei eines Systems hinzuweisen, das dem Bürger Meinungsäusserungs- und Forschungsfreiheit sowie die Freiheit der Verbreitung von Informationen verheisst, diese Freiheiten Dissidenten in der Praxis jedoch nicht gewährt. Dies ist für politische Organisationen und Parteien der einzig gangbare Weg. 

Andererseits möchte ich den hier durchaus nicht bei allen unbeliebten Erdogan zitieren, für den die Demokratie nur der Zug ist, mit dem er und seine Gesinnungsgenossen ans Ziel gelangen wollen. Erdogan gibt also ehrlich zu, dass Demokratie mit ihren Begleiterscheinungen wie Meinungspluralismus für ihn bloss ein Mittel zum Zweck ist, das über Bord geworfen werden kann, sobald das Ziel erreicht ist.

Um Deutschland, Frankreich und andere europäische Länder zu retten, braucht es dort autoritäre Regierungen, welche die erforderlichen Massnahmen, zu denen die Repatriierung vieler Millionen Immigranten aus Afrika und dem Nahen Osten gehört, durchführt. Dies geht aber nicht, wenn man die Medien, die Universitäten und die Justiz gegen sich hat und Abschiebungen selbst schwerkrimineller Ausländer kaum noch durchführbar sind, weil linke Aktivisten sie verstecken und "fortschrittliche" Pfarrer ihnen "Kirchenasyl" gewähren. Die unabweisliche Folgerung ist, dass den Zerstörern, die den Volkstod fördern, die Meinungs- und Bewegungsfreiheit entzogen werden muss. 

Maiordomus und andere, die denken wie er, werden sich also entscheiden müssen, was wichtiger ist: Meinungsäusserungsfreiheit für alle (also auch für "Deutschland verrecke"-Schreier, Gender-AktivistInnen, AbtreibungsbefürworterInnen und Kindersex-Fans) oder das Überleben der europäischen Menschheit und ihrer Kultur. Beides geht nicht. Man kann nicht "den Batzen und das Weggli zugleich haben", wie der Schweizer sagt.

Im Gegensatz zum heutigen System wird eine nationale Regierung (immer vorausgesetzt, eine solche kommt je ans Ruder) hoffentlich auf Heuchelei verzichten und in ihrem Grundgesetz klar festlegen, in welchen Fragen die Meinungsäusserungsfreiheit begrenzt ist. Solschenizyns Aussage, wonach das Unerträgliche nicht das Autoritäre sei, sondern die aufgezwungene Lüge ("Offener Brief an die sowjetischen Führer", ca. 1974) habe ich auf diesem Forum schon früher einmal zitiert, aber manchmal schadenWiederholungen nichts.

Felix Treumund

6. März 2017 12:21

Als ein eher nicht rundherum informierter Zeitgenosse, der es sich auch rein zeitlich nicht leisten kann, auch noch "taz" zu lesen, konnte ich es mir aber doch nicht verkneifen, auf einen der obigen links zu klicken.

Ich habe den Artikel nicht zu Ende lesen können, mit hat beim Lesen der Atem gestockt. Es ist einfach unbegreiflich, was mittlerweile hier alles publiziert werden darf. Man tausche nur  die Variablen "Deutsche" oder "Deutscher" aus und der Artikel hätte 1:1 auch als Agitprop Aufmacher in den schlimmsten Publikationen der Nationalsozialisten veröffentlicht werden können.

Rabenfeder

6. März 2017 12:36

@ Gustav Grambauer

Huch! Wie bin ich denn auf die Frau Petry gestoßen? Jetzt macht das auch wieder Sinn. Den von Ihnen verknüpften ( ;) das „verlinkt“ ist mir tatsächlich unreflektiert durch geflutscht...tststs ) Rauswurf des Abgeordneten in Hamburg habe ich erst gestern oder vorgestern entdeckt. Irrenhaus Deutschland im Jahre des Herrn 2017.

@ Schneekette

Ich fürchte, wir werden uns zu diesem Thema nicht einigen können. Das müssen wir aber auch nicht. Es sollte genügen, wenn wir nicht über einen von uns herfallen, wenn er Ihr Ei des Kolumbus trotz aller Vorbehalte anfasst. Den Geschichtsaufarbeiter im Angesicht des Feindes ignorieren, wenn's einem gar zu faulig in die Nase kreucht und meinethalben intern zur Ordnung rufen und die Ellbogen ausfahren.

Der Feinsinnige

6. März 2017 13:31

@Maiordomus @Der Jürgen @Deutschidentitärer

Ich pflichte @Maiordomus bei, und zwar aus innerer Überzeugung und auch aus Zweckmäßigkeitserwägungen. Deutschland und Europa können nur mit Unterstützung der einheimischen Völker gerettet werden, nicht gegen sie. Es geht nicht um die Alternative Rettung unseres Kontinents ODER Demokratie und Meinungsfreiheit, sondern darum, daß eine andere Politik nur dann funktionieren kann, wenn sie von einer breiten Mehrheit getragen wird, was Demokratie und Meinungsfreiheit voraussetzt. Mir klingt noch der aktuelle Vortrag Martin Sellners im Ohr (veröffentlicht von Götz Kubitschek am 20.2.2017 auf diesem Block: „Gewaltloser Widerstand – Vortrag und Umsetzung“). Sellner hat ausführlich und überzeugend dargelegt, daß eine breite Unterstützung aus dem Volk nur gewonnen werden kann mit Gewaltlosigkeit. Diese Überlegungen können meines Erachtens parallel angewandt werden zu der hier streitig gewordenen Frage: Eine breite Mehrheit kann nur gewonnen werden, indem die grundlegenden Freiheitsrechte, wozu die Meinungsfreiheit gehört, uneingeschränkt respektiert werden. Alles andere stünde meines Erachtens nicht nur im Widerspruch zu dem auf diesem Block gepflegten intellektuellen Anspruch (der existentiell auf die Meinungsäußerungsfreiheit angewiesen ist), sondern wäre politischer Selbstmord – dieses Blocks, des gesamten patriotischen Lagers, aber auch unseres Landes und unseres Kontinents.

Stil-Blüte

6. März 2017 13:35

Ich stelle mir gerade vor, wie es wäre, wenn Putin bei der nächsten Wahl für die Duma vor ca. 700.000 in Deutschland, vor allem in Berlin-Charlotten'grad' lebenden Russen, Russlanddeutschen und  russischen Juden mit dreifachem Pass (israelisch, russisch, deutsch), so mir nichts dir nichts, im  Olympia-Stadion eine Wahlrede halten würde. 

1. Ließen sich das die Betroffenen gefallen?

2. Wäre das 'Sarajewo' 2.0?

3. Käme die deutsche Regierung dann über Umwegen endlich mal auf den Punkt, daß das eherne Gesetz eines  HOHEITsGebietes ohne Ausnahme für   a l l e   gilt, für Staatsmänner ebenso wie für Personen, die in ein Land, eine Wohnung einbrechen? Auch Freunde haben vorher anzuklopfen. Warum lassen wir es zu, daß sich  Einjeder, wie es ihm beliebt, auf unserem HOHEITsGebiet tummeln und auf unseren HoheitsRechten  herumtrampeln darf?

Harm Wulf

6. März 2017 14:09

@Monika L: Vielen Dank für Ihren Verweis auf die Gruppe Les Brigandes. Diese kannte ich noch nicht, wie so einiges, was hier besprochen wird..

Der_Jürgen

6. März 2017 15:06

@Der Feinsinnige

Ja, auf diesem Blog herrscht Meinungsfreiheit, Kubitschek und Kositza sei Dank, aber eben nur in begrenztem Rahmen. Glauben Sie, Schellroda würde einem Deniz Yücel, der den Deutschen den Volkstod wünscht, hier ein Forum zur Verfügung stellen oder den schwedischen Jungliberalen, die eben die Legalisierung des Geschlechtsverkehrs mit Tieren und Leichen gefordert haben?

Ja, eine nationale Revolution kann nur mit der Mehrheit des Volkes gemacht werden und nicht gegen sie. Für eine nationale Revolution sind die Bedingungen augenscheinlich jedoch noch nicht reif. Da das System nicht reformierbar und nicht reformwillig ist, sorgt es mit seiner Politik selber dafür, dass diese Bedingungen nach und nach heranreifen. Ob sich ein deutscher Lenin finden wird, der eine revolutionäre Lage ausnutzt, werden wir dann sehen.

Thomas

6. März 2017 17:46

"Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite"
Deniz Yücel

"Denis Yücel im Knast ist Diktatur von ihrer schönsten Seite"
von mir

Sven Jacobsen

6. März 2017 18:00

@Der Feinsinnige

Sie haben natürlich recht, es passiert einfach zu wenig. Ich frage mich wie Sie und wie jeder mit einigermaßen gesunden Ansprüchen an den Staat, was denn noch alles passieren muss, bis die Regierung klare Signale setzt. Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lachen, dass Erdogan unserer Regierung, die viele unbequeme Entscheidungen vor sich herschiebt, zu deren Entsetzen nationalstaatliches Handeln aufzwingt. Sie muss jetzt etwas tun, was allzu gerne als überlebt dargestellt und belächelt wurde. Bei TICHYS EINBLICK bzw. der WELT AM SONNTAG sind gerade gleich mehrere Artikel erschienen, in denen der Regierung ein fehlendes Rückgrat vorgeworfen wird. Da wächst etwas. 

Der Feinsinnige

6. März 2017 20:35

 

@Der Jürgen:

 

Ja, auf diesem Blog herrscht Meinungsfreiheit, Kubitschek und Kositza sei Dank, aber eben nur in begrenztem Rahmen. Glauben Sie, Schnellroda würde einem Deniz Yücel, der den Deutschen den Volkstod wünscht, hier ein Forum zur Verfügung stellen oder den schwedischen Jungliberalen, die eben die Legalisierung des Geschlechtsverkehrs mit Tieren und Leichen gefordert haben?“

 

Nein, das glaube ich nicht, und das wäre auch so etwa das letzte, was ich befürworten würde.

 

Wichtig ist mir aber die Unterscheidung folgender Tatbestände:

 

1. Das Meinungsspektrum, welches innerhalb einer wie auch immer definierten Gruppe wie zum Beispiel den bei diesem von mir hochgeschätzten Block Mitdiskutierenden zugelassen ist. Dieses kann legitimerweise und selbstverständlich von der Gruppe insgesamt oder deren Verantwortlichen begrenzt werden und sollte es auch. Alles andere würde kaum funktionieren. Dies hat jedoch nichts mit dem staatlich garantierten Grundrecht auf Meinungsfreiheit zu tun.

 

2. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit innerhalb eines Staates.

 

Von dieser habe ich geschrieben, weil hier, falls ich das nicht falsch verstanden habe, über diese gestritten wird. Vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit profitieren alle, auch und insbesondere die Teilnehmer dieses Blockes. Dieses sollte weitestgehend gelten, wird jedoch selbstverständlich durch die bestehenden Gesetze begrenzt, also insbesondere durch zivilrechtliche Abwehrrechte gegen falsche Tatsachenbehauptungen und durch Strafnormen wie diejenigen der Beleidigung, üblen Nachrede, des Aufrufes zu Straftaten usw.

 

Wie weit oder wie streng die einzelnen gesetzlichen Normen, welche das Grundrecht auf Meinungsfreiheit einschränken, ausgestaltet sind, ist Sache des Gesetzgebers und der politischen Mehrheiten. Insoweit kann ich mir selbstverständlich vorstellen, die ein- oder andere Einschränkung und Gesetzesverschärfung zu befürworten. Ich stimme Ihnen insbesondere zu, daß die von Ihnen zitierte Äußerung Yücels oder auch die von Ihnen zitierten Forderungen der schwedischen Jungliberalen, aber auch „Deutschland verrecke“-Parolen oder Befürwortung von Kindesmißbrauch eine Prüfung wert sind, ob die geltende Gesetzeslage in Deutschland ausreicht oder ob eine Verschärfung angebracht wäre, insbesondere, ob es am Gesetzestext liegt, daß Yücel offenbar nicht strafrechtlich belangt wurde, oder an einer zu laschen Auslegung der Gesetze durch die Behörden.

 

Dies bedeutet aber nicht, die Meinungsfreiheit an sich in Frage zu stellen. Ohne die vom Staat grundsätzlich garantierte Meinungsfreiheit, und zwar für alle politischen Lager, wäre eine freie politische und intellektuelle Auseinandersetzung nicht mehr möglich, auch nicht in Schnellroda bzw auf diesem Block. Insbesondere kann ich auch die Forderung nicht teilen, daß „den Zerstörern, die den Volkstod fördern, die Meinungs- und Bewegungsfreiheit entzogen werden“ müsse. Die Folgen einer Umsetzung dieser Forderung mag ich mir nicht vorstellen, auch nicht angesichts wirklich widerlicher Auswüchse dessen, was gesagt werden darf (wie die Äußerungen Yücels zum „Volkstod“ oder zu Harris, Morgenthau und Ehrenburg, bei denen ich – sicher genauso wie Sie – nur Ekel und Abscheu empfinde).

 

Ich bleibe dabei: Eine wirksame politische Veränderung läßt sich nur von freien Ländern und freien Völkern und auf demokratischem Wege herbeiführen und nicht durch Beseitigung wichtiger Freiheiten, schon gar nicht die Beseitigung der Meinungsäußerungsfreiheit für einzelne Personen oder Personengruppen.

 

 

 

Cacatum non est pictum

6. März 2017 21:05

@Rabenfeder

Nun, ich habe zumindest teilweise recht intime Einblicke in vermeintlich oder tatsächlich fremde Welten nehmen dürfen (oder müssen?). Ich möchte, trotz aller Probleme, keine meiner Erfahrungen missen. Wichtige Kontrapunkte zur bestimmenden deutschen Melodie! Wenn allerdings Millionen Kontrapunkte jedes Thema zu einem kakophonischen Lärm (kann man das so sagen?) zersetzen, dann klingelt es auch in meinen Ohren, wenn sie verstehen, was ich meine.

Ich glaube zu verstehen, was Sie meinen, und dagegen ist tatsächlich nichts einzuwenden. Es ist immer fruchtbar, über den Tellerrand zu blicken. Aber das Problem unserer Tage - Sie haben es selbst erkannt - besteht eben darin, dass die "bestimmende Melodie" langsam verstummt. Sie mag hier und dort noch laut ertönen, aber vielerorts wird sie bereits von fremden kakophonischen Einflüssen aufgezehrt. Es wäre das Gebot der Stunde, einen guten Teil der Fremdtöne wieder abzustoßen und dafür zu sorgen, dass sich die ursprüngliche Melodie regenerieren kann.

@Der Feinsinnige

Es geht nicht um die Alternative Rettung unseres Kontinents ODER Demokratie und Meinungsfreiheit, sondern darum, daß eine andere Politik nur dann funktionieren kann, wenn sie von einer breiten Mehrheit getragen wird, was Demokratie und Meinungsfreiheit voraussetzt.

Dieses ist das wünschenswerte Szenario für unser Land: ein politischer Umschwung, getragen von einer satten Bevölkerungsmehrheit, ins Werk gesetzt unter Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien. Es wäre schön, wenn wir unser Land so an unsere Kinder übergeben könnten. Indes: Mein Glaube daran schwindet Tag für Tag.

Das in Deutschland - mit voller Absicht und ohne jede politische Notwendigkeit - aufgetürmte Konfliktpotenzial ist gewaltig. Wenn die letzte Säule unseres Zusammenhalts wegbricht, der materielle Wohlstand, wird sich jenes Potenzial entfalten und dieses Land in den Abgrund reißen. Dann ist es mit der Demokratie ohnehin vorbei. Vor Eintritt einer solchen Notlage wird der Großteil der Menschen zu behäbig bleiben, um entsprechende politische Richtungswechsel zu erzwingen. Wir werden also entweder einen Zusammenbruch der Demokratie mit ungewissem Ausgang erleben, oder eine autokratische Regierung mit nationaler Ausrichtung reißt vorher das Steuer an sich. Um eine robuste staatliche Ordnung zu etablieren, wird sie dann teilweise den Rahmen des Verfassungsrechts sprengen müssen.

Das klingt vielleicht arg pessimistisch, aber ich kann mir derzeit kein anderes Szenario vorstellen. Und dass es für die Ausübung politischer Macht auf eine deutliche Mehrheit im Volk ankommt (ob mit oder ohne vorangegangene Revolution), ist so nicht richtig. Schauen Sie sich die Burenherrschaft des 20. Jahrhunderts in Südafrika an. Oder die Unterdrückung der schiitischen Volksmehrheit im Irak unter Saddam. Da haben ethnische Minderheiten brutal den Ton angegeben. Das sollte uns alle nachdenklich stimmen ...

Der Feinsinnige

6. März 2017 21:33

Ein Nachsatz zu meinem soeben gesendeten Kommentar @Der Jürgen zum Thema Meinungsäußerungsfreiheit:

Sollte nicht das Ziel viel eher sein, den Yücels etc. ihr Publikum durch Überzeugungsarbeit zu entziehen, so daß denen freiwillig kaum einer mehr zuhört bzw. sie ernst nimmt, als die Meinungsäußerungsfreiheit zu beschränken zu wollen?

Harding

6. März 2017 23:48

Ich finde das mit Herrn Erdogan ziemlich unterhaltsam und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Was haben denn unsere Bundesmoralweltmeister von Ihm erwartet?

Wenn demnächst jemand zu mir sagt, dass alles was ich von mir gebe ja völlig "Nazi" klingt, werde ich kontern: "Du sprichst ja wie der Herr Erdogan!"

Jürg_Jenatsch

7. März 2017 00:11

 @ Der Feinsinnige. Sie liegen politisch falsch. Bismarck hätte es so ausgedrückt, daß Sie nichts von Politik verstünden. Was nicht bedeutet, daß Ihre Ansicht unhonorig wäre. Sie ist nur unter bestimmten Rahmenbedingungen unangebracht. Schon immer hat die jeweilige Macht den Rahmen der erlaubten Meinungsäußerungen bestimmt. Dies tut auch die BRD. Wer dagegen verstößt wird entweder strafrechtlich zur Verantwortung zur Verantwortung gezogen, oder in minderschweren Fällen gesellschaftlich, psychologisch und sozial geächtet. In manchen Fällen komplett ostraziert und man verliert Frau und Kinder, wenn diese den Anfeindungen nicht standhalten. Was den sympathischen Zeitgenossen D.Y. angeht, so schließe ich mich den meisten Vorkommentatoren inhaltlich an. Immerhin muß er die Gegenwart der mißgelaunten deutschen Besserwisser nicht mehr etragen und kann die volle Gastfreundschaft seiner türkischen Landsleute genießen. @Utz Auf diesen interessanten Gedanken, hinsichtlich den Auswirkungen der neuen Volksdefinition durch die bekannte Staatsrechtlerin Fr. Dr. Merkel bin ich noch nicht gekommen. So gesehen, hat die Defintion einen gewissen Charme.

 

Der_Jürgen

7. März 2017 09:52

@Der Feinsinnige @Jürg Jenatsch @Caccatum non est pictum

Ihnen allen dreien Dank für Ihre Wortmeldungen. So stelle ich mir eine Debatte unter zivilisierten und intelligenten Menschen vor. Inhaltlich schliesse ich mich Jenatsch und Caccatum non est pictum an, anerkenne die Meinung des Feinsinnigen aber als hundertprozentig honorig.

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