wer sehenden Auges das Unheil zur Tür hereinbitten, wer sich freiwillig in den Abgrund stürzen wollen? Wahlergebnisse, Prognosen und Gespräche im beruflichen und privaten Umfeld zeigen allerdings: Es sind nicht wenige, die nichts dabei finden, all dies zu tun. Nennen wir sie „die Einverstandenen“.
Die Einverstandenen aber sind keine homogene Masse, sie lassen sich unterteilen in verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Motivationslagen. Die gilt es zu ergründen, denn nur so gewinnen wir Aufschluß, ob unter den Einverstandenen sich vielleicht welche finden, die rechtzeitig noch zu „nicht Einverstandenen“ werden können. Hier also unsere elf Motivationsgruppen der Einverstandenen:
Die Desinteressierten: Weil „die da oben“ ohnehin machen, was sie wollen, ist die Bereitschaft, sich um Politik zu kümmern, Stellung zu beziehen und dafür eventuell Nachteile in Kauf zu nehmen, wenig ausgeprägt. Fatalismus angesichts der gefühlten Machtlosigkeit? Schicksalsfragen lassen sich immer auch anders beantworten.
Die Vergeßlichen: Man könnte sie auch die Verdränger nennen, denn Ereignisse wie die Kölner Silvesternacht oder das Berliner Weihnachtsattentat werden von ihnen am liebsten verdrängt, da sie das eigene Selbstverständnis bedrohen. Reduziert sich die Ereignisdichte, fällt das Vergessen leichter. Diese Menschen werden erst dann wach und erreichbar, wenn wieder etwas passiert. In der Zwischenzeit möchten sie lieber an nichts erinnert werden. Man kann sie aber erinnern – wieder und wieder.
Die Wohlmeinenden: Sie sehen in der Massenzuwanderung vor allem das Menschliche und verstehen jeden, der seine Lage verbessern möchte. Das ist prinzipiell auch verständlich – die Flucht vor Krieg, Hunger und Not zählt zu den nachvollziehbarsten Motiven überhaupt. Man sollte allerdings die Folgen für die Aufnahmegesellschaft nicht aus dem Blick verlieren. Auch hier gibt es schließlich Menschen, die sehr viel zu verlieren zu haben, denen alles genommen werden könnte. Vielleicht gehören der Wohlmeinende und die Seinen am Ende dazu?
Die Beschwichtiger: Man warnt davor, die Dinge zu sehr zu dramatisieren – diese Gesellschaft, dieser Staat, diese Wertegemeinschaft ist stark genug und kann das alles und noch viel mehr verdauen. Im Grunde ein eher konservativer Menschenschlag, durchaus erreichbar für rationale Argumentation. Man mache ihm einfach mal die Gegenrechnung auf.
Die Profiteure: Wer wird schon an dem Ast sägen, auf dem er sitzt? Die ganze Bandbreite der Flüchtlingsindustrie von den Sozialverbänden bis zur Bauindustrie ganz sicher nicht – man lebt davon und würde niemals wider das eigene Geschäftsmodell handeln oder auch nur ein schlechtes Gewissen zeigen. Diese grundsätzliche Blindheit gegenüber den Folgen ist in allen Zweigen der Wirtschaft weit verbreitet. Der Versuch eines rationalen Gesprächs scheitert meist am Starren auf den kurzfristig realisierbaren Profit. Doch was, wenn langfristig ein höherer Profit winken würde? Profit schlägt Profit – immer.
Die Überzeugten: Die 150%igen hat es immer und in allen Systemen gegeben. Man muß schon sehr starke Nerven haben, will man sich auf Diskussionen einlassen oder auf der Gegenseite gar so etwas wie Einsicht erreichen. Es sei denn, man findet doch irgendeine Gemeinsamkeit, von der aus sich dann eine andere Perspektive eröffnet.
Die Rechtfertiger: Es gibt Menschen, die haben die Moral gern stets auf ihrer Seite – selbst dann, wenn diese Moral sie in den Abgrund treibt. Man rechtfertigt die Massenzuwanderung mit dem Kolonialismus, mit der fortgesetzten Ausbeutung durch den Westen, mit der bösen Vergangenheit insbesondere Deutschlands. Warum und wie kann diese Person mit der Schande der eigenen Existenz überhaupt noch weiterleben? Entweder reicht man jetzt einen Strick – oder die Hand.
Die Ängstlichen: Man spürt, daß es nicht opportun ist, gegen die Alternativlosigkeit der Massenzuwanderung zu sein. Also läßt man es lieber, denn es könnten Nachteile drohen – man könnte Freundschaften gefährden oder den Arbeitsplatz verlieren. Doch gäbe es nichts Schlimmeres? Man muß nicht einmal Ängste gegen noch größere Ängste ausspielen. Es reicht, an die Moral der Bremer Stadtmusikanten zu erinnern.
Die Distanzierer: Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, und eine Position, die als „rechts“ gilt, niemals im Recht sein darf, verschließt man lieber die Augen vor dem allzu Offensichtlichen und bringt sich selbst auf gehörigen Abstand. Dieser zwanghafte Drang zum Distanzaufbau geht oft mit Denunziantentum einher und ist einerseits auf die öffentliche Wirkung, andererseits auf die Verletzung des Distanzierten/Denunzierten berechnet. Man halte sich fern.
Die Zyniker: Was ist denn so schlimm daran, wenn alles ein wenig bunter wird? Unsere Frauen sollten sich mal nicht so anstellen. Und sind nicht alle Kulturen irgendwann untergegangen? Die weitaus unangenehmste Sorte unter den Einverstandenen und auch für Friedfertige eine stete Herausforderung der Selbstbeherrschung.
Die Hasser: Der Selbsthaß und der Haß auf das Eigene lassen eine ungeheure Zerstörungswut in ihnen anwachsen. Die Ursache wird irgendwo in der frühen Kindheit (Liebesentzug) liegen – vielleicht hilft es, sie mit Teddybärchen zu bewerfen? Umarmen allerdings möchte man sie nicht so gern.
Gewiß gibt es Überschneidungen, natürlich bleiben diese Charakterisierungen holzschnittartig und entbehren der Details. Und selbstverständlich ließe sich eine ähnliche Zeichnung auch mit Blick auf andere Lagen anfertigen. Das will auch nichts Endgültiges, sondern nur eine Anregung sein, die Zielgruppe, um die wir uns zu bemühen haben – um nichts anderes geht es hier – einer eingehenden Betrachtung zu würdigen. Wo müßte man ansetzen – und vor allem: wie?
Denn die Einverstandenen sind (mit Ausnahme vielleicht der drei zuletzt genannten Gruppen) nicht notwendig die auf immer und ewig Unzugänglichen, die Verlorenen. In keiner der skizzierten Gruppen sind Bergstürze zu erwarten, doch Erosionsprozesse finden ganz sicher statt. Erosionsprozesse aber lassen sich beschleunigen. Diesen Erosionsprozess nach Kräften zu fördern, kann sich jeder hier zur persönlichen Aufgabe machen – die Möglichkeiten sind da.
Hesperiolus
Mit Masseneinwanderung "Qualifizierter" so wenig wie "Unqualifizierter" (Kulturfremder!), "zügelloser" so wenig wie mit von Lobbymächten dirigierter einverstanden, davon abgesehen d`accord.