die unter der Schirmherrschaft des Bundesministers für Kunst und Kultur stand und vom Erzbischof von Wien, Christoph Kardinal Schönborn, offziell abgesegnet wurde. Eröffnet hatte sie Francesca von Habsburg, eine mächtige Figur der internationalen Kunstmafia. Staat, Kirche und Spitzen der Gesellschaft hatten damit einer Veranstaltung Rückendeckung gegeben, die erstmalig den Raum eines Sakralgebäudes für ein säkulares Projekt zweckentfremdete, aus gläubiger Sicht also: entweihte. Unter dem Titel »Leiblichkeit und Sexualität« waren einundzwanzig zeitgenössische Exponate versammelt worden, die quer durch den Kirchenraum verstreut waren. Sie entstammten überwiegend der konzeptuellen Schule und hatten mit dem übergeordneten Thema oft nur entfernt zu tun.
Die Installation »Fliegenglobalisierung« bestand aus sechs von der Decke hängenden Globussen, die mit toten Fliegen bedeckt waren. Eine riesige Stahlspiegel-Skulptur blockierte die Sicht auf den Hauptaltar. Beichtstühle waren zu Guckkästen für Video-Projektionen umgewandelt worden, ebenso ein Glasfenster, auf dem eine Bildschirmmontage in einer Dauerschleife ausgesucht banales Material zeigte. Eine weitere »Installation« kombinierte eine offenstehende Toilettentür mit einem Video von Pipilotti Rist. Besonders apart war das Exponat »Herz der Welt«, ein Harztäfelchen, das mit Asparagus-Blättern beklebt wurde, die ein Gebilde formten, das verdächtig nach einem Schamdreieck aussah. Bingo: Die Künstlerin bezeichnete ihr Werk ausdrücklich als »Referenz« an Gustave Courbets berüchtigtes Gemälde »Der Ursprung der Welt«. Dieses Werk wurde nun auf einem Verkündigungsaltar ausgestellt, vor den Augen des wie immer ja und insbesondere amen sagenden Erzbischofs. Wie Charles Péguy einmal schrieb: Einige der größten Feigheiten werden aus Angst begangen, nicht progressiv genug zu erscheinen.
Fuchs und ich waren also an diesem Ort des Grauens durch den Kurator des Spektakels, einen jungen, etwas exzentrischen Australier, zusammengeführt worden. Wir hatten beide ihm gegenüber eine nahezu identische Kritik an der Ausstellung geäußert, und der Übeltäter, scheinbar von Gewissensbissen geplagt, wollte zumindest so fair sein, auch die Gegenstimmen anzuhören. Unser Hauptkritikpunkt war, daß unabhängig von der künstlerischen Qualität der Werke der sakrale Raum in seiner Würde verletzt, mißbraucht und profaniert worden war: Ein Gebetshaus ist kein Museum. Für mich fel dabei allerdings auch die Tendenz und die Minderwertigkeit der meisten Exponante schwer ins Gewicht. Keines davon konnte als Sakralkunst bezeichnet werden, auch wenn einige Anleihen an religiöse Ikonographien machten. Sie waren mit wenigen Ausnahmen entweder fadenscheinig oder trivial, ironisch oder makaber, langweilig oder, wenn das Wort noch erlaubt ist, häßlich. Alles in allem sind das Kategorien, die in Zeiten der palavernden Kunstkatalogscholastik kaum eine Rolle mehr spielen. Michael Klonovsky bemerkte dazu listig: »Die moderne bildende Kunst ist von einzigartiger Qualität; keinem ihrer Vertreter ist je ein mißratenes Werk unterlaufen.«
»Ihr beiden habt alle, wirklich alle gegen euch«, sagte der Kurator bei einem gemeinsamen Kaffee. In seinem Tonfall schwang ein gewisser Respekt mit. »Die Politiker, die Stadtgemeinde, der Kardinal, die Presse, die VIPs im Kunstbetrieb.« Und tatsächlich gab es auch kaum jemanden, der sich zu einem nennenswerten Protest gegen die sakrilegische Ausstellung aufschwang. Mit Ausnahme einiger versprengter Querulanten wie mir und kleiner Grüppchen traditionalistisch orientierter Katholiken, die von der Erzdiözese in der Regel ignoriert werden.
Auch unser Protest versandete folgenlos. Immerhin hatten sich daraus einige fruchtbare Gespräche ergeben. Fuchs lud mich daraufhin zu einem Besuch in sein Atelier ein. Dieses war hauptsächlich mit Porträts und leuchtenden Stilleben im altmeisterlichen Stil gesäumt, darunter einige gelungene Trompe‑l’œil-Malereien sowie eine Handvoll Akte und Bilder mit religiösen Motiven. Einen besonders starken Eindruck hinterließ bei mir, wie bei den meisten Betrachtern, das imaginäre Porträt des hl. Franz von Assisi. Fuchs malte ihn als jungen, schönen Mann in einer schwarzen Kutte, umhüllt von einem mystischen Dunkel, dessen Blick den Betrachter fxiert: einerseits streng, asketisch und herausfordernd, erfüllt von einer stillen Glaubensglut, andererseits voller Sanftheit und Güte. Einmal im Bann dieses Bildes, fällt es schwer, sich wieder loszureißen.
Die Malerei liegt Clemens Fuchs, geboren am 11. März 1982 in Wien, offenbar im Blut: Seine Eltern, Cornelia und Michael Fuchs, sind beide akademische Maler, sein Großvater ist der berühmte »phantastische Realist« Ernst Fuchs. Seit 2006 arbeitet Fuchs als freischaffender Künstler in Wien, Klosterneuburg und Florenz, wo er in den »Charles H. Cecil Studios« Porträt- und Aktmalerei unterrichtet. Die Hinwendung zur gegenständlichen Malerei und zur damit engverbundenen Betonung des »Alphabets« der altmeisterlichen Techniken ist für Fuchs mehr als nur eine Geschmacksfrage oder eine private Herzensangelegenheit. Sie ist für ihn vor allem auch religiös begründet: als katholischer Christ ist ihm die sichtbare Welt Ausdruck des göttlichen Schöpfungswillens, ganz im Sinne der Worte des Buches Genesis: »Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.« Daraus folgt auch der verpflichtende Glaube an die Existenz einer objektiven Wahrheit. Der Mensch als Geschöpf Gottes ist auf Erden zu einer Mission berufen, weshalb Fuchs’ Porträts den Akzent stark auf das geistige Sein des Menschen legen. Die Ausrichtung auf Gott reduziert den subjektiven Pol des künstlerischen Schaffensprozesses, der sich in der Moderne derart hypertroph entwickelt hat, daß er die Kunst an den Rand ihrer Selbstauslöschung gebracht hat. Die Malerei darf aus dieser Sicht nicht zum willkürlichen Spiel der Selbstherrlichkeit des Künstlers verfallen, sondern sie muß sich den wirklichen Dingen zuwenden und deren So-Sein sichtbar machen. Der Künstler darf, selbst wenn er ungläubig ist, den bejahenden Kontakt zur Schöpfung und zur Seele der Dinge nicht verlieren. Fuchs hofft, daß dieser Weg in beide Richtungen gangbar ist, daß nicht nur Inhalte Formen, sondern auch Formen Inhalte und Orientierungen schaffen können. Er träumt von einer Renaissance der altmeisterlichen Tradition, die zugleich auch die Bahn frei machen könnte für eine erneute Hinwendung zu einer christlichen Seinsordnung, in der Schönheit und Wahrheit eins sind.
Damit ist Fuchs ein geistiger Bruder des Schriftstellers Martin Mosebach – wie er ein glühender Anhänger des tridentinischen Ritus –, der in seinem Buch Häresie der Formlosigkeit schrieb: »Ich bekenne mich zu der naiven Schar, die aus der Oberfläche, der äußeren Erscheinung auf die innere Beschaffenheit und womöglich Wahrheit oder Verlogenheit einer Sache schließt.« Was dies ästhetisch bedeutet, wird vielleicht auch im Kontrast zu der eingangs geschilderten Kirchenschändung deutlich: Das Groteske, Ironische und Dekonstruktivistische mag in der Kunst seinen Platz haben, es bleibt dem Sakralen feindlich und kann daher kein Heil hervorbringen. Auch die Links-Rechts-Querelen der Politik hält Fuchs aus religiöser Sicht für irrelevant: Eine Gesellschaft, der ein richtiges Gottesbild fehle, sei zum Untergang verdammt. In der Tat: Wer so denkt wie er, hat heute alle Welt gegen sich, die es vorzieht, sich gegenüber der Rede von der Seele hartnäckig taub zu stellen.