Paris steht zum zweiten Mal seit den Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitung Charlie Hebdo Anfang Januar des Jahres unter Schockstarre. Diesmal haben islamistisch motivierte Terroranschläge, die an verschiedenen Orten verübt wurden, fast 130 Todesopfer gefordert. Die Verlautbarungen, die bei Anlässen wie diesen in Umlauf gebracht werden, spannen sich von Solidaritätserklärungen über Betroffenheitsrituale bis hin zur Bekräftigung, »Schulter an Schulter« gegen den internationalen Terrorismus kämpfen zu wollen. So ist es auch diesmal.
Die mittlerweile abgenutzte Fertigteilsprache (Merkel: »Angriff auf die Freiheit meint uns alle«) führt zu rein gar nichts mehr, und diejenigen, die den naheliegenden Zusammenhang mit der sogenannten »Flüchtlingskrise« ziehen, gelten als schäbige Profiteure der Lage und rechte Scharfmacher. Und doch dürfte nun wohl auch dem letzten schlagartig klargeworden sein, wie riskant die Politik der offenen Tür ist, die die Regierung Merkel seit Monaten wider alle Vernunft aufrechterhält.
Etliche angebliche »Schutzsuchende« sind in Deutschland in den letzten Monaten unregistriert untergetaucht. Wieviele IS-Sympathisanten oder ‑Aktivisten unten ihnen sind und was sie in Deutschland bzw. Europa planen, darüber kann nur gemutmaßt werden. Bezeichnend für diese Situation ist, daß ein mutmaßlicher Terrorist quer durch Österreich fahren konnte, ehe er in Bayern aufgegriffen wurde.
Paris ist deshalb ein Menetekel für Deutschland. Oder doch nicht? Martin Lichtmesz hat in einem Beitrag für das Netz-Tagebuch dieser Zeitschrift (sezession.de) auf einen anderen, denkbaren Hintergrund hingewiesen:
Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland herrschen volksfeindliche Regierungen, die mehr oder weniger offen eine Politik des Bevölkerungsaustausches im großen Maßstab verfolgen. Sie sind nicht nur unfähig und unwillig, ihre Völker und Bürger zu schützen, indem sie etwa die Grenzen bereits dicht machen würden, ehe das Schlachten beginnt, sie bringen sie auch noch durch aktives, offensives Handeln in Gefahr, indem sie wie im Falle Merkel einen Nero-Befehl 2.0 ausgeben und die Schleusen besinnungslos öffnen. Warum sollten solche Staaten und solche Eliten moralisch nicht imstande sein, eine Strategie der Spannung zu verfolgen? Ein »let it happen« ist im Falle des 13. November keineswegs ausgeschlossen. Ein in Panik versetztes, emotionalisiertes Volk ist wie Wachs in den Händen der Machthaber. Und das künftige multiethnische, multikulturelle Europa, innerlich zerrissen von der Politik der Masseneinwanderung und der kulturellen Selbstauflösung, wird auf die Dauer nur durch repressiv-diktatorische Maßnahmen regierbar sein. Der Terror ist ein vorzüglicher Vorwand, diese Kontrollen weiter auszubauen.
Das Schlimme ist, daß wir eine solche Inszenierung oder wenigstens das Kalkül, nicht einzugreifen, sondern den Terror als Baustein zu nutzen, nicht ausschließen können. Ich möchte an dieser Stelle aber dennoch auf etwas anderes hinaus und den Fokus von den Opfern auf die Täter richten, und zwar anhand eines Hinweises auf Francis Ford Coppolas Meisterwerk Apocalypse Now (1979). Mir geht es um jene Szene, in der Colonel Walter E. Kurtz (Marlon Brando) Captain Willard (Martin Sheen) von einem für ihn einschneidenden Erlebnis berichtet:
Wir gingen in ein Lager, um einige Kinder zu impfen. Wir verließen das Lager, nachdem wir die Kinder gegen Polio geimpft hatten. Da kam ein alter Mann hinter uns hergelaufen, und er weinte … Wir gingen in das Lager zurück. Sie waren inzwischen gekommen und hatten jeden geimpften Arm einfach abgehackt. Sie lagen auf einem Haufen … Und ich erinnere mich, wie ich schrie, ich weinte wie ein altes Waschweib. Ich wollte mir die Zähne herausreißen, wußte nicht mehr, was ich tun sollte.
Dann aber läßt Kurtz die Betroffenheitsebene schlagartig hinter sich; es setzt sich eine andere Sichtweise durch, die das Psychogramm der »Täter« fokussiert:
Und dann war mir, als würde ich durchbohrt, durchbohrt von einer diamantenen Kugel, direkt durch die Stirn. Und ich dachte, mein Gott, diese Schöpferkraft, dieses Genie, dieser Wille, das zu vollbringen. Vollkommen, unverfälscht, vollendet, kristallen, makellos. Und dann wurde mir klar, daß sie viel stärker als wir waren. Weil sie alles ertragen konnten. Das waren keine Ungeheuer, sondern geschulte Einheiten … Daß sie die Kraft haben, die Kraft, das zu vollbringen. Wenn ich zehn Divisionen mit solchen Leuten hätte, dann wären wir unsere Sorgen hier rasch los. Denn dazu gehören Männer, die Überzeugungen haben. Und die dennoch imstande sind – ohne Hemmungen, ihre ursprünglichen Instinkte einzusetzen – zu töten. Ohne Gefühl, ohne Leidenschaft.
Feinden dieses Typus steht heute die westliche Welt gegenüber, das zeigen die Anschläge von Paris nochmals in aller Deutlichkeit. Die Auftraggeber dieser Terroristen wissen, daß der Einsatz des eigenen Lebens den Schrecken auf der Feindseite erhöht, vor allem aber, siehe oben, daß diese Art von Attentat die eigene bedingungslose Entschlossenheit, die eigene Überzeugung brutal zum Ausdruck bringt.
Ich sage bewußt Auftraggeber, weil etliche der Selbstmordattentäter, die auch aus Europa kommen, aus Sicht der IS-Drahtzieher bestenfalls eine kostengünstige Alternative zu einem Lenkflugkörper darstellen. Diese Attentäter sind vielfach erst nach Wochen oder Monaten massiver Indoktrination für derartige Kommandos bereit. Von europäischen IS-Rückkehrern wissen wir auch, daß man insbesondere ihnen mit Mißtrauen begegnet, weil sie »Spione« sein könnten.
Die demokratischen Gesellschaften des Westens sind von der Warte dieser Drahtzieher aus ideale Ziele; sie sind am verletzlichsten und eröffnen mit dem Einsatz des taktischen Mittels Selbstmordattentäter einen Weg, dem strategischen Ziel, nämlich der langfristigen Sicherung des Terrorstaates IS, näherzukommen.
Es geht den Attentätern nicht darum, die »kritischen Infrastrukturen« westlicher Gesellschaften auszuschalten (Energieversorgung, Informationstechnologien und Telekommunikation, Transport und Verkehr etc.), sondern darum, mit der gezielten Tötung von beliebigen Individuen aus den Reihen des Feindes eine nachhaltige psychologische Wirkung zu erzielen. Das ist ihnen, schaut man auf die laufende Berichterstattung, voll und ganz gelungen.
Auf der Seite der Zielstaaten wirft der Einsatz von Selbstmordattentätern erhebliche operativ-taktische Probleme auf, basieren doch die klassischen Sicherheitskonzepte unter anderem darauf, daß ein Attentäter in der Regel versucht, sein Leben zu retten. Das Verbauen von Rückzugswegen entfällt bei islamistisch motivierten Attentätern. Entsprechend komplex ist der Aufwand, der betrieben werden muß, um diese Aktivisten im Vorfeld zu identifizieren und unschädlich zu machen.
Diesen Sicherheitskonzepten ist in den letzten Monaten durch das ungefilterte Hereindrängen Hunderttausender von Flüchtlingen weitgehend der Boden entzogen worden. Eine größere Zahl potentieller Überzeugungstäter dürfte, um Mao Tse-tung zu zitieren, wie »Fische im Wasser« der Flüchtlingsmassen längst intra muros sein. Die Anschläge in Paris könnten deshalb, je nachdem, wie sich die Lage im Nahen Osten entwickelt, der Anfang einer blutigen Spur durch Westeuropa sein.