Der Antrag wurde inzwischen in einer Telefonkonferenz der Landesvorsitzenden von zwölf Verbänden abgelehnt. Allein Petrys eigener Verband steht noch hinter dem Antrag. Angesichts eines solch vernichtenden Votums mag man es fast für überflüssig halten, sich damit noch näher zu befassen. Politisch ist der Antrag erledigt – als gescheiterter Überrumpelungsversuch sagt er aber doch einiges über die Irrungen und Wirrungen der Frau Bundesvorsitzenden.
Mit seiner systematischen Vernebelung klarer Verhältnisse und seiner gezielten Desorientierungsstrategie steht der Text exemplarisch für ein demagogisches Verwirrspiel, wie es die etablierten Parteien beherrschen, wie es aber mit dem Mut zur Wahrheit, den wir immer von uns behaupten, schlecht zusammengeht.
Vieles in dem Antrag klingt nicht falsch, aber eben auch nicht wirklich richtig. Selbstverständlich wollen wir alle so bald wie möglich relative Mehrheiten in den Parlamenten erreichen – mindestens! Selbstverständlich wollen wir alle uns an unserer schon erfreulich klaren und mit jedem Tag klarer werdenden Programmatik orientieren. Selbstverständlich wollen wir alle so schnell, wie es eben die Verhältnisse erlauben, das Land verändern. Petry konstruiert aus einer Reihe von hochgradig konsensverdächtigen Allgemeinplätzen eine Position, die sie in scharfen Gegensatz zu einer fundamentaloppositionellen Strategie bringt, wobei niemand außer ihr hier einen Gegensatz sehen dürfte.
Die fundamentaloppositionelle Strategie, wie Petry sie sich vorstellt, besteht darin, das Spektrum des politisch Möglichen durch Provokation und bewußte Einnahme „abseitiger Positionen“, die von den Fundamentaloppositionellen selbst nicht ernst gemeint seien sollen (!), so weit nach rechts zu verschieben, daß unsere eigentlichen Ansichten irgendwann als Mitte gelten. Die Fundamentaloppositionellen markieren nach Petry also nur deshalb provokante Positionen, damit sie sich dann umso gemütlicher in die Mitte setzen und als Mitte fühlen können. Reichlich sonderbar.
Diese Interpretation der fundamentaloppositionellen Strategie sagt mehr über Petry als über irgendjemand sonst in der Partei: Drängt sich doch der Verdacht auf, daß sie selbst mit Positionen spielt, die sie nicht ernst meint, um Ziele zu erreichen, die ungenannt bleiben. Der nur schwer erklärbare Versuch, den Nonsensbegriff „völkisch“ zu rehabilitieren, wäre mit einer solchen Strategie zumindest notdürftig erklärbar.
Die Strategie der AfD, wie ich sie verstehe, ist viel einfacher und ehrlicher. Wir nehmen nicht zum Schein abseitige Positionen ein, um dann nach Art eines Billardspiels irgendeine Kugel ums Eck zu treffen. Wir sagen das, was wir denken, was aber nicht gesagt werden darf. Stück für Stück besetzen wir so einen politisch-diskursiven Raum, und zwar nicht, um eine uns genehme perspektivische Standortverzerrung zu erreichen – welch abstruse Vorstellung! -, sondern um zu bleiben.
Wir betreiben also keine Scheinprovokation, wie Petry das, von sich auf andere schließend, unterstellt. Unsere Provokationen sind echt und ernst gemeint. Petry mag sich eines Standpunktes „bedienen“, wir „bedienen“ uns keines Standpunktes, wir nehmen Standpunkte ein. Petrys Gerede von den Standpunkten, derer man sich bedient, offenbart nur ihre eigene Standpunktlosigkeit.
Und dann der „bürgerliche Korridor“, den wir nach Petry nicht verlassen dürfen! Haben wir in Essen nicht beschlossen, daß es für uns keine roten Linien außer der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geben soll? Weshalb also jetzt eine Zone innerhalb dieser Zone abgrenzen? Zwischen dem „bürgerlichen Korridor“, der wohl schwer zu definieren sein dürfte, und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, liegt viel unbesetztes Gelände, weite Korridore von Meinungen, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar sind, aber von der linksliberalen Bürgerlichkeit der BRD zum Niemandsland und zur Todeszone erklärt wurden. Genau dieses politische Brachland müssen wir besetzen! Das ist dann eine geistige Rekultivierungsarbeit, eine Wiederbelegung des demokratischen Meinungsstreits. Nur so halten wir unser Versprechen und setzen eine der Gründungsforderungen der AfD um. Zwischen dem Establishment und den Regionen, in denen der echte politische Extremismus beginnt, liegt unser politischer Raum: weites, noch unbestelltes Gelände!
Bezeichnenderweise verweigert Petry uns Beispiele dafür, welche abseitige Position der Fundamentaloppositionellen genau sie ablehnt. Ich selbst wüßte aus dem Stegreif dafür kein Beispiel zu geben, und das sollte einen bedenklich stimmen. „Raus damit, Frauke Petry! Butter bei die Fische!“ mag man ausrufen wollen!
Ich kann mich jedenfalls noch an Zeiten erinnern, da lag für Frauke Petry der Begriff „Islamisierung“ oder ein Bündnis mit dem Front National jenseits ihres „bürgerlichen Korridors“. Aber das war, bevor sie mit Wilders und Le Pen aufgetreten ist. Wer nun denkt, sie würde langsam doch zu grundsätzlichen Positionen finden, der irrt. Während sie vor wenigen Monaten noch den Begriff „völkisch“ rehabilitieren wollte, will sie nun in Köln eine Stellungnahme gegen „völkische Ideologien“ ins Programm schreiben, was auch immer sie darunter verstehen mag. Inhaltlich flexibel, ganz vorsichtig ausgedrückt.
Der „bürgerliche Korridor“ ist ein gefühltes Spektrum. In seiner Mehrdeutigkeit bietet er herrliche Möglichkeiten, eine Partei zu disziplinieren, frei nach der Maxime: Wo der „bürgerliche Korridor“ endet, bestimmt die Vorsitzende! So ein bürgerlicher Korridor ist, wenn man’s recht bedenkt, eine sehr praktische Allzweckwaffe im tagtäglichen Machtkampf.
Petry versteht das fundamentaloppositionelle Anliegen nicht, vielleicht will sie es nicht verstehen, in jedem Fall liefert sie ein Zerrbild, das sie braucht, um sich als Retterin von Partei und Vaterland in Szene setzen zu können.
Auch sind die Grünen keinesfalls unser Vorbild, wie Petry es uns in einer nur scheinbar wohlwollenden Wiedergabe unseres Standpunkts unterstellt. Die Grünen sind keine Erfolgsgeschichte: Sie haben als Friedenspartei und als Umweltpartei begonnen und sind als giftgrüne Kriegspartei geendet, die sich von der CDU nur dadurch unterscheidet, daß sie ein und dieselbe Entgrenzungsideologie mit besonderem Fanatismus und einem besonderen inquisitorischen Eifer vertritt. Die Grünen haben all ihre Ursprungsideale verkauft. Und gerade das wollen wir ja nicht, und am allerwenigstens wollen dies diejenigen, die Petry meint, wenn sie von den Fundamentaloppositionellen spricht.
Außerdem sind die Grünen viel langsamer gewachsen als die AfD. Unsere Erfolgsgeschichte ist ohne Beispiel und verbietet alle historischen Vergleiche, sei es mit den Republikanern, sei es mit den Grünen.
Diese ganze Dramatisierung, die Warnung vor dem angeblichen Irrweg der Fundis, die dann die Frage nach einem tauglichen Strategiekonzept erst sinnvoll erscheinen läßt, wirkt allein deshalb sehr künstlich und verstiegen, weil wir gar kein neues Erfolgsrezept brauchen:
Unser altes Erfolgsrezept hat sich glänzend bewährt, hat es uns doch 2016 mit zweistelligen Ergebnissen in fünf Landtage in Ost und West gebracht. Weshalb das in Frage stellen? Mit Gauland: Die AfD ist gut so wie sie ist!
Petry fordert jetzt einen Strategiewechsel, weil sie 2021 mitregieren will. Dabei verbürgt nur eine Fortsetzung unseres bisherigen Erfolgskurses den Machtzuwachs, den wir brauchen, um unsere Politik irgendwann in einer Regierung durchsetzen zu können. Das muß auch Petry wissen. So drängt sich der Verdacht auf, daß es ihr gar nicht um das Fernziel geht, sondern um den Kurswechsel hin zu einer AfD nach den Vorstellungen der CDU, und zwar möglichst rasch.
Petry erklärt, sie wolle mit ihrer Gegenstrategie vor allem ehemalige Wähler der CDU gewinnen, aber auch solche anderer etablierter Parteien. Nichtwähler kommen in ihrer Strategie nicht vor – ein großer Fehler. Es waren es doch vor allem die Nichtwähler, die in Sachsen-Anhalt die AfD zur größten Oppositionsfraktion gemacht haben.
Petry setzt nicht auf die Zornigen und nicht auf die Suchenden, die in Parteien jenseits des etablierten Spektrums unterwegs waren, weil sie schon früh erkannt haben, daß der etablierte Betrieb nichts taugt. All diese Gruppen blendet Petry aus. Sie setzt nicht auf die wild Entschlossenen, sondern auf die nur leicht Unzufriedenen, auf die wankelmütigen Wechselwähler, die mal CDU, mal FDP, mal SPD und jetzt vielleicht AfD wählen, wie sie die Automarke wechseln oder das bevorzugte Urlaubsziel
Der Wechselwähler aber ist ein scheues Reh, das man nicht mit zu viel Lärm verschrecken, sondern klug in die Fall locken muß. Er ist nicht zu vernachlässigen. Wer sich aber nur auf ihn fokussiert und die Nicht- und Anderswähler außer Acht läßt, der führt die AfD nicht zu relativen Mehrheiten, sondern zu einstelligen Wahlergebnissen, die mit etwas Glück über der Fünf-Prozent-Hürde liegen.
Meinte Petry es ehrlich, könnte man ihr ein zu statisches Denken vorwerfen. Da ist ein Korridor, in dem sich von links nach rechts die Parteien erstrecken, und wieviel Erfolg einer hat, hängt davon ab, wie er sich streckt und stellt.
Ich will diesem Denken ein dynamisches Modell entgegensetzen. Danach hat nur derjenige wirklich durchschlagenden politischen Erfolg, der mit geradem Rücken seinen Weg geht, der Konfrontationen mit der Presse in Kauf nimmt, der Vertreter des Establishments irritiert und dabei immer er selbst bleibt. Der also gerade nicht zum Schein provoziert, sondern mit Notwendigkeit, weil das, was er denkt, geächtet ist. Er ist dabei kein Paria, kein Gescheiterter, zu dem zu wenige Vertrauen fassen würden. Er schwört der Bürgerlichkeit nicht ab, setzt aber der linksliberalen BRD-Bürgerlichkeit eine andere, eine ältere, eine deutsche Bürgerlichkeit entgegen, eine Bürgerlichkeit aus eigenem Recht, die dem Establishment den Spiegel vorhält und zur Erkenntnis seiner eigenen Verkommenheit zwingt.
Wer so handelt, der mobilisiert zunächst die größte Fraktion unter den Staatsbürgern, die Nichtwähler, und wird darüber so attraktiv, daß er diejenigen, die jetzt noch etablierte Parteien wählen, zum Umdenken bewegt. Und genau darauf kommt es an: Zum Umdenken bewegen! Es kommt gerade nicht darauf an, den zaudernden CDU-Wähler nach Sozialarbeitermanier dort abzuholen, wo er steht, sondern so attraktiv zu sein, daß der zaudernde CDU-Wähler, von unserem Beispiel inspiriert, den Mut faßt, von alleine zu uns zu kommen.
Ein Irrglaube, man könne etwas verändern, indem man sich anpaßt! Wir verändern nur dann etwas, wenn wir andere dazu bringen, daß sie sich uns anpassen. Allein dieser Erfolg und allein diese Veränderung sind bleibend. Für diesen Stil stehen Charakterköpfe wie Höcke, Poggenburg, Gauland, Kalbitz, Meuthen, Bystron, Maier, Reichardt und viele andere. Sie begeistern die Menschen, sie haben große Erfolge erkämpft und sie werden das auch in Zukunft tun. Und genau das ist unsere Strategie und unser Erfolgsrezept.
Es gibt keinen Scheideweg „Entweder Fundamentalopposition oder Realpolitik“! Unser Weg führt vielmehr von der Fundamentalopposition hin zu einer echt alternativen Realpolitik. Nur wenn wir glaubwürdig, sachlich und prinzipienfest Fundamentalopposition sind, werden wir so stark, daß wir real Politik machen können. Wer dagegen meint, sich heute gegen die Fundamentalopposition zugunsten der Realpolitik entscheiden zu müssen, der will gar keine alternative Realpolitik, der will nur in einer Regierung mit von der Partie sein. Petry würde darauf wohl etwas erwidern, das sich ungefähr so anhören würde: „Niemand hat die Absicht, aus der AfD eine CDU 2.0 zu machen!“
Petry will sich mit ihrem Zukunftsantrag einen Argumentationsrahmen schaffen, der ihr die Möglichkeit bietet, alle, die es mit dem Projekt einer echten Alternative ernst meinen, zu erledigen, der sie selbst aber wiederum auf rein gar nichts festlegt. Der Text strotzt vor Mehrdeutigkeiten, Unverbindlichkeiten und dehnbaren Korridoren. Sicher dürfte hier nur eines sein: Klonovsky hat diesen Antrag nicht geschrieben.
Solution
Danke für diese gute Klarstellung. Ich bin einer jener AfD-Mitglieder, die sich intensiv mit dem "völkischen" Gedanken auseinandersetzen. Ich halte ihn für grundsätzlich richtig. Ich bin auch einer jener AfD-Mitglieder, die für den Fall der Fälle den Austrrittsbrief ohne Datum in der Schublade liegen haben.
Petry und Co müssen weg. Wir sollten jetzt, wie bei Lucke, eine klare Trennung vollziehen. Ist der Einzug in den Bundestag mit 5+x Prozent wirklich so wichtig, daß man seine Grundsätze verrät? Wer sagt übrigens, daß eine Höcke-AfD nicht auch über die 5%-Hürde kommt?
Seien wir realistisch: Das Zeitfenster für eine gerade noch wirksame Kurskorrektur in der Überfremdungsfrage ist so gut wie zu. Hier nur auf eine Partei als Lösung zu setzen, wäre Unsinn. Die AfD kommt zu spät. So oder so. Deshalb ist es zwar wichtig, die AfD zu unterstützen, doch nur als eine rechte Partei mit klaren Grundsätzen. Wenn die Deutschen in absehbarer Zukunft in der Minderheit sein werden, wird man wissen, was die AfD gebracht hat.