Hudson und der “Finanzsektor”

Auf den US-Ökonomen Michael Hudson bin ich durch dessen Buch "Super Imperialism" aufmerksam geworden, er sucht darin die Entwicklung des US-Imperialismus nach der Ersten Weltkrieg zu analysieren.

Michael Wiesberg

Michael Wiesberg ist Lektor und freier Publizist.

“Super­im­pe­ria­lis­mus” ist ein Ter­mi­nus tech­ni­cus, der der mar­xis­ti­schen Theo­rie­bil­dung zuzu­rech­nen ist. Und in der Tat ist Hud­son, der gern damit koket­tiert, der Paten­sohn von Leo Trotz­ki zu sein, als Mar­xist zu qua­li­fi­zie­ren, was ihn aller­dings nicht dar­an hin­der­te, als Finanz­ana­lyst und Bera­ter an der Wall Street zu arbei­ten. Einen Namen mach­te sich der “Occu­py Wall Street”-Sympathisant Hud­son, als er in einer Titel­ge­schich­te für Harper’s Maga­zi­ne 2006 auf das dro­hen­de Plat­zen der Spe­ku­la­ti­ons­bla­se im US-Immo­bi­li­en­markt und die dar­aus resul­tie­ren­den Fol­gen auf­merk­sam machte.

Hud­son arbei­tet in “Super Impe­ria­lism” die Kern­aspek­te des mone­tä­ren Kapi­ta­lis­mus der USA her­aus. Nach dem Zwei­ten Welt­krieg zunächst in der Rol­le des inter­na­tio­na­len Kre­dit­ge­bers, der die Regeln des Welt­han­dels auf Kos­ten ande­rer Län­der dik­tier­te, sahen sich die Ver­ei­nig­ten Staa­ten durch ihre Krie­ge inter­na­tio­nal bald in der Rol­le des Schuld­ners. Wie, und die­se Fra­ge steht im Zen­trum des Buches, ist es den USA den­noch gelun­gen, ihren Hege­mo­nie­sta­tus auf­recht­zu­er­hal­ten, hat­te die­ses Dilem­ma doch schon zum Nie­der­gang des Bri­ti­schen Empires geführt?

Die Ant­wort lau­tet gemäß Hud­son, daß es den USA gelang, inter­na­tio­nal eine Art dop­pel­ten Stan­dard durch­zu­set­zen: Mit Blick auf die Ent­wick­lungs­län­der tra­ten die USA als Gläu­bi­ger auf. Die US-Außen­po­li­tik bis hin zur Ent­wick­lungs­hil­fe war dar­auf abge­stellt, die öko­no­mi­sche Ent­wick­lung der Drit­ten Welt zu hem­men, und zwar ins­be­son­de­re in den­je­ni­gen Berei­chen, von denen die USA befürch­te­te, daß sie in Kon­kur­renz zur eige­nen Wirt­schaft tre­ten könnten.

Die Öko­no­mien Euro­pas und Asi­ens hin­ge­gen wur­den von den USA in bei­spiel­lo­ser Art und Wei­se mit den Mit­teln der Schuld­ner­po­si­ti­on domi­niert. Bis dahin galt es als Axi­om der Geo­po­li­tik, daß das Absin­ken in einen Schuld­ner­sta­tus mit dem Ver­lust impe­ria­ler Ambi­tio­nen ein­her­geht. Mit der Auf­ga­be der Gold­bin­dung des Dol­lar durch US-Prä­si­dent Nixon Mit­te August 1971 wur­den, so Hud­son, die Kriegs­aus­ga­ben der USA zu einer Art vir­tu­el­len Steu­er für Aus­län­der; aus­län­di­sche Zen­tral­ban­ken finan­zier­ten nun die Kos­ten der US-Krie­ge und einen Groß­teil des US-Zahlungsbilanzdefizits.

Der Dol­lar-Über­fluß, der nach Auf­ga­be der Gold­bin­dung ent­stand, ergie­ße sich seit­dem in den “Rest der Welt” für Finanz­spe­ku­la­tio­nen, Unter­neh­mens­über­nah­men oder in den Aus­bau von Infra­struk­tu­ren. Die Zen­tral­ban­ken rund um den Glo­bus recy­celn die­sen Dol­lar-Zufluß durch den Kauf von US-Staats­an­lei­hen, mit denen wie­der­um das US-Haus­halts­de­fi­zit finan­ziert wer­de. Die­ser Sta­tus wird aus der Sicht von Hud­son mit der ideo­lo­gi­schen Domi­nanz der USA abgesichert.

Die Ideo­lo­gie hin­ter dem “Super­im­pe­ria­lis­mus” ist der in den 1990er Jah­ren viel­dis­ku­tier­te “Washing­ton Con­sen­sus” mit sei­nen Eck­pfei­lern fis­ka­li­sche Dis­zi­plin, Libe­ra­li­sie­rung der Finanz­märk­te, Han­dels­li­be­ra­li­sie­rung, Abschaf­fung von Han­dels­hemm­nis­sen, Pri­va­ti­sie­rung, Dere­gu­lie­rung etc. Ideo­lo­gi­scher Stich­wort­ge­ber die­ses Con­sen­sus sei die Chi­ca­go School of Eco­no­mics in Gestalt des Öko­no­men Mil­ton Fried­man und sei­ner „Chi­ca­go Boys“ mit ihrer „neo­li­be­ra­len mone­ta­ris­ti­schen Ideo­lo­gie“ gewesen.

Mei­nes Wis­sens nach war Hud­son einer der ers­ten, der die Mecha­nis­men die­ses Dop­pel­stan­dards, mit dem die USA ihre glo­ba­le Rol­le als Welt­macht auf­recht­erhal­ten kön­nen, offen­ge­legt hat. Bestechend bleibt, unge­ach­tet sei­ner mar­xis­tisch inspi­rier­ten Posi­tio­nie­rung, Hud­sons ana­ly­ti­sche Schär­fe und die Tat­sa­che, daß er Roß, Rei­ter und Inter­es­sen­la­gen nennt und nicht in das abs­trakt-anony­mi­sie­ren­de Struk­tur­ge­schwa­fel ver­fällt, das heu­te oft die Sozi­al­wis­sen­schaf­ten prägt.

Vom glei­chen Geist ist sei­nes neu­es­tes Buch geprägt, näm­lich Der Sek­tor. War­um die glo­ba­le Finanz­wirt­schaft uns zer­stört. Das Buch hat zwei Haupt­the­men, näm­lich zum einen die Gei­ße­lung des “Ren­tier-Kapi­ta­lis­mus”, wor­un­ter Hud­son den Bezug von leis­tungs­lo­sen Ein­kom­men ver­steht, und zum ande­ren die inter­na­tio­na­le Schul­den­pro­ble­ma­tik. Er kommt dabei im übri­gen zu völ­lig ande­ren Ergeb­nis­sen als der zum “intel­lek­tu­el­len Pop­star” oder gar zum “Karl Marx des 21. Jahr­hun­derts” auf­ge­bla­se­ne fran­zö­si­sche Öko­nom Tho­mas Piket­ty, der gern damit hau­sie­ren geht, daß Deutsch­land sei­ne Schul­den nach den bei­den Welt­krie­gen nicht bezahlt habe und des­halb, so Piket­ty in einem Inter­view mit der Zeit, ande­ren Län­dern (wie Grie­chen­land) “kei­ne Lek­tio­nen zu ertei­len” habe. Piket­ty zeigt in die­sem Inter­view im Ver­gleich zu Hud­son nur eines, näm­lich daß er die Inter­es­sen­la­gen hin­ter der Staats­schul­den­pro­ble­ma­tik ent­we­der nicht ver­stan­den hat oder bewußt ver­ne­belt, um sei­nen deutsch­feind­li­chen Res­sen­ti­ments frei­en Lauf las­sen zu können.

Doch zurück zu Hud­son: Der Bogen, den er bei sei­ner Ana­ly­se des “Ren­tier-Kapi­ta­lis­mus” schlägt, ist umfas­send – und lei­der, das gilt für das gan­ze Buch, immer wie­der von Red­un­dan­zen und Wie­der­ho­lun­gen durch­zo­gen, was die Lek­tü­re der ohne­hin schon kom­ple­xen Mate­rie nicht eben erleichtert.

Ziel der klas­si­schen Volks­wirt­schafts­leh­re – Hud­son nennt hier Adam Smith, John Stuart Mill oder David Ricar­do – sei es gemäß Hud­son gewe­sen, pro­duk­ti­ves Kapi­tal von unpro­duk­ti­vem zu unter­schei­den. Ver­mö­gen und Ein­künf­te von Ren­tiers wie Groß­grund­be­sit­zern soll­ten beschnit­ten wer­den, damit das Finanz­ka­pi­tal in ers­ter Linie dem Aus­bau der Indus­trie zugu­te kommt. Die­ses Ziel indes wur­de nie erreicht. Statt des­sen ver­brei­te­ten die “Neo­li­be­ra­len” – ich über­neh­me hier die­sen Kampf­be­griff, ohne ihn zu tei­len – die Illu­si­on, als ob der aus Pri­vat­ban­ken, Inves­to­ren und Ver­si­che­run­gen bestehen­de “Sek­tor” selbst pro­duk­tiv wäre.

Zwar erzeug­ten Finanz­ope­ra­tio­nen ledig­lich Buch­wer­te; den­noch gel­ten sie als unver­zicht­bar. Das Finanz­ka­pi­tal – kon­kret z.B. Hedge­fonds-Mana­ger oder Invest­ment­ban­ker – agie­re wie ein “Para­sit”, der sei­nem “Wirt” vor­täu­sche, er bedür­fe sei­ner. Hier wie dort ende dies letzt­lich mit dem Abster­ben des “Wirts”. Das ist im übri­gen auch der Ori­gi­nal­ti­tel des Buches, näm­lich Kil­ling the Host (Den Wirt tötend). En pas­sant: Es ver­steht sich von selbst, daß die Meta­phern, die Hud­son hier ver­wen­det, bei eini­gen Rezen­sen­ten Anstoß erregt haben.

Dem hält Hud­son ent­ge­gen, daß im 19. Jahr­hun­dert – von Marx bis zu den Wirt­schafts­pro­fes­so­ren – die Vor­stel­lung herrscht, Ban­ken hät­ten dem Indus­trie­sys­tem dien­lich zu sein. Es waren die früh­so­zia­lis­ti­schen Saint-Simo­nis­ten, die das ent­wi­ckel­ten, was heu­te “Invest­ment Ban­king” genannt wird. Nach Hud­son haben die Reichs­bank und die deut­schen Ban­ken die­se Idee sehr effek­tiv umge­setzt. Auch des­halb, weil man in Deutsch­land erkannt habe, daß es not­wen­dig war, die Indus­trie lang­fris­tig zu finan­zie­ren, wenn der Vor­sprung der Bri­ten auf­ge­holt wer­den soll. Die dar­aus ent­stan­de­ne “Ver­schmel­zung von Indus­trie, Bank­we­sen und Regie­rung” (Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus) war “zwei­fel­los die Haupt­trieb­kraft für den Erfolg der deut­schen Unternehmen”.

Der “Ren­tier-Finanz­ka­pi­ta­lis­mus” steht im engen Zusam­men­hang mit der Schul­den­pro­ble­ma­tik. Daß die­ser die Ober­hand über den Indus­trie­ka­pi­ta­lis­mus gewin­nen könn­te, war laut Hud­son in die­ser Form nicht abseh­bar. Die meis­ten Kre­di­te, die heu­te ver­ge­ben wer­den, dien­ten nicht mehr pro­duk­ti­ven Zwe­cken, son­dern dazu, Assets zu kau­fen, sprich: Akti­en, Unter­neh­men, Immo­bi­li­en etc.

Bei sei­ner Ein­ord­nung der Schul­den­pro­ble­ma­tik tritt Hud­son einen Gang durch die Welt­ge­schich­te an. Schul­den sei­en immer ein dyna­mi­sches Ele­ment gewe­sen, weil sie eine Klas­se von Gläu­bi­gern habe ent­ste­hen las­sen, deren “olig­ar­chi­sche Herr­schaft” immer dann ende­te, wenn die Kar­ten neu gemischt wur­den; sprich: wenn neue poli­ti­sche Füh­rer einen Schul­den­er­laß durch­setz­ten und das Eigen­tum neu verteilten.

Unter­stütz­ten Gläu­bi­ger lan­ge Zeit Demo­kra­tien, weil die­se grö­ße­re Sicher­heit für Kre­di­te ver­spre­chen, scheint sich seit dem Finanz­crash von 2008 und den dadurch mit­aus­ge­lös­ten Schul­den­kri­sen von Island bis Grie­chen­land der Wind zu dre­hen, hat sich das Finanz­ka­pi­tal doch seit­dem dar­auf ver­legt, zu ver­lan­gen, daß die Staa­ten spa­ren oder staat­li­ches Ver­mö­gen pri­va­ti­siert wird. Hud­son spricht von einer “neu­en Art von Kriegs­füh­rung”, die das glei­che Ziel ver­fol­ge wie frü­her die mili­tä­ri­sche, näm­lich “die Aneig­nung von Land und Boden­schät­zen, die Über­nah­me staat­li­cher Infra­struk­tur und die Erhe­bung von Tributzahlungen”.

Dem gern auch von Liber­tä­ren ins Feld geführ­ten Argu­ment, staat­li­che Pla­nung und Besteue­rung sei­en “Wege in die Knecht­schaft”, hält Hud­son ent­ge­gen, daß die­ses Argu­ment sug­ge­rie­re, daß ver­meint­lich “freie Märk­te” kei­ner Pla­nung unter­lä­gen; tat­säch­lich aber stän­den sie unter der Kon­trol­le von Ban­kern, die sie im Sin­ne olig­ar­chi­scher Son­der­in­ter­es­sen zu beein­flus­sen ver­such­ten. Deren Ziel sei es, daß der Staat die Schul­den­las­ten tra­gen sol­le, um dem “One per­cent” der Reichs­ten durch Über­tra­gung der Ver­lus­te auf die Steu­er­zah­ler Vor­tei­le zu ver­schaf­fen. Ein Expo­nent die­ser Poli­tik war der ehe­ma­li­ge US-Noten­bank-Chef Alan Green­span, den Hud­son wenig freund­lich als “Cheer­lea­der” für Leu­te bezeich­ne­te, “die in der Lage waren, rasch reich zu wer­den”; “ähn­lich wie ein Pilot­fisch für Haie”.

Wer das für über­zo­gen hält, der lese die minu­tiö­sen Aus­füh­run­gen Hud­sons über die Umstän­de der Ret­tung US-Groß­ban­ken im Zuge der Finanz­kri­se von 2008 – die auch dar­über Aus­kunft geben, in wel­chem Maße der ehe­ma­li­ge US-Prä­si­dent Barack Oba­ma ein Lob­by­ist von Wall-Street-Inter­es­sen war – oder über die Umstän­de der Kla­ge der Hedge­fonds NML Capi­tal und Aure­li­us gegen Argen­ti­ni­en auf die vol­le Rück­zah­lung von argen­ti­ni­schen Staats­pa­pie­ren, die die­se Hedge­fonds einst zu Schleu­der­prei­sen gekauft hat­ten, oder die detail­rei­chen Aus­füh­run­gen Hud­sons zur soge­nann­ten “Ret­tungs­po­li­tik” der Troi­ka (IWF, EZB, Euro­päi­sche Kom­mis­si­on) im Fal­le Griechenlands.

Das Rezept indes, mit dem das zu kurie­ren wäre, was Hud­son hier ana­ly­tisch her­aus­ar­bei­tet, zeigt des­sen Gren­zen als Mar­xis­ten, wenn er allen Erns­tes den Sozia­lis­mus als Alter­na­ti­ve zum “Neo­li­be­ra­lis­mus” vor­schlägt. Zusam­men­fas­send erklär­te er z. B. in einem Inter­view mit dem öster­rei­chi­schen Stan­dard:

Man muß den Neo­li­be­ra­lis­mus durch Sozia­lis­mus erset­zen. Euro­pa braucht eine ech­te Zen­tral­bank, die Staa­ten finan­zie­ren kann, eine radi­ka­le Umstruk­tu­rie­rung der Schul­den, die Abschaf­fung der Steu­er­frei­heit von Zins­er­trä­gen, ech­te pro­gres­si­ve Besteue­rung und einen Bruch mit der Domi­nanz des US-Kapitalismus.

Unter­schrei­ben kann man hier “aus rech­ter Sicht” – auch Hud­sons finanz­tech­ni­sche For­de­run­gen sind näm­lich mehr als dis­kus­si­ons­wür­dig – wohl nur eines, näm­lich den “Bruch mit der Domi­nanz des US-Kapi­ta­lis­mus”. Nicht weni­ge haben geglaubt, daß die­ser Bruch qua­si intrin­sisch durch Donald Trump her­bei­ge­führt wer­den könn­te, der zumin­dest sug­ge­rier­te, er wol­le als Prä­si­dent eine Art Kon­tra­punkt zu den demo­kra­ti­schen “Wall-Street-Prä­si­den­ten” Clin­ton und Oba­ma setzen.

Wer sich die vie­len Details vor Augen führt, die Hud­son zur Ban­ken­ret­tung im Zuge des Finanz­crashs von 2008 ent­fal­tet, bekommt eine Ahnung davon, wie groß der Haß des US-“Normalbürgers” auf all das sein muß, wofür die Wall Street und das US-Estab­lish­ment steht. Nur des­halb konn­te Trump gegen Hil­la­ry Clin­ton die Wahl gewinnen.

Spä­tes­tens Anfang Febru­ar hät­te man es bereits bes­ser wis­sen kön­nen, als Trump in Washing­ton ein Dekret unter­zeich­ne­te, das auf die Revi­si­on eines Geset­zes aus dem Jahr 2010 zur Regu­lie­rung der Ban­ken abzielt. Trump wol­le damit, so kom­men­tier­te auf­fäl­lig wohl­wol­lend die Welt, “sein Wahl­ver­spre­chen ein­lö­sen, den Finanz­markt wie­der zu entfesseln”.

Finanz­mi­nis­ter Ste­ven Mnu­ch­in, ein ehe­ma­li­ger Hedge­fonds-Mana­ger und “frü­he­re Füh­rungs­kraft der Wall-Street-Bank Gold­man Sachs”, soll nun klä­ren, “inwie­weit gel­ten­des Recht mit den neu­en ‘Kern­prin­zi­pi­en’ ver­ein­bar” sei. Das Ergeb­nis kann man sich bei dem Hin­ter­grund von Mnu­ch­in unschwer aus­ma­len. Wich­tigs­ter Wirt­schafts­be­ra­ter Trumps ist im übri­gen auch ein ehe­ma­li­ger hoch­ran­gi­ger Gold­man-Sachs-Mana­ger, näm­lich Gary Cohn, der nun den Chef des natio­na­len Wirt­schafts­ra­tes gibt. Der Abschied von “GS” wur­de Cohn dem Ver­neh­men nach mit einer drei­stel­li­gen Mil­lio­nen­sum­me ver­süßt. Cohn ist ein wei­te­res schla­gen­des Bei­spiel für den “Dreh­tü­ren-Effekt”, mit dem ins­be­son­de­re GS-Mana­ger zwi­schen Poli­tik und Wirt­schaft hin- und her­wech­seln. Rein zufäl­lig ist, so das Mana­ger Maga­zin, die Gold­man-Sachs-Aktie “- wie ande­re Papie­re von US-Ban­ken eben­falls – seit dem Wahl­sieg Trumps enorm gestie­gen und bewegt sich der­zeit nahe ihres Allzeithochs”.

Ich sehe mich damit in mei­ner 10. The­se zur „US-Außen­po­li­tik nach Oba­ma“ (Sezes­si­on 74 / Okto­ber 2016) bestä­tigt, in der davon die Rede ist, daß sich auch ein US-Prä­si­dent Trump den “Inter­es­sen des trans­at­lan­ti­schen Finanz­ka­pi­tals nicht ver­wei­gern kön­nen wird”. Daß aller­dings der Topf sei­nen finanz­ka­pi­ta­lis­ti­schen Deckel so schnell fin­den wird, dürf­te selbst bei ein­ge­fleisch­ten Trump-Anhän­gern nach­hal­ti­ge Kater­stimm­mung auslösen.

Michael Wiesberg

Michael Wiesberg ist Lektor und freier Publizist.

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Kommentare (5)

Gustav

18. April 2017 15:12

“I don’t care who writes a nation’s laws – or crafts its advanced treaties – if I can write its economics textbook."Samuelson, 1990

Wirtschaftskrisen werden durch die Geldpolitik absichtlich verursacht. Es ist die einzige Aufgabe der VWL, dies zu leugnen und zu vernebeln und Dogmen zur Verschärfung von Krisen zu liefern. Krisen haben zwei Ziele, erstens die lohnabhängigen Arbeiter zu disziplinieren und die Löhne zu senken und die Sozialleistungen und Arbeiterrechte abzubauen, zweitens können die Insider der Geldpolitik mit ihren Informationen in jeder Krise gigantische Profite erzielen und weltbeherrschende Vermögen durch risikolose Spekulation gewinnen. Deswegen ist die Geldpolitik in der VWL (wie im Marxismus) kein Thema. Die Professoren lehren nur Modelle mit neutralem Geld als Tauschmittel (Geldmenge mit Umlaufgeschwindigkeit) und ohne Geldvermögen und Schulden; die Geschichte der Krisen darf nicht behandelt werden; alle Thesen werden durch zirkuläre Argumentation aus den Annahmen der Modelle abgeleitet und die monetären Zusammenhänge kommen in diesen Modellen nicht vor; verwirrende mathematische Formeln sollen wissenschaftliches Arbeiten vortäuschen und die zirkuläre Argumentation verbergen.

Die VWL argumentiert nicht deshalb mit Modellen, weil ökonomische Zusammenhänge so kompliziert wären, sondern weil sich nur aus konstruierten Modellen die den herrschenden Interessen dienenden Behauptungen herleiten lassen. Tautologie und Zirkelschluss auf der Grundlage der Annahmen und Voraussetzungen dieser Modelle sind dabei die wesentlichen Argumentationsweisen der VWL-Professoren.

By the late 20th century the term “neoclassical” had come to connote a deductive body of free-trade theory using circular reasoning by tautology, excluding discussion of property, debt and the financial sector’s role in general, taking the existing institutional environment for granted.

Michael Hudson

Philip Stein

18. April 2017 16:07

Lieber Herr Wiesberg,

vielen Dank für diesen hervorragenden Beitrag, den ich mit geradezu diebischer Freude und großem persönlichen Gewinn gelesen habe. Vor dem Hintergrund, dass weite Teile des sog. rechten Lagers in puncto Wirtschaftspolitik wohl (leider) in die Katgeorie "eigentümlich frei" gesteckt werden müssen, erscheint mir Ihr kluger Beitrag um so wertvoller.

Allein Ihre Behauptung, man könne "aus rechter Sicht" wohl nur dem "Bruch mit der Dominanz des US-Kapitalismus" zustimmen, erscheint mir diskussionswürdig. Gerade die von Hudson angeführten Maßnahmen einer "radikale[n] Umstrukturierung der Schulden" sowie "die Abschaffung der Steuerfreiheit von Zinserträgen" scheinen mir besonders elementar – auch aus rechter Sicht.

Hartwig aus LG8

19. April 2017 10:03

1) Außerhalb politisch interessierter Zirkel wird die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Rechten nach wie vor als Vollstreckung der Interessen des Kapitals gesehen; zumindest im Großen und Ganzen.

2) Die Fokussierung der Rechten auf nationale Zusammenhänge wird von vielen propagandagemäß als eine Art der Entsolidarisierung begriffen; einer Entsolidarisierung mit der 'Welt',  - wobei das keine Fehleinschätzung ist. Allenfalls wäre zu ergänzen, dass der Begriff der Entsolidarisierung nahelegt, dass es je eine Solidarisierung im Weltmaßstab gegeben hätte bzw. gibt, die über caritatives Engagement hinausgeht.

3) Die Rechte muss klarmachen, dass sie DIE solidarische Kraft ist, welche die sozialen Interessen der Deutschen vertritt. Neben weniger anderer Themen gehört das in den Mittelpunkt, denn an diesem neuralgischen Punkt wird die Rechte verkannt - auch von vielen Wohlwollenden.

Ich habe auf SiN schon einiges gelesen (vor allem in den Kommentaren), was klar erkennen lässt, dass diesbzgl.  ein Grundkonsens auf Rechter Seite fehlt. Umso mehr ist dies zu propagieren. Umso deutlicher muss man sich vom bürgerlichen Dünkel gegenüber solidarisierender Politik abgrenzen.

Dank an Herrn Wiesberg, dass er das Thema in seinen Beiträgen aufwirft oder zumindest immer wieder streift.

Maiordomus

19. April 2017 11:59

Die Debatte erinnert an alte wohl eher pseudorechte Postulate von der "Abschaffung der Zinsknechtschaft". Aber natürlich sind vernünftige ökönomische Modelle gefragt. Es gibt kein verantwortbares Wirtschaften ohne Kriterien auch "jenseits von Angebot und Nachfrage", wie es Wilhelm Röpke zur Gründungszeit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft von 60 Jahren auf den Punkt gebracht hat.

Cacatum non est pictum

20. April 2017 03:41

@Maiordomus

Die Debatte erinnert an alte wohl eher pseudorechte Postulate von der "Abschaffung der Zinsknechtschaft". Aber natürlich sind vernünftige ökönomische Modelle gefragt.

Das vernünftigste ökonomische Modell wäre eben die Abschaffung jener Zinsknechtschaft. Unser Schuldgeldsystem ist der Elefant im Raum, an dem die ganzen sogenannten Wirtschaftsexperten zuverlässig vorbeireden.

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