So empfiehlt er den Lernwilligen unter seinen Lesern (und Leserinnen!) auch die Rückbesinnung auf alte, traditionsbewährte Verhaltensweisen und Maßnahmen: beispielsweise die Konsultation weiser Großmütter, von denen junge Esel (und Eselinnen!) sehr gut lernen können, worauf es bei einer sinnvollen Partnerwahl zwecks Familiengründung eigentlich ankommt.
Doch die Großmütter, deren heilsamen Einfluß Devlin in den Himmel hebt, haben freilich noch andere Effekte parat, die scharfsinnigen und unerschrockenen Streitern für die Normalität in der Geschlechter- und Familienwelt nicht direkt ins Auge springen mögen, folgsamen Enkeln solcher Großmütter beim der Lektüre von Sex, Macht, Utopie jedoch unentwegt in den Ohren summen.
Gemeint ist der “Und-du?”-Effekt. Mit höchst treffenden Worten dieser Art pflegt eine Devlinsche Großmutter von Format, Enkel, Kinder und weitere Angehörige auf den harten Boden der Tatsachen herunterzureißen, wenn jemand es wagen sollte, sich in ihrer Gegenwart über die mangelnde Qualität seines selbstgewählten Ehepartners zu beklagen.
Ja, genauso ist es – seid ihr Männer etwa besser? Dies möchte man als feministisch unverdorbene Großmutterenkelin Herrn Devlin fragen. Und die bessere Hälfte der Großmutterenkelin setzt noch eins drauf, indem sie mitleidlos meint: Zum Ungemach, das einen verpaarungstechnisch ereilt, gehören immer noch zwei.
Die Welt und ihre Universitäten sind nicht nur voll von sympathischen, fähigen und guten jungen Männern, die in der feministisch verseuchten Weiblichkeit die Frau fürs Leben einfach nicht finden können, sondern auch voll von sympathischen, fähigen und guten jungen Frauen, die ohne ihren Mann fürs Leben bleiben, weil sie zu unscheinbar, langweilig und unattraktiv sind, um beworben zu werden und so gar nicht erst in die Lage kommen, wählen zu können.
Der von Devlin zitierte Netzkolumnist Henry Makow ist da viel nüchterner. Ungleich Devlin lastet er die Katastrophe, die Geschlechterwelt des Westens verwüstet, nicht nur der einen Seite, den doofen Emanzen, an. Vielmehr sieht er auch bei sich und seinesgleichen ein gerüttelt Maß an Verantwortung für diesen verheerenden Zustand, denn Makow stellt sich – und dies ohne weise Großmutter – die Frage, welches sein eigener Beitrag zur Verpfuschtheit seines Familienlebens ist, und erkennt, daß er in den entscheidenden Jahren seiner Jugend verhängnisvollen Illusionen gefrönt hat.
Verblödung durch falsche Vorstellungen ist offenbar kein Privileg der sentimentalen Weiblichkeit, sondern befällt auch Männer. Makow zufolge hat die Pornographie eine ähnlich verderbliche Wirkung auf Wahrnehmung, Wünschen und Denken der Männer wie Illustrierte, Schundromane und Liebesfilmchen auf Frauen. Letzte mögen so verdummt sein, ihre wenigen kostbaren Jahre mit der vergeblichen Suche nach dem Filmstar, Konzernchef, Nobelpreisträger und sonstwas zu vergeuden, dafür verplempern Männer die Jahre der Paarbildung mit der beharrlichen Suche nach dem surrealen Sehnsuchtsziel ihrer feuchten Träume.
Makow gibt in seiner Netzkolumne wiederholt zu, daß er in seiner Jugend all die faden, langweilig normalen Mädchen absichtlich übersah, weil sein irregeleitetes Herz nur ein Bild kannte, das der Pornokönigin (an welche Exemplare der Gattung Frau er dabei geriet, kann man sich denken; dem ärgsten Feind würde man es nicht wünschen wollen). Und es sind ja nicht nur die Sirenen der Pornoindustrie allein, die junge Männer von einer erfolgreichen Eheschließung und Familiengründung abhalten.
In der US-amerikanischen Heimat Devlins mag es in dieser Hinsicht etwas anders, unschuldiger und reiner sein als in der Bundesrepublik, aber ein maßgeblicher Eheverhinderer ist jene Haltung, die Devlin nur in einem knappen Nebensatz als “Pakt mit dem Teufel” streift. Die Selbstverständlichkeit, mit der der heutige Mann im Westen damit rechnet, daß seine Gemahlin und die Mutter seiner Kinder sich dem Fluche Adams gleich doppelt unterwirft (also nicht nur unter Schmerzen ihre Kinder gebiert, sondern obendrein im Schweiße ihres Angesichts sich selbst und die Familie zu ernähren hat), mag sogar ein viel tödlicherer Ehe- und Familienmörder sein als jedes pornographisch korrumpierte Wünschen und Wollen.
Ein solcher Mann betrachtet die ihn umgebende Weiblichkeit nämlich mit einem weiblichen Blick, jenem Blick, der potentielle Gefährten nach ihren Versorgerqualitäten und ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit taxiert. Ist die Familiengründung geglückt, besteht ein Mann mit diesem femininen Charakterzug hartnäckig auf der Erwerbstätigkeit seiner Angetrauten, denn schließlich will er ja nicht allein seinen Mann stehen.
Außerdem meint er als moderner Geldmensch, materiell unbedingt mit den anderen mithalten zu müssen, und derartiges geht mit zwei Einkommen freilich viel besser als mit einem. Das Dumme ist nur, daß eine Frau, die wirtschaftlich immer auf eigenen Füßen zu stehen hat, dies früher oder später zu einem prinzipiellen Zustand macht, denn keine irdische Liebe ist so unerschöpflich, daß frau sich ein Leben lang für lau mit einem gewöhnlichen Sterblichen herumärgern würde. Die hohen Scheidungsraten und die Trennungsfreudigkeit der modernen, erwerbstätigen Frauenwelt (ob in Voll- oder Teilzeit ist unerheblich) kommen nicht zuletzt durch solche kaum bewußten und noch weniger durchdachten Zusammenhänge zustande.
Und überhaupt: die Auf-eigenen-Füßen-Steherei – sogar ein Prälat des uralten Schlages, der als grimmiger Galanterieverächter der Schrecken des putzsüchtigen, eitlen Teiles seiner Herde war, meinte zum Thema Feminismus lapidar, daß die Degeneration der Frau zur Emanze nur eine logische Reaktion auf das vorhergegangene Versagen des Mannes als Gatte, Vater und Familienoberhaupt ist; denn vor der scheußlichen Selbstverwirklichung der Weiblichkeit im 19./20. Jahrhundert kam das prometheische Emanzipationsstreben der Männerwelt im 18./19. Jahrhundert.
Wer also – völlig zu Recht – niederträchtige, verblödete und schamlos egoistische Frauen kritisiert, möge auch einen Gedanken an die Genese dieses Massenphänomens und seinen eigenen Anteil daran verschwenden.
Dies alles nur als ergänzende Gedanken zu einem an sich großartigen, für den deutschen Sprachraum längst überfälligen Buch. Eine Großmutter von Format wird es nicht nur ihren Enkeln wärmstens ans Herz legen, sondern vor allem auch ihren Enkelinnen. Vielleicht lernen die jungen Leute ja was fürs Leben daraus.
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F. Roger Devlin: Sex, Macht, Utopie, Schnellroda 2017. 304 S., 22 € – hier einsehen und bestellen!
Maiordomus
Spätestens mit der Erfindung der Pille wurdem die Moral der Grossmutter, aber auch ihre Erfahrungen nicht mehr ernst genommen. Zu den krassesten Moralzusammenbrüchen der Geschichte gehört tatsächlich um 1968 der Zusammenbruch der Sexualmoral, was man dann auch an den Folgen etwa bei der Reformpädagogik der Odenwaldschule oder des in der Schweiz diskutierten Skandal um den Reformpädagogen Jegge ("Dummheit ist lernbar") sehen kann, welcher Skandal zwar verschiedene Seiten hat. Es bleibt aber dabei, dass die Erfahrungen der Elterngenerationen wie nie zuvor quasi auf den Nullpunkt reduziert wurden, was dann die Konstruktion einer neuen Sexualmoral nötig machte, u.a. die Sexualmoral des Feminismus, für die jeder einzelne sexistische Spruch eines Mannes schlimmer ist als eine Abtreibung usw. Es bleibt dabei, dass die Wiederherstellung der Generationenerfahrung nicht leicht zu bewerkstelligen sein wird, was den obigen Essay doch noch etwas relativiert.