bevor er am Samstag, den 6. Mai, in Schnellroda zu Gast ist. Nun teilten die Connewitzer Veranstalter – das CI selbst und die Schülergruppe »Rassismus tötet!« – mit, daß die Veranstaltung nicht stattfinden könne. Die Absage spricht für sich:
Am vergangen Freitag, 28.04., erfuhren wir sowie die Gruppe „Rassismus tötet!“-Leipzig, dass Tuvia Tenenbom am 06.05. in Schnellroda bei der „Sezession“ von Götz Kubitschek und Ellen Kositza auftreten wird. Daraufhin erbat „Rassismus töet!“-Leipzig ein Statement seitens Tuvia Tenenbom, was sie bisher nicht erhielten. Für die Gruppe ist, aufgrund des ausbleibenden Statements, die Veranstaltung so nicht umsetzbar. Mit dieser Information trat sie am Dienstag, 02.05., zum Plenum des Conne Island an uns heran. Wir als Conne Island können so kurzfristig die Auseinandersetzung mit dem Buch „Allein unter Flüchtlingen“ sowie der darin angesprochenen Themen nicht organisieren, weshalb wir uns dafür entschieden haben, die Veranstaltung zu verschieben.
Das ganze Elend der deutschsprachigen Linken verdichtet sich in diesem Kuriosum: fehlende Dialogbereitschaft, Angst, Borniertheit, zuletzt: keine intellektuelle Substanz, die Widerspruch und Abweichungen aushielte. Denn Tenenbom kann ja gar nicht vorgeworfen werden, »rechts« zu argumentieren oder anderweitig »rechts« zu blinken. Es reicht aus, daß der amerikanisch-jüdische Schriftsteller nicht nur in einer extrem linken Location, sondern auch in einer konservativen Begegnungsstätte aus seinem jüngsten Buch vortragen möchte, und schon kommt es in südlichen Leipziger Gefilden zu Schnappatmung.
Jedenfalls: Schnellroda findet statt. Am kommenden Samstag, den 6. Mai, wird Tuvia Tenenbom bei uns sein, zum »Literarischen Frühschoppen« des Verlags Antaios ab 10 Uhr. Anmeldungen werden weiterhin angenommen, am besten per Mail an anmeldung[at]schnellroda oder telefonisch unter 034632–904396. Einige der ursprünglichen Hundert Karten sind noch zu vergeben, der Eintritt kostet 5 €. Im Anschluß wird es im Rahmen des Café Schnellroda Gelegenheit geben, bei Getränken, Würstchen, Kuchen und Gesprächen im Bestand der Versandbuchhandlung antaios.de zu stöbern.
Verständnis äußert man in Schnellroda übrigens für die Ängstlichkeit im Conne Island. Dort hat sich nämlich die Aufregung um einen anderen Vorgang soeben erst gelegt, da will man nicht die nächste Front innerhalb des eigenen Nukleus eröffnen.
Was war geschehen? Im Conne Island ist es Usus, daß »Refugees« für einen symbolischen Eintritt von 50 Cent auf Partys dürfen. Das ist nett gemeint, läuft aber immer häufiger aus dem Ruder. Refugees begrapschen selbstbewußte Antifaschistinnen in ihrem vermeintlichen Safe space, bepöbeln Angestellte und sorgen – und das im roten Connewitz – wiederholt für Polizeieinsätze, die von einigen CI-Feiernden als Ultima ratio angesehen werden. In der vorsichtigen, aufgeklärten und antidiskrimierenden Sprache der Antifaschisten von heute klingt das dann so:
Gruppen umherziehender Männer gehören wohl zu den meistgehassten und – unter Umständen ‑gefürchteten Menschengruppen vieler Frauen, Lesben, Schwulen und Transgender auf der ganzen Welt. Egal ob die Betreffenden Syrer, Connewitzer, Ghanaer, Eilenburger, Leutzscher oder Russen sind, haben sie leider in erschreckend vielen Fällen eines gemein: Es kommt zu sexistischen Kommentaren – egal ob abfällig oder vermeintlich bewundernd – und nicht selten auch zu Handgreiflichkeiten gegenüber Frauen, die ihren Weg kreuzen. Gesellen sich zu Selbstüberschätzung und mangelhaftem Sozialverhalten dann noch Alkohol und/oder andere Drogen, laute Musik und die unübersichtliche Situation im Club, wird für Frauen der ausgelassene Tanzabend schnell zum Spießrutenlauf. Wer bereits die Erfahrung einer ungewollten Berührung im Schritt oder eines umzingelnden, penetranten Antanzversuchs gemacht hat, überlegt sich plötzlich zweimal, ob ein Samstagabend mit Netflix nicht sinnvoller ist, als sich mit aufdringlichen Blicken, Sprüchen und Gegrapsche auseinanderzusetzen. Dies betrifft auch Frauen, die grundsätzlich schlagfertig und wehrhaft sind und sich körperlich nicht als den meisten Männern unterlegen empfinden.
Die Crux bei der Erklärung »Ein Schritt vor, zwei zurück« der CI-Betreiber war aber folgende: Connewitzer und Leutzscher mögen beispielsweise im restlichen Leipzig aus diversen Gründen zwar nicht zu den beliebtesten Bewohnern der Stadt zählen – die sexistischen Übergriffe waren aber im Regelfall nicht ihnen, sondern eben den außereuropäische Gästen zuzuschreiben, in die man gönnerhaft viel Licht und wenig Schatten, viel Emanzipatorisches und wenig Regressives hineinprojizierte. Daher auch die vielen Rettungsanker, die von den Autoren des Statemens plaziert wurden (man sei weiterhin offensiv solidarisch mit »Refugees«, »sexistische Übergriffe, mackerhaftes Auftreten, antisemitisches, rassistisches und anderweitig diskriminierendes Verhalten« müßten aber eben angesprochen werden usw.). Es half aber nichts, der Aufschrei des eigenen Lagers war dem CI sicher.
Bernhard Torsch, Stammautor der konkret, monierte im Dezemberheft 2016, der CI-Text sei »eine Posaune«, die »das Orchester der Rassisten« verstärke. Man habe diesen Hilferuf gegen sexistische Übergriffe »ohne Not« losgelassen und den rechten Agitatoren Wasser auf die Mühlen gespült. Mit verblüffender Überheblichkeit gegenüber »Antisexisten« aus dem CI-Umfeld zerlegte Torsch die Stellungnahme und stellte einmal mehr ganz unintellektuell unter Beweis, was das ewige Dilemma des intellektuellen Antirassismus darstellt: Es darf eben nicht sein, was nicht sein darf, und selbst Statistiken sind am Ende dann irrelevant, wenn sie dem eigenen Konstrukt vom befreiten Individuum, das weder über eine vorgeprägte Mentalität, noch über kulturelle, religiöse oder nationale Bindungen verfügt, nicht dienen. Ohnehin zeigte sich auch in der an verschiedenen Publikationsorten und im Netz geführten Folgedebatte – die Connewitzer Antifa Klein-Paris übte sich, um nur ein einziges Beispiel zu nennen, in »solidarischer Kritik« und warnte vor »homogenisierenden« Schlußfolgerungen – das mit der »Flüchtlingskrise« zurück in die postmoderne Linke gekehrte Spannungsverhältnis zwischen Antirassismus und Antisexismus.
Es gab viele Stellungnahmen aus verschiedensten linken Gruppen, aber Torschs Fundamentalkritik am CI ist deshalb besonders erheiternd, weil er unversöhnlich zu Werke geht und die Absurdität seines ideologisch doktrinären Antirassismus spielerisch belegt. Am Ende wünschte er gar den »›jungen Männern mit Migrationshintergrund‹ nur gutes Gelingen dabei«, »diese Inseln selbstgerechter Saturiertheit zu verwüsten«, womit der Klagenfurter Solitär die Homebase des antifaschistischen Leipzigs direkt angriff.
Bei so wenig innerlinker Solidarität und so viel ideologisch genährter Gehässigkeit, bei so viel Faktenleugnung und ‑verdrehung, die im Nachgang an die CI-Affäre allerorten zwischen Antirassisten und Feministen/Antisexisten, Antideutschen und Multikulti-Apologeten, Antifa-Journalisten und Transgenderaktivisten zu Tage trat, ist es verständlich, daß die streitlustige, über den linken Dingen stehende Zeitschrift Bahamas (die seit Jahren eine kleine Fehde mit dem CI austrägt), zu folgendem – dem im Wortsinne nach: vernünftigsten – Fazit kommt:
Natürlich bezeichnen die Linken das, was sie tun, nicht als vorsätzliches Beschweigen und Lügen, und dennoch bekennen sie sich offen zum „zweckdienlichen verbalen Umschiffen von Sachverhalten“, ohne dass sich irgendwer an dieser konsensualen Formel, an der das Team des selbstverwalteten Jugendkulturzentrums wochenlang gefeilt hat, gestoßen hätte: „Uns zur Problemlage so explizit zu äußern, fällt uns schwer, da wir nicht in die rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU schlagen wollen. Die Situation ist jedoch derart angespannt und belastend für viele Betroffene und auch für die Betreiber_innen des Conne Islands, dass ein verbales Umschiffen des Sachverhalts nicht mehr zweckdienlich scheint.“
Nicht mehr zweckdienlich… – Mit der in reinstem Bürokratendeutsch vorgetragenen Ankündigung, erst dann mit dem Lügen aufhören zu wollen, wenn die Frauen nicht mehr kommen und damit der ganze Laden als homophobes und misogynes Männerzentrum aufzufliegen droht, erweist sich die Linke bei allem Abgrenzungsgetue wieder einmal als Avantgarde des Team Merkel. Denn nur, weil diesem Team auch nach dem Berliner Terroranschlag das Wasser offenbar noch nicht am Halse steht wie linken Party-Ausrichtern, erscheint ein verbales Umschiffen des Zusammenhangs von islamistischem Suizid- und Tugendterror (zu dem extrem übergriffiges Verhalten gehört) hie und alltäglichem islamischem Patriarchalismus bzw. seiner Krise da weiterhin zweckdienlich. Die etablierten Parteien, die Medien, die Linksradikalen und selbst nicht wenige Antideutsche sind sich also prinzipiell darin einig, dass man die AfD und andere Rechtspopulisten am besten mit einer postfaktischen verbalen Umschiffung von Sachverhalten bekämpft, während gerade diese Strategie die AfD erst populär gemacht hat und deren Propaganda gegen die Lügenpresse mit immer neuen Fakten versorgt.
Mit dieser richtigen Analyse Thomas Mauls in petto sollte Tuvia Tenenbom überlegen, ob es nicht reizvoll wäre, seine »Allein unter …«-Reihe im linken Biotop fortzusetzen. Es hätte das Zeug zu einer Telenovela mit ideologischem Überbau, bei der Justus Wertmüller beim fälligen Hörbuch als zynischer Sprecher aus dem Off heranzuziehen wäre …
Starhemberg
Da fällt mir doch die South Park Folge "Sichere Räume" ein - am Ende wird die "Realität" von den jubelnden (linken) Massen gehängt. Denn die Realität ist der hartnäckigste und zäheste Feind der Linken - an der arbeiten sie sich seit Jahrzehnten ab. Und trotzdem will sie nicht verschwinden, diese reaktionäre Drecksau.