Denen gewidmet, die trotz allem und noch immer diesen einmaligen Beruf lieben und tapfer ihre Pflicht erfüllen
1. Die Zeit der Friedensdividende ist abgelaufen. Wir brauchen eine richtige Armee. Eine Armee, die einem 80-Millionen-Volk und einer großen Industrienation angemessen ist. Eine Armee, die wieder fliegen, fahren, funken, schießen – und treffen kann. Wir haben einen guten Ruf zurückzugewinnen, den das politische Establishment der letzten Dekaden verspielt hat, begleitet vom Schweigen der Lämmer in Generals-Livree.
2. Die Zeit der Illusionen ist vorbei! Wir erleben eine Renaissance der Geopolitik. Wir Deutsche wollen nicht ihr naiver Spielball sein. Unser Beutewert ist hoch, aber auch Bündniswert und Mitsprache wachsen mit dem Ansehen unserer Armee. Interessen, nicht Werte bestimmen letztlich die Außenpolitik (Kissinger). Auch bei kritischer Abwägung bleibt deshalb die NATO der Hort unserer Sicherheit als nichtnukleare Mittelmacht.
3. Wir sind nicht die globalen Hilfssheriffs für fremde Hegemonial-Interessen oder Menschenrechte. Wir stehen aber fest in der Bündnisverteidigung und arbeiten eng mit unseren europäischen Nachbarn zusammen. Jede Harmonisierung ist zu begrüßen. Das Projekt einer „Europäischen Armee“ aber würde die Schnapsidee einer „Europäischen Währung“ nur wiederholen.
4. Soldat ist kein Beruf wie jeder andere und die Bundeswehr mehr als ein Arbeitgeber. Armeen sind Schicksalsgemeinschaften, in denen die soldatischen Werte eingeübt, gelebt und gewürdigt werden. Sie sind von bizarren Arbeitszeitrichtlinien zu verschonen und erst recht von Experimenten für Gender-Mainstreaming und Diversity-Management! Eine gute Armee ist ihren Soldaten, Reservisten und Veteranen geistige Heimat und seelischer Rückhalt bei der Verarbeitung von Erlebnissen, die die zivile Welt nie verstehen wird.
5. Armeen sind keine Firmen oder „Sicherheits-Dienstleister“. Es sind Institutionen von eigener Kultur und Tradition. Es sind Organismen, in denen man nicht straflos herumschneiden kann. Gute Armeen folgen dem Fortschritt, ohne jeweils sämtliche Truppenteile aufzulösen, wieder neu aufzustellen oder wenigstens phantasielos umzubenennen und dabei noch alle Standorte durch zu wechseln. Beenden wir dieses „Transformations“-Chaos, bevor auch das letzte Pflänzchen einer ohnehin spärlichen Bundeswehr-Tradition getilgt ist und kein Soldat mehr weiß, wo seine militärische Heimat ist und wie es weiter geht!
6. Wer die Wehrpflicht abschafft, muß wissen, daß eine Berufsarmee aus anderem Holz geschnitzt ist. Alte Mannschaften, junge Vorgesetzte, eine Herausforderung, auch der Disziplin! Wer von der „Armee im Einsatz“ schwadroniert, aber Kameradschaft, Korpsgeist und Waffenstolz fürchtet, der tut gut daran, die Truppe nur in der ruhigen Etappe „kämpfen“ zu lassen oder unsere Parlamentsarmee ganz in eine zivile Hilfsorganisation zu überführen. Beschränkt man sich weiterhin auf Versorgung, Ausbildungshilfe und Sanität, braucht man auch keine echte soldatische Tradition. Wehrmacht? Reichswehr? Alte Armee? o Gott!, o Gott! Da reicht die Taschenkarte mit dem Grundgesetz!
7. So lange es nicht ernst wird, bewährt sich die verrückteste Armee. Darauf bauen jene forschen StrategInnen, die die Frauenquote bis in die vordersten Kampftruppen durchdrücken wollen. Das gilt auch für andere Minderheiten: Das Eiserne Kreuz als „Logo der Bundeswehr“ gibt es jetzt offiziell in den Farben des schwulen Regenbogens! Wer „bunte Verhältnisse“ in der Truppe erzwingt, darf nicht in Ohnmacht fallen, wenn es dort auch „bunt“ zugeht.
8. Fürsorge ist ein Kernbereich militärischer Führung. Je härter die Forderungen, desto großzügiger die Entlohnung. Im Ringen um gutes Personal nur selbstverständlich. Für den Dienstherren bleibt noch viel Luft nach oben. Das „soziale Klima“ nach dem Verständnis von Arbeits- oder Familienressort ist aber nicht dasselbe wie der Geist einer Truppe. Den kann man zwar mit Verwaltungsschikanen und mit (immer noch!) schäbigen Unterkünften rasch ruinieren, aber mit elegantesten Duschzellen und größten Flachbildschirmen nicht neu schaffen. Die Berufszufriedenheit, die auch auf die Nachwuchslage ausstrahlt, speist sich vor allem aus dem Bewußtsein, in einer letztlich anerkannt kriegstüchtigen und nicht nur familienfreundlichen Truppe zu dienen.
9. Die Innere Führung, unser „unverwechselbares Markenzeichen,“ gründet auf der engen Verbindung von Armee und Gesellschaft. Im Aufbau des Heimatschutzes sollte dieser vornehme Gedanke unmittelbaren Ausdruck finden. Doch davon stehen nur noch „neuausgerichtete“ Ruinen! Wehrpflicht 2.0?, Miliz?, Nationalgarde? – nichts darf tabu sein! Ein geeigneter Wiederaufbau verschlingt Mittel – aber lohnt sich! Welche geistig gesunde Nation bindet nicht die Streitkräfte in den Schutz ihrer innere Sicherheit ein? Unser Volk hat immer noch viele jungen Menschen, die für einen begrenzten Dienst in einer Freiwilligenorganisation zu begeistern sind und die die Verbindung zwischen Gesellschaft und Armee wieder festigen können. Und viele tüchtige Reservisten wären wieder militärische Führer statt Lückenbüßer.
10. Armeen symbolisieren den Selbstbehauptungswillen einer Nation. Mit ihrem äußeren Erscheinungsbild senden sie eine Botschaft an das eigene Volk, an die Verbündeten, an potentielle Herausforderer – und an den Nachwuchs! Gar nicht mehr aufzutauchen ist auch eine Botschaft! Die Bundeswehr muß wieder öffentlich sichtbar werden und das in einer Haltung, die keine Zweifel an ihr aufkommen läßt. Formalien sind hier gut angelegte Zeit. Im übrigen läuft in einer Armee, die an Wochenenden keine Abordnung und keinen Ehrenzug mehr stellen kann, etwas falsch. Sollte die Love Parade wirklich die einzige Parade in diesem Land sein – und die Bundeswehr allenfalls ein paar Wagen beisteuern?
11. Die Rüstungsindustrie war eigentlich dazu da, unseren Streitkräften die besten materiellen Bedingungen zu verschaffen, nicht umgekehrt! Dumm gelaufen. Jetzt stehen wir noch über Jahre ohne einsatzbereites Großgerät da! Eine halbe Generation lang „verteidigen wir unsere Sicherheit am Hindukusch“ – ohne einsatzfähige Hubschrauber! Wen hat das wirklich gestört? Potemkin, unser Schutzheiliger für Auslandseinsätze, hat die Hand über uns gehalten. Auch die neueste Neuordnung des militärischen Rüstungsmanagements wird an diesen „komplexen“ Vorgängen nichts ändern, solange „ganz oben“ weniger Interesse an einer schlagkräftigen Armee besteht als an allgemeiner Wirtschaftsförderung und Wahlkreispflege.
12. Der russische Dichter Tolstoi führt in einer galligen Bemerkung in Krieg und Frieden die ewige Attraktivität des Militärs auf die unter allen Ständen einzigartige Kombination von Müßiggang bei
gleichzeitiger Bedeutsamkeit zurück. Permanente Überforderung und Hektik, gepaart mit Bedeutungslosigkeit wäre demnach die unattraktivste, ja dümmste Kombination, die eine Armee ihrem Nachwuchs anbieten kann. Solche Armeen werden aber aussterben.
Fritz Zwicknagl, Oberst a.D.
München, 4. Mai 2017
Desprecio
Dem Verfasser dieses Beitrags möchte ich an dieser Stelle meinen Dank ausdrücken und ihn meiner vollen Zustimmung versichern. Als Freiwilliger (Z 4) der Jahre 1966 - 1970 höre bzw. lese ich zum ersten Male seit vielen Jahren aus berufenem Munde, was man als steuerzahlender Bürger von den Verteidigungsstreitkraeften (die Betonung liegt hier auf "Verteidigung") erwarten können sollte. Hätte man mich damals zur Verteidigung meines Vaterlandes an den Hindukush geschickt, hätte ich den Dienst verweigert. Das politische Fuehrungspersonal waere in dieser Zeit auch wohl kaum auf solch wahnwitzige Ideen gekommen. Die seit dieser Zeit ungebremst fortgeschrittene Dekadenz in "unserer" BRD hatte in diesen Jahren noch nicht einmal die führenden Politiker erfasst.