Sprengsatz explodiert – mindestens 19 Todesopfer , mindestens 59 Verletzte – Explosion bei Ariana-Grande- Konzert – unter den Opfern viele Kinder und Jugendliche – Knall nach dem letzten Song – Europas größte Veranstaltungshalle – Terrormiliz Islamischer Staat bekennt sich zu Attentat – „ich bin am Boden zerstört“ – Stars drücken im Netz ihr Mitgefühl aus usw. usf.
Man ist schon etwas abgestumpft und spröde geworden, und ich sortiere halbmüde: Das war doch gerade erst in Stockholm – Warum so viele Kinder und Jugendliche? Und eben: Wer ist diese Ariana Grande? Was singt die eigentlich?
Ich ergoogle Ariana Grande und dort den erstbesten Song. Ich lande beim Video Everyday. Sofort bin ich hellwach: Ein hübsches, naiv aussehendes Mädchen mit lasziv aufgeworfenen Lippen singt was von einem „good shit“ und räkelt sich lustvoll in der Öffentlichkeit. Und ein paar andere auch.
Die Übersexualisierung in Verbindung mit diesem unschuldig wirkenden, süßen Mädchen verursacht mir Beklemmungen. Irgendwas paßt da nicht. Aber vielleicht habe ich ja nicht richtig verstanden. Das mit dem „good shit“. Ich gehe vorsichtshalber mal auf den deutschen Text der Lyrics. Dort lese ich: „Er gibt mir jeden Tag den good shit“. Ich verstehe aber nur: “Er besorgt es mir jeden Tag”.
Das ist eindeutig. Das sind keine „lyrics“. Und so etwas schauen kleine Mädchen an und finden es toll? Etwas ratlos schalte ich wieder auf den Focus-Liveticker um. Dort die ersten Stellungnahmen der Politiker. Lese:
„Wir müssen diese Ideologie, die zu solcher Gewalt führt, bekämpfen“ (Theresa May), und „Diese kranke Ideologie muss verschwinden“ (Donald Trump). Noch das Video im Kopf, denke ich ganz spontan: Recht haben die beiden! Und im gleichen Moment: Welche Ideologie meinen die eigentlich? Das will ich jetzt doch genauer wissen. Gehe die Schlagzeilen durch. Werde fündig bei der Welt. Es sei kein Zufall, daß es ein Ariane Grande Konzert traf. Und staune wiederum:
Das war kein Zufall. Die Popsängerin verkörpert den westlichen Zeitgeist mit seiner Wertepluralität wie kaum eine andere.
Man erfährt:
Grande ist einer der größten Popstars unserer Zeit, auch wenn die meisten über 25 kaum etwas von ihr mitbekommen.
Weiter im Text: Sämtliche Vorwürfe, ihre Musik und ihre Kleidung seien übersexualisiert, kontert die Sängerin mit “aufklärerischer Wucht” gegen die Engstirnigkeit. Grande:
Der Ausdruck von Sexualität in der Kunst ist keine Einladung zur Respektlosigkeit (…) genau wie ein kurzer Rock keine Einladung für einen sexuellen Übergriff ist.
Die „aufklärerische Wucht“ von Arianas Sex-Shop-Klamotten hatte Hollywood Ikone Bette Midler in einem Interview einst dazu hingerissen, das hübsche Mädel als Hure zu bezeichnen. Kann ich verstehen. Zumindest seriöse Medien müßten das ähnlich sehen, oder ?
Aber nein. In der FAZ widmet sich Dietmar Dath dem Phänomen Ariana Grande und sieht in ihr „in vielerlei Hinsicht ein Rollenvorbild“ und ein „unwiderstehliches Identifikationsangebot „für junge Mädchen. Dath sieht im Angriff auf die Besucherinnen des Pop-Konzertes einen Angriff auf „heranwachsende Individualistinnen, die noch nicht wissen, wer und was sie werden wollen, aber keine Angst davor haben, es herauszufinden“. Da könnte man zynisch werden. Wenn da nicht die achtjährige Saffie Rose wäre, das jüngste Opfer dieses schrecklichen Angriffs.
Im Magazin Musikexpress finde ich die Bestätigung meines Verdachts, daß es in dem Song „Everyday“ nur um Sex geht. Der Kritiker schreibt:
Kurzum: Es geht ums Ficken in der Öffentlichkeit.
Scherz am Rande: Ich wußte gar nicht, daß Akif Pirincci auch in Musikzeitschriften schreibt. Der Schriftsteller würde allerdings bis an die Schmerzgrenze gehen. Mit dem „Ficken in der Öffentlichkeit“ von „heranwachsenden Individualistinnen“. Er würde vielleicht vom „unwiderstehlichen Fickangebot für junge Männer“ sprechen. Und vom „bad shit“. Den sie ihr gaben. Es ist wie in einem Vexierbild. Laut Wörterbuch der Gebrüder Grimm ein „Bild mit einem in der Zeichnung verborgenen Betrug“. Das lateinische vexare meint „plagen“.
Ja, es plagt: daß Opfer und Täter sich bald nicht mehr unterscheiden lassen. Je nach Sichtweise. Mit Schrecken las man etwa im Linzer Wochenblick die Aussage eines Tullner Asyl-Vergewaltigers: „Sie hat uns verführt“.
Zum Schluß meiner traurigen Google-Suche möchte ich dann noch im Tante-Emma-Laden vorbeischauen, ob wenigstens dort Trost und Geborgenheit zu finden sind, bei Alice im Feministen-Wunderland. Im „politischen Magazin für Menschen“ stoße ich auf die Überschrift: Manchester: Waren Mädchen das Ziel?
Die Antwort ist klar. Natürlich waren Mädchen und deren Mütter das Ziel. Weil, so die „Dangerous Woman“ mit den Katzenöhrchen, die Feministin Ariana „keine Erlaubnis braucht, wenn es darum geht, einen Typen anzuturnen“.
Reichlich verzweifelt ob dieser zu verteidigenden „Wertepluralität“ lese ich dann in der Welt den Bericht einer Mutter, die sich schon jetzt Sorgen macht, wenn ihre Tochter demnächst zu einem Lady Gaga Konzert gehen wird. Diese Mutter will “kein Zeichen setzen”. Sie will einfach nur Glück haben. Daß ihre Tochter weiter überlebt. Sie will den Terror auch nicht mit dem westlichen Lebensstil niederringen. Nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Ich lese tatsächlich: Jetzt erst rechts!
Das Unterbewußtsein spielt uns bei Überforderung oft einen Streich. Der meist auf die richtige Spur führt. Ich kann deshalb allen irritierten Frauen, Mädchen, Müttern und Vätern nur das Buch von Roger Devlin Sex – Macht – Utopie zur Lektüre empfehlen.
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RMH
Das wirft schon recht vielschichtig den Gedankenapparat an, aber am Ende steht zumindest für mich eines klar fest:
Selbst wenn der kleine, schmächtige Rucksack-Bomber Sodom und Gomorrha (oder alternativ mindestens den halben evang. Kirchentag (Sarkasmus!)) zusammen mit seiner Splitterbombe vom Angesicht der Erde getilgt hätte, wäre er doch ganz klar der alleinschuldige Verbrecher, der sich an Stelle Gottes gesetzt hat und die Leben anderer beendet und verletzt hat. Null Prozent Verständnis für diesen Burschen, dass ist die unüberbrückbare Prämisse bei allen Analysen, die deswegen aber noch lange nicht unzulässig werden – und schon gar kein insgeheimes, „da hat es die Richtige erwischt“.
Wir haben als Europäer ein klares Recht auf unsere Orgien und auch auf Ausschweifungen, nur sollte jedem klar sein, dass es eben keine echten Orgien und meistens auch keinen echten Eros mehr gibt, sondern im Grunde genommen nur noch eine platte Ausweitung der Kampfzone, wie Michel Houellebecq treffend schon vor Jahrzehnten analysierte. All diese Porn-Chic-Pferdeschwanz-Mädels stehen für das, was unsere Leistungs- und Konsumgesellschaft will, für die Dauerselektion und den Konsum, bei dem es wenige Gewinner und viele Verlierer zu geben hat. Sex als Motor und Droge, um nicht zu checken, was wirklich läuft und dabei dürfen die meisten dann auch nur noch maximal Solo-Sex haben, damit sie der vorgebundenen Mohrrübe, wie ein alter Ackergaul, weiter nach laufen und sich nach Belieben ausbeuten lassen.
Diese Ariane Grande meint mit „good shit“ deshalb auch nicht ernsthaft ficken, sondern schlicht und einfach Zaster – mag sein, dass sie dafür auch eine gewisse Flexibilität mitbringt, aber letztlich geht´s um Kohle und die holt sich diese Dame eben bei den Jungen und Jüngsten ab. Völlig unabhängig vom Bombenanschlag und auch gänzlich ohne Islam-Terror ist man als Eltern also mächtig gefordert, seine Kinder zu ernsthaft mündigen Wesen zu erziehen, die diesen bubble-gum-pseudo-sexy-Kommerz-Kack zumindest erkennen und damit auch ein Stück weit durch schauen können.