zu dem milliardenschweren Konzern auf, daß Online-Imperien wie Amazon nicht wirklich greifbar sind. Sie zahlen lächerlich geringe Steuern und setzen ihre eigene Marktpolitik durch. Transparenz und Mitsprache wird nicht gewährt.
So kann die Dominanz im virtuellen Einkauf dazu führen, daß Amazon eines Tages die Macht hat, zu entscheiden, welches Buch existiere und welches Buch »nicht stattfnde« – so Daniel Leisegang (Amazon. Das Buch als Beute, Stuttgart 2014).
Thomas Wagner, zuletzt durch die faszinierende Milieustudie Die Angstmacher. 1968 und die Neuen Rechten (Berlin 2017) aufgefallen, knöpft sich nun Amazon, Google, Facebook, Twitter – kurz: die Internetgiganten – vor. Der linke Kultursoziologe zeigt in seiner Streitschrift auf, daß diese Netzkonzerne mittlerweile so mächtig erscheinen, daß Regierungen sie wie souveräne Staaten behandeln. Die Macht dieser »digitalen Quasistaaten« führe sukzessive zu einer »Monopolherrschaft der Internetkonzerne«.
Diese Herrschaft beruht insbesondere auf Datenanhäufung und ‑kontrolle. Denn der Nutzer von Google oder Facebook, der für diese Plattformen im Regelfall nichts zahlen muß, ist dabei nicht selbst das wichtigste Produkt. Das Produkt besteht primär aus Daten, die ein jeder beim Surfen hinterläßt. Man sucht bei Google, pflegt Kontakte bei Facebook, recherchiert Produkte. Dabei sammeln die Konzerne alle Daten, die sie abschöpfen können – von Standorten des Nutzers bis zur politischer Orientierung – und verkaufen diese an Werbepartner.
Zigmillionen machen mit; zu groß ist die Verführung, seinen Alltag im Netz zu teilen oder alle Einkäufe bequem über eine einzige Plattform abwickeln zu können. An die Stelle traditioneller Großkonzerne sind einige wenige Digitalkonzerne getreten, deren kreative Köpfe überdies häufg noch ganz anderes im Sinne haben. Wagner verweist auf die dies- und jenseits des Atlantiks wachsende Bewegung des »Transhumanismus«, die durch technologischen Fortschritt rund um Künstliche Intelligenz (KI) und Roboter den neuen, perfekten Menschen kreieren möchte.
Es ist diese Ablehnung einer totalen, den Interessen eines grenzenlosen Kapitalismus dienenden Machbarkeitstheorie, die Wagners linke Technikkritik für konservative Ansätze fruchtbar macht. Wagner hält den Menschen für mehr als nur ein Schmiermittel der Wirtschaftsmaschinerie. Gefährlich gilt dem Autoren auch die Verschränkung zwischen Internetkonzernen und staatlicher Macht. Er verweist auf Beispiele wie dasjenige des Google-Managers Eric Schmidt, der im März 2016 zum Leiter eines Gremiums für Innovation im Pentagon berufen wurde.
Diese Vernetzung zwischen Silicon-Valley-Konzernen und US-Apparaten ist frappierend. Speziell Google tut sich hierbei hervor, indem es zugleich mit CIA, NSA und dem Militärgeheimdienst kooperiert; oftmals wechseln Mitarbeiter aus einem Internetriesen zu einem US-Geheimdienst oder umgekehrt. Weil diese Entwicklungen – Wagner skizziert ihrer noch mehr – zu einem »allgegenwärtigen Datenimperialismus« führen, wächst die Erkenntnis, daß eine fundamentale Wende in der virtuellen Welt erforderlich wäre.
Der Autor möchte dabei nicht die Hegemonie der US-Konzerne durch europäische Konkurrenten ersetzen. Er fordert eine »fortschrittliche Netzpolitik«: Die an Profitdenken ausgerichteten Internetkonzerne mögen durch Kommunikationsdienste der öffentlichen Hand abgelöst werden, womit er sich mit Sahra Wagenknecht – die dem vorliegenden Buch ein Vorwort beigesteuert hat – einig weiß. Auch sie fordert, digitale Plattformen von gemeinnützigen Anbietern betreiben zu lassen und als ersten Schritt Gesetze zu erlassen, die der Datensammelwut der Internetkonzerne Einhalt gebieten.
Das Ziel Wagners und Wagenknechts ist so klar wie gerechtfertigt: Es geht um die Rückeroberung des öffentlichen (inklusive virtuellen) Raums aus den Händen der Konzerne. Wie das konkret vonstatten gehen könnte: Dafür liefert Wagners Schrift nur erste Ansatzpunkte.
–
Thomas Wagner: Das Netz in unsere Hand! Vom digitalen Kapitalismus zur Datendemokratie, Köln: PapyRossa 2017. 166 S., 13.90 € – hier einsehen und bestellen!
Ertrunken
Die Probleme der transnationalen Konzerne sind so klar wie einläuchtend. Doch muss hier tatsächlich die Krakenmetapher bedient werden, um die Totalität des Kapitals zu erklären. Schnell kann sich diese Form der Kapitalismuskritik verkürzen und die abstrakte Seite des Kapitals Name und Adresse bekommen.
Wegner:
Falls das als Frage gemeint war: Ja, muß. Erstens ist die Redensart von der "Datenkrake" etabliert, und zweitens ist es lustig (Tip: geschichtlichen Reflex ignorieren und einfach mal nachschlagen, worum es sich bei NROL-39 handelt).