des traditionalistischen Katholizismus im deutschsprachigen Raum. Seine Beiträge in den entsprechenden Publikationen, in Theologisches, in der Kirchlichen Umschau, der Una Voce Korrespondenz oder Civitas zählten zum Besten, um den Verfall der Tradition und des kirchlichen Lebens zu analysieren und zu kommentieren. Kurz vor seinem Tod sprach Hoeres von den »düsteren, ja man möchte fast sagen dämonischen Zügen unserer Zeit« (Theologisches, Januar/Februar 2016); und obwohl der »Abschied von Gottes heiliger Majestät« längst vollzogen war, hoffte Hoeres doch, »daß allen in der heiligen Kirche wieder die Gabe der Ehrfurcht« zuteil werde, um Gottes »Gebote gegenüber dieser gottverlassenen Welt mutig und ohne falsche Zugeständnisse zu verteidigen«.
Die biographischen Stationen sind schnell referiert. Hoeres war gerade einmal 23 Jahre alt, als er 1951 in Frankfurt bei niemand anderem als Theodor W. Adorno über »Rationalität und Gegebenheit in Husserls Phänomenologie« promoviert wurde. Während er Frankfurt zeitlebens treu blieb, verband ihn bald immer weniger mit Adorno: Fünf Jahrzehnte später widmete Hoeres seinem Doktorvater ein respektvolles Kapitel in dem Buch Heimatlose Vernunft – Denker der Neuzeit im Ringen um Gott und die Welt (2005), das erwartungsgemäß kritisch auslautet und Adorno vor allem dessen »Verbeugung vor dem Materialismus« ankreidet. Seit 1954 verheiratet, war Hoeres Vater von drei Kindern. Nach in Salzburg erfolgter Habilitation war Hoeres von 1961 bis 1993 Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Die Scholastik insgesamt, Duns Scotus und vor allem Thomas von Aquin bildeten das Zentrum seines Denkens, hier fand Hoeres gültige Anknüpfungspunkte für die eigene Zeit, und zwar mit weitestreichender Bedeutung. Denn indem die thomistische Philosophie nicht zuletzt »einen einzigen gigantischen Kommentar zu Plato und Aristoteles unter christlichen Vorzeichen« darstellt, wird »jene tiefe Entsprechungsbeziehung« zwischen den beiden griechischen Philosophen und dem Christentum sichtbar, die nichts weniger als »die Einheit der abendländischen Weltanschauung begründet hat«, weshalb die Kirche die Lehre des Thomas nicht zufällig »immer wieder als verbindlich« vorgeschrieben hat. Am ehesten wird man Walter Hoeres daher mit einem anderen Philosophen assoziieren dürfen, der ebenfalls in der Spur des Thomas von Aquin weitergegangen ist, mit Josef Pieper (1904–1997).
Die äußerlich unspektakuläre Professoren-Vita war durch geistige Kämpfe geprägt, wovon zahlreiche Aufsätze, Rundfunksendungen, Vorträge und mehr als 20 Bücher zeugen. Dabei war es das Jahr 1969, das Hoeres über die akademische Philosophie und die zeitkritische Publizistik hinaustrieb. Das Zweite Vatikanische Konzil war 1965 zu Ende gegangen, die katholische Welt war in die Phase der »nachkonziliaren Krise« voller Verwirrung und Konflikte eingetreten, wobei die Liturgiereform und der »Kahlschlag der Kirchen« nur die Spitze des Eisbergs bildeten. 1969 gründeten Hoeres, sein Freund Pfarrer Hans Milch (1924–1987) und der Oberstudienrat Fritz Feuling daher die »Bewegung für Kirche und Papst«, die als Moment des »Widerstands gegen die innerkirchliche Selbstzerstörung« keineswegs allein auf weiter Flur stand: 1969 rief Erzbischof Marcel Lefebvre die Priesterbruderschaft St. Pius X. ins Leben, zuvor hatte sich schon die Una-Voce-Föderation gegründet, womit stellvertretend nur zwei weitere Organisationen dieser Jahre mit je eigenen, doch verwandten konservativen Ansätzen genannt wären. So wundert es nicht, daß Walter Hoeres mit der Piusbruderschaft sympathisierte und auch an ihrem Zaitzkofener Priesterseminar Philosophie lehrte – aber nur bis 1988, denn in diesem Jahr weihte Marcel Lefebvre gegen die Weisung des Papstes vier Bischöfe, was schließlich Lefebvres Exkommunikation nach sich zog. Bei aller Sympathie folgte Walter Hoeres diesem Pfad nicht, so wenig, wie jene Piusbrüder, die das Handeln Lefebvres verurteilten, um ihre eigene Bruderschaft, die papsttreue Priesterbruderschaft Sankt Petrus, zu gründen. Hier konnte Walter Hoeres mitgehen und lehrte bis 2014 am Priesterseminar der Petrus-Brüder in Wigratzbad. Bei allen Differenzen verband ihn weiter das gemeinsame Anliegen mit der Piusbruderschaft, und es ist kein Zufall, daß Hoeres von Pater Franz Schmidberger beerdigt wurde, dem Leiter des Priesterseminars der Piusbrüder.
Öffentliches Engagement und philosophische Arbeit gingen Hand in Hand. Als Walter Hoeres den »Aufstand gegen die Ewigkeit Gottes« und die Abkehr von den traditionellen Formen der Kirche dechiffrierte, war ihm klar, daß diese Krise nicht »aus purem Mutwillen provoziert« wurde, sondern einem Weltbild folgte, das »sich radikal von der altvertrauten christlichabendländischen Weltanschauung« unterschied. Die philosophische Kritik war also notwendiger Ausdruck, um den Zeitgeist entschleiern zu können. In diesem Sinne betonte Hoeres, wie sehr der konservative, platonisch-christliche Blick auf die Welt »den Schwerpunkt auf das bleibende Wesen der Dinge und die bleibende, unvergängliche Wahrheit« lege – während der Zeitgeist den Platonismus beiseitegeschoben hat und einen »ruhelos hektischen Umgang« mit Dingen und Menschen pflegt, dem permanente Veränderung und Fortschritt einfach alles sind. Dabei amüsierte es Hoeres durchaus, wie jene »Progressisten« dem Fortschritt hinterherhechelten, der bei ihren eigenen Säulenheiligen, unter denen Adorno einen prominenten Platz einnahm, längst ad absurdum geführt war.
Walter Hoeres hat wichtige Bücher verfaßt, von denen die Heimatlose Vernunft bereits erwähnt wurde. Wer immer sich mit Thomas von Aquin beschäftigt, wird auf Wesenseinsicht und Transzendentalphilosophie. Thomas von Aquin zwischen Rahner und Kant (2001) und auf Die Sehnsucht nach der Anschauung Gottes. Thomas von Aquin und Duns Scotus im Gespräch über Natur und Gnade (2015) stoßen. Mit dem für ihn eher ungewöhnlichen Titel Der Weg der Anschauung. Landschaft zwischen Ästhetik und Metaphysik (2004) reihte sich Hoeres in die Autorenriege der Grauen Edition ein, hier steht sein Werk würdig neben Gerd-Klaus Kaltenbrunners Dionysius vom Areopag. Dieser Weg der Anschauung ist vor allem eine Studie über den »Anschauungs- und Hinnahmecharakter aller Erkenntnis« und eine Auseinandersetzung mit Heidegger, die in diesem Rahmen nicht skizziert werden kann. Gegen Heideggers Ansatz einer Überwindung der Metaphysik argumentiert Hoeres, »daß die Metaphysik nicht erlöschen kann. Denn selbst der konsequenteste Agnostiker, Positivist oder Skeptiker entdeckt immer wieder das Geheimnis der Wirklichkeit und das in einer anschaulichen und in ihrer Art evidenten Erfahrung«.
Als letztes, postum erschienenes Buch verdient Die verratene Gerechtigkeit. Nach dem Abschied von Gottes heiliger Majestät besondere Aufmerksamkeit als systematische Zusammenführung zentraler Themen, die in Aufsätzen schon angeklungen waren.
50 Jahre nach dem Konzil zieht Hoeres Bilanz. Sie fällt niederschmetternd aus. Die Kirche hat vor der Welt und ihrem Relativismus kapituliert. Von dem Bild des gerechten Gottes ist nur eine Karikatur übriggeblieben, der liebe Opa, der alles versteht und verzeiht und somit auch alles gutheißt, was die Menschen treiben. »Sünde« und »Buße« treten kaum mehr in den Horizont der Wahrnehmung, weshalb auch das Sakrament der Beichte als »verloren« gelten muß. Viele Bischöfe reden den Absurditäten des Zeitgeistes das Wort, während sich mancher Theologe abmüht, die Tradition zu zerlegen. So zitiert Hoeres den Titel eines Aufsatzes des Wiener Bibelwissenschaftlers Jacob Kremer »Was Jesus eigentlich wollte und heute will« und reagiert ironisch amüsiert: »Als seien wir nach zweitausend Jahren nun endlich so weit, mit Hilfe des Arsenals moderner philologischer Methodik zu ermessen, was Jesus eigentlich wollte!«
Vor allem wurden Schrift und Tradition relativiert zugunsten einer fragwürdigen Instanz, die nun den Maßstab dafür abgibt, was richtig und falsch ist: die gesellschaftliche Realität. Aber diese Realität will weder etwas wissen von den Aposteln noch von den Kirchenvätern, sie hat sich »radikal von den Wahrheiten der göttlichen Offenbarung entfernt« und erntet »heute die ganzen bitteren Früchte der Aufklärung des 18. Jahrhunderts«. Sich dieser Welt anzubiedern, muß weiterhin zur Selbstzerstörung führen. Daher erinnert Hoeres im letzten Kapitel seines Buchs an das »Juwel der abendländischen Philosophie«, an das Naturrecht. Während Antike und Mittelalter »mit großer Selbstverständlichkeit an der Existenz eines solchen Naturrechtes als letzter Norm allen gesetzten, positiven Rechtes« festhielten, wird es in der Moderne als antiquiert verworfen und auch in der Kirche zunehmend ad acta gelegt. Gerade hier sieht Hoeres jene ordnungsstiftende Kraft, die uns heute so dringend fehlt.