Helen Smith: Männerstreik. Warum das starke Geschlecht auf Bindung und Kinder verzichtet. Mit einem Essay von Thomas Hoof

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

Eine Frau – Frau Dr. immer­hin, foren­si­sche Psy­cho­lo­gin – hat ein Buch geschrie­ben. Ein knap­pes Vier­tel des Inhalts ist aber einem Mann, Tho­mas Hoof, aus der Feder geflos­sen, näm­lich in Gestalt eines ange­häng­ten Essays mit dem bered­ten Titel »Der Fischer und sei­ne Frau sind jetzt getrenn­te Leu­te«. Bei­de Tex­te tra­gen zur Geschlech­ter­de­bat­te bei. Über­läßt er, Hoof, ihr, Smith den Vor­tritt und hängt sich beschei­den dran? Neh­men wir statt­des­sen die­ses blö­de Sprich­wort: Ein Mann – ein Wort, eine Frau – ein Wörterbuch.

Was für eine gemei­ne Zote! Über­tra­gen auf Män­ner­streik: Er läßt sie plau­dern, um dem ver­schnör­kel­ten Lamen­to dann eine Poin­te zu geben und ein paar Bot­schaf­ten in Stein zu mei­ßeln, Mot­to: Bit­te nach Ihnen.

Frau Dr. Smith (sie schaut aus wie Andie Mac­Do­well, ist mit­hin so hübsch, wie Anti­fe­mi­nis­tin­nen zu sein pfle­gen) ist in Ord­nung. »Wenn Sie ein Wasch­lap­pen sind, dann ist die­ses Buch nichts für Sie.« Die­ser Erst­satz darf als pars pro toto gel­ten! Smith legt sich red­lich ins Zeug für die Sache der Män­ner, die es wahr­lich nicht leicht haben heu­te. Sie leis­ten viel und wer­den den­noch miß­ach­tet und unter den Pan­tof­fel gestellt. Es gibt ver­ge­wal­tig­te Män­ner (»Samen­raub«) und sol­che, die sich gar ums Leben brin­gen, weil sie in die­ser män­ner­feind­li­chen Welt (Schei­dungs­krieg, Kin­des­ent­zug, Dif­fa­mie­rung) kei­nen Stich mehr machen konn­ten. »Män­ner neh­men sich das Leben, damit man ihnen Gehör schenkt, doch nie­mand hört zu«, klagt Dr. Smith. Und: Nur noch weni­ge Män­ner fän­den sich in lei­ten­den Funk­tio­nen, die »bil­den in vie­len Berei­chen des ame­ri­ka­ni­schen Lebens eine Min­der­heit.« Aus all die­sen Grün­den ver­wei­ger­ten sie sich zunehmend.

In den USA scheint der »Hei­rats­streik« ein gro­ßes The­ma zu sein, ein Punkt, der hier­zu­lan­de unter »fer­ner lie­fen« sub­sum­miert wird. Die Autorin führt All­tags­ge­sprä­che auf der Stra­ße und im Netz, sie för­dert dabei nichts zuta­ge, was nicht schon (hier wie drü­ben) x‑fach beklagt wur­de; die bes­ten Pas­sa­gen sind dar­um Fremd­zi­ta­te. Hoof läßt sei­ne Autorin streu­nen und umständ­lich aus­ho­len, um selbst zum gro­ßen Schlag aus­zu­ho­len: Sein sieb­zig­sei­ti­ger Essay zählt zum kras­ses­ten, was je zum The­ma Sexus/Gender geschrie­ben wur­de. Leit­mot­to: Sämt­li­che erwäh­nens­wer­ten tech­ni­schen, wis­sen­schaft­li­chen, phi­lo­so­phi­schen, lite­ra­ri­schen und musi­ka­li­schen Leis­tun­gen der Mensch­heits­ge­schich­te haben Män­ner bewerk­stel­ligt. Ist das miso­gyn? Ja, schon. Ist es wahr? Meistens.

Hoof läßt sei­ne tour de force durch den Femi­nis­mus im 19. Jahr­hun­dert begin­nen: Es gab eine »alt­eu­ro­päi­sche Öko­no­mik«, inner­halb derer über Jahr­tau­sen­de Män­ner und Frau­en als kom­ple­men­tä­re Sphä­ren zusam­men­wirk­ten »wie die rech­te mit der lin­ken Hand«. Mit der Indus­tria­li­sie­rung habe ein trau­ma­ti­scher Pro­zeß begon­nen: Der Mann ging in die Fabrik, die Frau blieb als Hüte­rin des Hau­ses zurück, »nach und nach befreit von ihren Antei­len an der Pro­duk­ti­on« (Spin­nen, Halt­bar­ma­chen etc.), für die ihr »als Ersatz die Orga­ni­sa­ti­on des Kon­sums zuwach­sen sollte.«

Den Frau­en soll­te es gut gehen – fan­den die Män­ner. Dar­um stand die ers­te Wasch­ma­schi­ne begü­ter­ten Haus­frau­en bereits Anfang des 20. Jahr­hun­derts zur Ver­fü­gung, wohin­ge­gen Berg­bau­ar­bei­ter (bis heu­te ein quo­ten­frei­er Berufs­zweig) eini­ge Jahr­zehn­te län­ger auf den Preß­luft­ham­mer war­ten muß­ten. Zeit­sprung: Unter der Viel­zahl von »Gen­der-For­schungs­ob­jek­ten«, die EU-weit zwi­schen 2006 und 2013 aus­ge­ru­fen wur­den (3,6 Mil­li­ar­den Euro!), fin­den sich nahe­zu aus­schließ­lich Frauenfördermaßnahmen.

Hoof nennt ein Bei­spiel: »FEM-tools. Zur gen­der­sen­si­blen Gestal­tung von Ket­ten­sä­gen«. Zum berüch­tig­ten Gen­der pay gap, also zum Ein­kom­mens­ge­fäl­le zwi­schen Män­nern und Frau­en, schlüs­selt der Autor Zah­len auf, die uner­hört sind: Selb­stän­dig täti­ge Män­ner erwirt­schaf­ten hier­zu­lan­de rund 4000 € im Monat, Frau­en 2300 €. Nie­der­ge­las­se­ne Ärz­tin­nen erzie­len rund 60 Pro­zent des Ein­kom­mens ihrer Kol­le­gen. Hoof legt nahe: Haben sie viel­leicht eine ande­re Ziel­stre­big­keit, eine ande­re, frei­ge­wähl­te Zeitbudgetbildung?

Gele­gent­lich über­zieht Hoof. Die jun­ge Mut­ter kle­be »an der Nut­zer­ober­flä­che ihrer Mobil­tei­le wie die Mot­te am Licht« – als ob der jun­ge Vater das nicht tue! Hoof ist Grün­der des Han­dels­im­pe­ri­ums Manu­fac­tum (»Es gibt sie noch, die guten Din­ge«), zugleich war er Lan­des­ge­schäfts­füh­rer der »Grü­nen«; bei­des tem­pi pas­sa­ti. Ich hat­te bei Manu­fac­tum ein Set Früh­stücks­mes­ser aus Eisen, nicht rost­frei, bestellt. Die Din­ger sind krass (und nicht mehr erhält­lich). Das Werk­zeug durch­schnei­det jedes Küchen­tuch und fährt in jede unvor­sich­ti­ge Hand. Gleich die­sen Mes­sern zeigt Hoofs ful­mi­nan­ter Auf­satz kei­ne mons­trö­sen Zäh­ne. Er glei­tet so soft wie beharr­lich ins Fleisch. Ich habe nach­ge­fragt: Ja, der Co-Autor ist glück­lich verheiratet.

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Helen Smit­hs Män­ner­streik kann man hier bestel­len.

Ellen Kositza

Ellen Kositza ist Literatur-Redakteurin und Mutter von sieben Kindern.

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Kommentare (2)

Solution

15. Februar 2018 16:38

Ich kenne persönlich eine ganze Reihe dieser "streikenden" Männer. Dieses Phänomen breitet sich auch bei uns aus: Kein Bock auf zickige Weiber, kein Bock auf Karriere, kein Bock auf gesellschaftliches Engagement, Rückzug ins Private, usw. Irgendwie gehöre ich wohl auch schon dazu.

Brandolf

13. Oktober 2020 16:31

Das Phänomen Inceldom sollte unbedingt im Kontext dieses Männerstreiks begriffen und gedeutet werden! Der sogenannte "Streik" erfolgt nämlich nicht immer freiwillig, sondern liegt in vielen Fällen im Zwang begründet.