Unter renommierten Wissenschaftlern Kritiker der Masseneinwanderung zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Die Politische Korrektheit hat sich dazu einfach als eine zu wirkmächtige Institution etabliert. Wer an der Universität Karriere machen will, wird sich deshalb entsprechend zurückhalten. Es bleiben somit nur eine Handvoll nonkonforme Wissenschaftler, die sich ihre intellektuelle und finanzielle Unabhängigkeit über Jahrzehnte hinweg hart erarbeitet haben. Neben dem Entwicklungsökonom Paul Collier zählt dazu an vorderster Front der ebenfalls in Oxford lehrende Politologe David Miller.
Er schrieb 2007 ein äußerst kluges Buch über nationale Verantwortung und globale Gerechtigkeit (National Responsibility and Global Justice, Besprechung auf Sezession im Netz), das leider bis heute nicht ins Deutsche übersetzt wurde. Darin weist er nach, daß wir es mit der Idee der Menschenrechte nicht übertreiben sollten, sondern auf globaler Ebene lediglich ein menschliches Minimum durchsetzen können. Was dies für die Frage der Einwanderung an Konsequenzen nach sich zieht, deutete er damals schon an.
Wohl deshalb durfte er in der Folge regelmäßig als Quoten-Einwanderungskritiker in wissenschaftlichen Debatten zu Wort kommen. Miller schildert dies in der Danksagung seines neuen Buches ganz offen. Seine intensive Beschäftigung mit Migrationsthemen begann damit, daß man ihn vor zehn Jahren gebeten habe: »Verteidige das Recht von Staaten darauf, ihre Grenzen für Einwanderer zu schließen!« Anscheinend fand sich für diese Aufgabe immer nur einer: Miller. Währenddessen argumentierten in den entsprechenden Sammelbänden selbstverständlich zehn Wissenschaftler für offene Grenzen. Das schimpft sich dann Debattenkultur.
Doch wie dem auch sei, Miller ist weit davon entfernt, ein Hardliner zu sein. Viel eher gewinnt man in Fremde in unserer Mitte den Eindruck, die Asylkrise habe seine Position verwässert. So verteidigt er ausdrücklich die Politik von Angela Merkel mit dem Satz: »Sobald hilfsbedürftige Menschen ankommen und sich zeigen, fordert es allein schon der schwache Kosmopolitismus, auf ihr Ersuchen positiv zu reagieren.« Daß diese positive Reaktion aber immer mehr Migranten anlockt, erwähnt Miller nicht mehr. Dafür betont er die Richtigkeit der »Idee einer integrierten Gesellschaft«.
Nur in Kapitel vier über »Geschlossene Grenzen« ist noch der »alte« Miller zu erleben, der auf Gefahren wie den Vertrauensrückgang in der multikulturellen Gesellschaft hinweist und die Machtverschiebung zugunsten von Migranten in aller Deutlichkeit anspricht. Zudem findet sich hier eine Auseinandersetzung über den Zusammenhang von globalem Bevölkerungswachstum, Grenzoffenhaltungs- und Klimapolitik.
Millers These: Wer Menschen in den armen Ländern dazu ermutigt, in den Westen zu migrieren, um den dortigen Lebensstil anzunehmen, minimiert zum einen die Anreize für Geburtenkontrollen, da Bevölkerungsüberschüsse einfach abgegeben werden können, und zum anderen sorgt dies auch dafür, daß durch steigenden Konsum die eigene Umwelt- und Klimapolitik ad absurdum geführt wird. Deshalb, so Miller, dürfte »Migration eher etwas Schlechtes für den Planeten insgesamt darstellen«.
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David Millers Fremde in unserer Mitte kann man hier bestellen.