Der französische Philosoph Alain de Benoist gilt bei Freund und Feind als europäischer Vordenker der Neuen Rechten. Auch wenn der Terminus ihm selbst mittlerweile mißfällt und man über Sinn und Zweck der Bezeichnung fachlich diskutieren mag, so ist primär etwas anderes zu beanstanden: Zum Vordenkersein gehörte, daß die Texte auch studiert und rezipiert werden. Daran hapert es bis heute innerhalb der deutschsprachigen Neuen Rechten, wo Benoist zwar als Name seit Jahrzehnten zirkuliert, seine fundamentalen Denkbewegungen aber zu selten nachvollzogen und adaptiert werden; anders ist es nicht zu erklären, welch weltanschauliche Stagnation die konservative und neurechte Szenerie dominiert, welch fehlende Weiterentwicklung und Neujustierung politischer Theoriebildung in den letzten Jahren zu verzeichnen ist.
Eine Vielzahl der Schriften von Benoist liegt dabei auch in Deutschland vor. Man müßte mit ihnen – ob chronologisch oder thematisch gruppiert – eine umfassende Nachholbewegung durchführen. Es ist verdienstvoll, daß sich der Jungeuropa Verlag – unmittelbar nach der deutschen Erst-übersetzung der Strategiefibel Für eine positive Kritik Dominique Venners – an eine Neuauflage einer bis heute wegweisenden Benoistschen Schlüsselschrift gewagt hat. Kulturrevolution von rechts erschien in deutschsprachiger Fassung erstmals 1985; sie war seit vielen Jahren nur antiquarisch erhältlich. Die Jung-europa-Edition ist sorgfältig bearbeitet und klug modifiziert worden: Armin Mohlers Vorwort wurde beibehalten, ein kundiger Aufsatz von Michael Böhm zur aktuellen Bedeutung Benoists für nonkonformes Denken hinzugefügt, während der alte, überholte Anhang zu französischen Presseerzeugnissen der 1980er Jahre wegfiel. Anmerkungen des Verlags sind zudem dort plaziert worden, wo der Leser von heute vielleicht eine kleine Denkhilfe benötigt oder es aus anderen Gründen hilfreich erscheint.
Das Buch selbst ist eine exzellente Handreichung für alle, die sich für Politik jenseits des Tagesbetriebs interessieren. Benoist ist einer der wenigen Akteure, die die bahnbrechenden Schriften des Marxisten Antonio Gramsci wirklich studiert haben. Mit Gramsci weiß Benoist, daß Hegemonie nur dann zu erlangen ist, wenn eine politische Bewegung ihre eigenen Ideen im kulturellen und im vorpolitischen (metapolitischen) Raum als führend zu setzen vermag, was langfristigen »Stellungskrieg« mit sich bringen kann. Ist dies geschehen, verfügt man also über die kulturelle Hegemonie in einer Gesellschaft, kann wirkmächtige politische Hegemonie folgen. Eine solche Theorie richtet sich speziell gegen Ansätze, nach denen zuallererst parlamentarische Wahlerfolge zu einer Tendenzwende führten. Benoist hält dies für einen fatalen Trugschluß –zunächst müsse die gesellschaftliche Stimmung in eine andere Bahn gelenkt werden.
Das erfordert jedoch langfristige Planung und bisweilen viel Geduld. »Alle großen Revolutionen der Geschichte«, so Benoist, »haben nichts anderes getan, als eine Entwicklung in die Tat umzusetzen, die sich zuvor schon unterschwellig in den Geistern vollzogen hatte.« Ohne revolutionäre Theorie keine revolutionäre Praxis, hieß es bei Lenin und Venner. Alain de Benoist ergänzt, daß genau dies die »Rache der Theoretiker« sei, »die nur scheinbar die großen Verlierer der Geschichte sind«.
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Alain de Benoists Kulturrevolution von rechts kann man hier bestellen.