Lauter Dreißigjährige Kriege?

Der Dreißigjährige Krieg hat wieder Konjunktur.

Seit­dem sich auch in der letz­ten Talk­show her­um­ge­spro­chen hat, daß die nun auch nicht mehr so „neu­en Krie­ge“ kei­ne Pan­zer­schlach­ten in der Nord­deut­schen Tief­ebe­ne sind, braucht es ande­re Erklärungsmuster.

Also ver­fällt man auf den Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg.

  • Ein Bür­ger­krieg, der durch aus­län­di­sche Inter­ven­tio­nen zum Flä­chen­brand wird? Klar..
  • Ein Kriegs­schau­platz, der von Ban­den statt von regu­lä­ren Armeen beherrscht wird? Klar.
  • Die über­wäl­ti­gen­de Mehr­heit der Opfer sind Zivi­lis­ten? Klar.

Fer­tig ist das Bild vom Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg, durch des­sen Deu­tungs­mus­ter man dann das ori­en­ta­li­sche oder afri­ka­ni­sche Cha­os unse­rer Tage betrachtet.

Die­se Deu­tung bie­tet immer­hin einen Halt. Am Ende des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges stand der West­fä­li­sche Frie­den. Ein Euro­pa neu­zeit­li­cher Staat­lich­keit im Zei­chen des Völ­ker­rechts. Die Hoff­nung, auch die­sen Punkt eines Tages abha­ken zu kön­nen, mag erklä­ren, war­um gera­de aus­ge­wie­se­ne Ken­ner der betref­fen­den Welt­ge­gen­den immer wie­der auf das Erklä­rungs­mus­ter Drei­ßig­jäh­ri­ger Krieg verfallen.

So Micha­el Lüders ins sei­nem Buch „Die den Sturm ern­ten, Wie der Wes­ten Syri­en ins Cha­os stürz­te“: „Syri­en durch­lebt gegen­wär­tig, wie wei­te Tei­le der ara­bisch-isla­mi­schen Welt ins­ge­samt, einen Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg. Am Ende, das noch lan­ge nicht in Sicht ist, könn­te durch­aus ein West­fä­li­scher Frie­de stehen.

Oder Gérard Prunier, der in „Africa’s World War; Con­go, the Rwandan Geno­ci­de, and the Making of a Con­ti­nen­tal Cata­stro­phe“ den (nicht von ihm stam­men­den) Ver­gleich mit den Welt­krie­gen ver­wirft und statt­des­sen den Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg her­an­zieht. Die Kon­go­krie­ge sei­en sogar, bei allem Grau­en, der Ein­tritt Afri­kas in die Moder­ne gewesen.

Es han­delt sich bei den Genann­ten nicht um die Atlan­tik­pres­se. Die hat sol­che Kom­pli­ka­tio­nen gar nicht nötig. „Irgend­je­mand ist Böse und der macht böse Sachen, über die wir uns dann empö­ren.“ Das reicht in die­sem Geschäft.

Nein, bei Lüders und Prunier han­delt es sich um Ver­tre­ter jenes Gen­res kri­ti­scher Sach­buch­li­te­ra­tur, des­sen Groß­va­ter Peter Scholl-Latour war. Ihre Leser­schaft besteht aus jenem Teil des Bür­ger­tums, daß sich poli­tisch zu einem gewis­sen Gra­de von den Sys­tem­me­di­en eman­zi­piert hat. Hier besteht ein Bedürf­nis nach poli­ti­scher Bil­dung, die den Leser über die Plat­ti­tü­den der all­täg­li­chen Pro­pa­gan­da erhebt, ihm das Selbst­ge­fühl eines Rea­lis­ten ver­leiht, der sich nicht von Huma­ni­täts­du­se­lei irre machen läßt, dabei aber den Schock in Gren­zen hält.

Die Deu­tung der neu­en Krie­ge vor der Folie des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges ist hier­für ide­al. Die Bot­schaft: „Das wird noch lan­ge eine sehr häß­lich Ange­le­gen­heit blei­ben, wer auf die Phra­sen in den Medi­en her­ein­fällt ist ein Idi­ot (anders als ich). Aber am Ende (wenn die gan­zen Irren sich aus­ge­tobt haben) kann doch ein West­fä­li­scher Frie­den stehen.“

Ein kur­zer Blick auf den ech­ten Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg zeigt sofort, wie schräg die­se Ver­glei­che und wie unbe­grün­det die­se Hoff­nun­gen sind. Wor­um wur­de zwi­schen 1618 und 1648 gekämpft? Mag die Reli­gi­on für den inner­deut­schen Kon­flikt noch eine wesent­li­che Rol­le gespielt haben, für die gesamt­eu­ro­päi­sche Lage war etwas ganz ande­res entscheidend.

Im Euro­pa des 17. Jahr­hun­derts setz­te sich die neu­zeit­li­che Staat­lich­keit unauf­halt­sam gegen die letz­ten Über­res­te der feu­da­len Epo­che durch. Das war allen wachen Zeit­ge­nos­sen klar. Für Deutsch­land, mit sei­nen star­ken Lan­des­herr­lich­kei­ten, gab es damit nur zwei Wege. Ent­we­der das Reich wür­de „abso­lut“, der Habs­bur­ger Kai­ser erhiel­te eine ande­ren euro­päi­schen Mon­ar­chen ver­gleich­ba­rer Stel­lung und die Reichs­stän­de wären damit fak­tisch abge­schafft. Oder aber die Staats­bil­dung voll­zö­ge sich auf der Ebe­ne der Lan­des­fürs­ten­tü­mer, womit die­se voll­stän­dig sou­ve­rän wür­den und das Reich auf den Rang einer sym­bo­li­schen Erschei­nung verwiesen.

Um die­se Ent­schei­dung wur­de der Krieg geführt. Ent­stün­de im Kern Euro­pas eine star­ke, alle übri­gen Natio­nen über­ra­gen­de Zen­tral­macht, oder ein Fli­cken­tep­pich aus Klein­staa­ten, der zum Spiel­ball des rest­li­chen Kon­ti­nents her­ab­sän­ke? Gus­tav II. Adolf und sein Kanz­ler Oxen­stier­na wuß­ten eben­so, war­um sie in den Teut­schen Krieg ein­grif­fen, wie spä­ter Kar­di­nal Riche­lieu: Um ein staat­lich geein­tes Deutsch­land zu ver­hin­dern, daß ihren eige­nen natio­na­len Ambi­tio­nen enge Gren­zen gesetzt hätte.

Euro­pas Weg zur neu­zeit­li­chen Staat­lich­keit und der damit ver­bun­de­nen völ­ker­recht­li­chen Ord­nung war dabei eine vor­aus­ge­setz­te Gege­ben­heit, die schon lan­ge vor dem Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieg ein­ge­setzt hat­te. Das Rin­gen ging ein­zig und allein um die Fra­ge, in wel­chem Grö­ßen­rah­men sich die­se Ent­wick­lung im Zen­trum Euro­pas ver­wirk­li­chen soll­te. Das Ob stand außer Fra­ge, es ging nur noch um das Wie.

Die an Ort und Zeit gebun­de­nen kul­tu­rel­len, bio­lo­gi­schen, gesell­schaft­li­chen und tech­no­lo­gi­schen Ver­hält­nis­se über­las­sen der Poli­tik ledig­lich deren Aus­ge­stal­tung. Poli­ti­sche Ereig­nis­se kön­nen Jahr­hun­der­te prä­gen. Die Ent­las­sung Wal­len­steins, auf Druck eigen­süch­ti­ger Fürs­ten, barg alle künf­ti­gen Kata­stro­phen der deut­schen Geschich­te in sich. Aber, gemes­sen an der gesam­ten Varia­ti­ons­brei­te mensch­li­cher Exis­tenz, ist der poli­tisch beein­fluß­ba­re Teil doch eher schmal.

Kei­ne Greu­el des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krie­ges hat Euro­pa von sei­ner wei­te­ren Ent­wick­lung abhal­ten kön­nen. Es sank trotz eines der ent­setz­lichs­ten Krie­ge der Welt­ge­schich­te nicht in vor­kul­tu­rel­le Bar­ba­rei zurück, weil das nur durch die Zer­stö­rung der gesam­ten abend­län­di­schen Kul­tur qua Aus­mor­dung ihrer Völ­ker über­haupt mög­lich gewe­sen wäre.

Aus dem­sel­ben Grund, aus dem auch ein lan­ger und zer­stö­re­ri­scher Krieg in Euro­pa nicht die feu­da­len Ver­hält­nis­se wie­der­her­stel­len konn­te, kön­nen sol­che Krie­ge im Ori­ent und Afri­ka nicht zur neu­zeit­li­chen Staat­lich­keit und einem Völ­ker­rechts­sys­tem west­fä­li­schen Vor­bilds füh­ren: Die Ebe­ne, auf der sol­cher­lei ent­schie­den wird, wird auch durch gro­ße und lang­an­hal­ten­de Krie­ge kaum angekratzt.

Sehen wir uns also an, wor­um die „neu­en Krie­gen“ geführt wer­den. Ihre Ursa­che ist nicht in der Staats­bil­dung zu suchen, son­dern im Staats­zer­fall. Trotz äußer­li­cher Ähn­lich­kei­ten han­delt es sich um das genaue Gegen­teil des Drei­ßig­jäh­ri­gen Krieges.

Staa­ten, die nie­mals Staa­ten waren, schei­tern voll­ends. Meist, weil die Res­sour­cen nicht mehr aus­rei­chen, ein Land, in dem nie­mand Loya­li­tät gegen­über einer Abs­trakt­heit wie „dem Staat“ emp­fin­det, mit einer alle euro­päi­schen Maß­stä­be spren­gen­den Kli­en­tel­po­li­tik ruhig zu stellen.

Der Jugend­über­schuß der viel zu Vie­len, erup­tiert in Gewalt. Das Land sinkt ins Cha­os und zieht sei­ne regio­na­le Umwelt mit sich. Für die tie­fe­ren Ursa­chen die­ser Krie­ge ist es dabei gleich­gül­tig, ob solch ein Land von allei­ne implo­diert, oder ob aus­län­di­sche Inter­es­sen­ten, aus wel­chen Moti­ven auch immer, nach­ge­hol­fen haben. Ohne die inne­re Schwä­che poli­ti­scher, gesell­schaft­li­cher und wirt­schaft­li­cher Struk­tu­ren, wel­che die durch impor­tier­te Medi­zin ermög­lich­ten Bevöl­ke­rungs­zah­len nie­mals ver­ar­bei­ten kön­nen, lie­fen alle Desta­bi­li­sie­rungs­ver­su­che aus­län­di­scher Geheim­diens­te ins Leere.

Gleich­gül­tig, wer am Ende eines sol­chen Krie­ges die Macht an sich geris­sen hat. Es wird selbst im bes­ten Fal­le nichts ande­res dabei her­aus­kom­men, als ein neu­es Regime der Art Sad­dams oder Assads. In Schwarz­afri­ka kann man nicht ein­mal damit rech­nen. Wenn das ver­gan­ge­ne hal­be Jahr­hun­dert seit der Ent­ko­lo­nia­li­sie­rung etwas gelehrt hat, dann daß Moder­ni­sie­rung in einem gro­ßen Teil der Welt nur gera­de soweit mög­lich ist, tra­di­tio­nel­le Struk­tu­ren zu beschä­di­gen und einen Bevöl­ke­rungs­zu­wachs aus­zu­lö­sen, den die dor­ti­gen Gesell­schaf­ten nicht verkraften.

Auch die grau­si­gen Krie­ge, in denen sich die dadurch erzeug­ten Span­nun­gen bei­zei­ten ein­mal ent­la­den, ändern an den dahin­ter­ste­hen­den Struk­tu­ren nichts. Die­se wer­den uns mit allen Kon­se­quen­zen erhal­ten bleiben.

Ein West­fä­li­scher Frie­den kommt dabei nicht zustan­de, das genaue Gegen­teil ist der Fall. In den neu­en Krie­gen wer­den jene Tei­le der West­fä­li­schen Ord­nung in Fra­ge gestellt, die die­sen Welt­ge­gen­den wäh­rend der Kolo­ni­al­zeit auf­ge­prägt wur­de: Staa­ten mit auf der Kar­te fest­ge­leg­ten Gren­zen, abge­schlos­se­ne Ter­ri­to­ri­en, die zumin­dest eini­ger­ma­ßen von einer ver­ant­wort­li­chen Zen­tral­re­gie­rung kon­trol­liert wer­den und deren Ver­kehr unter­ein­an­der auf dem Par­kett der inter­na­tio­na­len Diplo­ma­tie verläuft.

Die­se aus der Kolo­ni­al­zeit her­vor­ge­gan­ge­nen Staa­ten haben heu­te einen schlech­ten Ruf. Die mit dem Line­al in den Sand gezeich­ne­ten Gren­zen sei­en die Ursa­che, der der­zei­ti­gen Insta­bi­li­tät. Es ist ja nicht zu leug­nen, daß die­sen quer über Stam­mes­gren­zen hin­weg ver­lau­fen­den Gebil­den die Fes­tig­keit homo­ge­ner Natio­nal­staa­ten fehlt.

Trotz­dem haben sich die­se post­ko­lo­nia­len Staa­ten als außer­or­dent­lich zäh erwie­sen. Der Grund dafür ist ein­fach. Es gab und gibt kei­ne trag­fä­hi­gen Alter­na­ti­ven. Jeder halb­wegs Ver­ant­wort­li­che im Ori­ent oder in Afri­ka wuß­te und weiß noch heu­te, daß die Höl­le los­bricht, sobald die­se Über­bleib­sel der Kolo­ni­al­zeit in Fra­ge gestellt wer­den. Die Orga­ni­sa­ti­on für afri­ka­ni­sche Ein­heit – die heu­ti­ge Afri­ka­ni­sche Uni­on – schrieb des­halb bereits auf ihrer ers­ten Sit­zung im Jah­re 1964 die Unver­letz­lich­keit der post­ko­lo­nia­len Gren­zen fest. Auf wel­cher Basis hät­te man den sonst auch nur ein Mini­mum an Staat­lich­keit erhal­ten sollen?

Frei­lich, kei­ne sol­che Dekla­ra­ti­on hat die­sen Staa­ten die Fes­tig­keit der euro­päi­schen Vor­bil­der gege­ben. Immer wie­der, in letz­ter Zeit in der Ara­bel­li­on, wird ihre inne­re Schwä­che offen­bar. Dann wer­den sie von poli­ti­schen Kräf­ten her­aus­ge­for­dert, die den dar­in leben­den Völ­kern natür­li­cher sind: Stam­mes­al­li­an­zen und Fami­li­en­clans, im Fal­le des Ori­ents auch reli­giö­se Gemein­schaf­ten und selbst­ver­ständ­lich, wie in jedem Cha­os, Mili­zen und Ban­den aller Art.

Dadurch wird die Staat­lich­keit als sol­che geschwächt und an die Stel­le einer im schmitt­schen Sin­ne reprä­sen­ta­ti­ven Staats­ge­walt tritt das Wirr­warr der Macht­ha­ber unter­schied­lichs­ter Grö­ße und Art.

Die­se neu­en– oder auch alten, vor­staat­li­chen –poli­ti­schen Gebil­de sind durch das klas­si­sche Völ­ker­recht oft gar nicht faß­bar. Mit dem Kriegs­recht euro­päi­scher Land­krie­ge hat ihre Kriegs­füh­rung nichts zu tun. Ihre Ver­wal­tung ist den Anfor­de­run­gen des moder­nen Zeit­al­ters in keins­ter Wei­se gewachsen.

Kei­ner der immer wie­der an ver­schie­de­nen Stel­len der Drit­ten Welt auf­flam­men­den „neu­en Krie­ge“ hat bis­her eine neue Ord­nung geschaf­fen, die die­sen Völ­kern eine ange­mes­se­ne poli­ti­sche Form für das 21. Jahr­hun­dert böte. Alles was dabei gesche­hen ist, ist die Beschä­di­gung einer aus Euro­pa über­nom­me­nen Staat­lich­keit, die die­sen Völ­ker nicht paßt, wel­che sie aber eben­so­we­nig erset­zen kön­nen. Aus die­sem Grund, mehr als aus allen Kriegs­greu­eln, trei­ben all die­se klei­nen und gro­ßen Kon­flik­te die Über­schüs­si­gen der Drit­ten Welt nordwärts.

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Kommentare (14)

quarz

25. April 2018 20:08

Angesichts dessen empfinde ich immer ein großes Maß an Komik (die ich wegen des Ernstes der Situation leider nicht genießen kann), wenn Vertreter des Regimes der offenen Grenzen über Details der militärischen Landesverteidigung diskutieren.

Welcher Gedanke könnte unter der Prämisse der Merkelschen Territoriumspolitik anachronistischer sein als der, dass sich ein Invasionsaspirant anschickt, unter Aufbietung militärischer Mittel in Deutschland einzufallen? Wem der Sinn nach Eroberung steht, der schickt seine Leute unbewaffnet über die Grenze und bewaffnet sie hier.

Thomas Martini

25. April 2018 22:16

"Keiner der immer wieder an verschiedenen Stellen der Dritten Welt aufflammenden „neuen Kriege“ hat bisher eine neue Ordnung geschaffen, die diesen Völkern eine angemessene politische Form für das 21. Jahrhundert böte."

Poensgens Überlegungen wirken hier leider mal wieder schlampig. Der entscheidende Faktor wird vernachlässigt: Das Geld. Nur so lassen sich Thesen aufstellen, bei denen der Westen plötzlich wie die Unschuld vom Lande wirkt.

Gewiss, die Fähigkeit zur Ausbildung von funktionierenden (National-)Staaten, ist in Nordafrika, und erst recht weiter südlich, längst nicht so stark ausgeprägt, wie das in Europa oder Asien der Fall ist. Das liegt aber vor allem auch daran, daß diese Länder nicht zur Ruhe kommen. Stattdessen sind sie gezwungen, auf einem Weltmarkt zu konkurrieren, der von übermächtigen Staaten wie den USA, China, Russland, und der EU dominiert wird. Ein Weltmarkt, der von der in Washington ansässigen Weltbank und dem ebenfalls in Washington ansässigen Internationalen Währungsfonds geprägt ist. Es ist nicht gründlich, die "neuen Kriege" im Zeitalter der Globalisierung zu bewerten, ohne dabei die Herrschaft des Geldes zu berücksichtigen.

Wenn wir davon ausgehen, daß Herr Poensgen mit seinen Ausführungen richtig liegt, müsste es in Staaten wie Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten, natürlich Saudi-Arabien, aber auch Angola, ähnlich aussehen, wie in jenen Staaten, die - wie Syrien oder Libyen - gezielt vom Westen destabilisiert wurden. Tatsächlich aber genießt man in Dubai oder Riad einen ähnlichen Wohlstand wie in Monaco. Davon kann der fleißige Schlafmichel in der BRD nur träumen. Treudoof wie er nunmal ist, lässt er sich mittlerweile als Tourist nach Dubai locken, um auch einmal die Aussicht vom "Burj Khalifa" genießen zu können.

An diesen Beispielen scheitert auch Poensgens Behauptung hinsichtlich des nicht zu verkraftenden Bevölkerungswachstums. Saudi-Arabien hatte unmittelbar nach der Kolonialzeit nur etwas mehr als drei Millionen Einwohner, heute sind es laut offiziellen Zahlen über 30 Millionen, davon rund 11 Millionen legal im Land lebende Ausländer. Chaos, oder sagen wir "rechtsfreie Räume" á la BRD, sind dort jedoch Fehlanzeige.

An dem Punkt stellt sich die Gretchenfrage: Liegt das nun an besonderen Fähigkeiten der Saudis? Oder lässt sich der staatliche Erfolg letztlich - so profan das klingen mag - auf ihre Geldmacht zurückführen?

Darüber kann es wohl keinen Zweifel geben. Daher teile ich Herrn Poensgens Einschätzungen nur insofern: Vergleiche mit dem Dreißigjährigen Krieg und dem Westfälischen Frieden sind bei den Kriegen und Konflikten seit 9/11 tatsächlich Unfug. Ein Deutungsmuster, das von den perfiden Einmischungen des Westens ablenkt, ist mir unter dem Strich jedoch zu leichtfertig.

Somit ist auch Poensgens Schlussfolgerung eine Absage zu erteilen. Die angeblich aus Europa übernommene Staatlichkeit zerstört der Westen selbst. Dabei werden die Überschüssigen der Dritten Welt von den Globalen Eliten gezielt nordwärts gelockt und getrieben. Sie sind, wie es Thor von Waldstein präzise formulierte, die "Verschiebemasse" für die Umvolkung Europas. Darüber sollte man sich innerhalb der Neuen Rechten einig sein.

Der_Juergen

25. April 2018 22:17

Hervorragender Artikel; mein Respekt.

Andreas Walter

26. April 2018 01:15

Wusste gar nicht, dass die Analogie derzeit auch noch auf andere Regionen angewendet wird ausser für die Zukunft Westeuropas. Im Netz habe ich zumindest darüber noch nichts mitbekommen. Wenn auch ich diese Analogie gelegentlich verwende sind damit allerdings nur "Zustände wie im Dreißigjährigen Krieg" gemeint, könnte es aber ebenso auch Narco War World oder Warlord Territories oder auch Stammeskriege nennen. Oder Zustände wie in Kolumbien oder Mexiko, doch wer hier in Deutschland soll damit etwas anfangen können. An einen Frieden denke ich in dem Moment noch nicht mal. Der kommt vielleicht dann, wenn bereits 150 Millionen Europäer tot sind, wahrscheinlich aber noch viele mehr, weil eine Industrienation ein viel empfindlicheres System ist als ein Entwicklungsland.

Hier muss man daher in der Tat ganz genau unterscheiden, ob es sich dabei um homegrown und natürlich gewachsene oder um importierte, oktroyierte Strukturen beziehungsweise Substrukturen handelt. Wie auch der Grad der Entwicklung und dadurch auch Komplexität bei Störungen eine wichtige Rolle spielt. Darum hinken natürlich alle diese Vergleiche, je genauer man hinschaut.

Oder um es ganz brutal zu sagen: Ohne Diktatoren wären sowohl Afrika wie auch der Nahe Osten schon längst wieder auf dem Niveau von Stammesgesellschaften wie zum Beispiel in Somalia, und sind es intern, in der Substruktur ja auch. Solche Substrukturen gibt es aber sogar schon in Süditalien.

Die libanesischen Clans als Beispiel machen in Deutschland daher lediglich das, was sie zuhause deswegen nicht könnten, während die zivilisierten Deutschen bereits vollkommen vereinzelte Wesen beziehungsweise Kleinfamilien sind. Rotten sich hier aber ein paar jugendliche Deutsche zu ihrem eigenen Schutz zusammen heisst es gleich NSU, Nazis, Rassisten.

Über kurz oder lang kommt daher auch hier entweder Sharia, Stalin 2.0 oder Hitler 2.0, also eine Diktatur. Oder wir müssen eben auch unsere Grenzen ab sofort so rigoros verteidigen wie die Juden in Israel, wie die VSA vielleicht in Zukunft oder Australien schon jetzt. Bereits die problematischen Zustände in den VSA und Brasilien zeigen nämlich, das echtes Multikulti genauso eine Illusion ist wie Marxismus, Kommunismus oder Sozialismus ohne Diktatur. Es widerspricht eben der menschlichen Natur und auch die Weibchen wollen lieber den Prinz von Zamunda oder den King of Wakanda, oder teilen sich sogar einen Scheich, nicht aber den arbeitslosen Schlosser aus Halle wenn der nicht wie Adonis aussieht oder andere Dinge dafür gut kann.

Aus darwinistischer Sicht kann man daher nur sagen: Der Bessere wird gewinnen, was immer das auch bedeutet und dafür nötig ist, wenn es ums Überleben geht. Genau darum haben ja Warlords Waffen - und tragen Frauen Schminke oder Burka.

eike

26. April 2018 04:13

"aus jenem Teil des Bürgertums, daß sich [...] emanzipiert hat"

Abgesehen davon, daß man in einem Portal von der sprachlichen Qualität der sezession.de "daß" und "das" nicht verwechseln sollte, ein hervorragender Artikel.

Inhaltlich wäre allerdings zu kritisieren, daß - politisch korrekt - "the usual suspects" keine Erwähnung finden.

Syrien, Irak, Libyen sind/waren nicht per se instabil, wie der Autor suggeriert. Sie waren sogar für Drittweltverhältnisse erstaunlich stabil. Sie wurden von außen "instabilisiert", um Israels Feinde zu schwächen.

Aber das dürfen in der derzeitigen BRD wohl nur Rapper mit Migrationshintergrund sagen ...

Der_Juergen

26. April 2018 10:01

@Thomas Martini

Meist bin ich mit Ihren Kommentaren einverstanden, aber diesmal hinkt Ihre Beweisführung auf beiden Füssen. Der Reichtum Saudi-Arabiens und der Golfstaaten geht ja nun wirklich nicht auf das Talent und den Fleiss der einheimischen Bevölkerung zurück, sondern auf den märchenhaften Ölreichtum, mit dem sie gesegnet sind. Dank dieses Reichtums konnten sie es sich leisten, europäische und amerikanische Ingenieure und Techniker ins Land zu holen, die ihnen die nötige Infrastruktur aufbauten.

Für manuelle Arbeiten sind sich die Herren Saudis, Qataris etc. bekanntlich zu fein. Die werden von Gastarbeitern aus den Philippinen, Bangladesh,
Ägypten etc. verrichtet, die im allgemeinen schlecht behandelt werden; dies gilt in erhöhtem Mass bekanntlich für die als Dienstmädchen importierten ausländischen Frauen, deren Leben oft die Hölle auf Erden ist.

Unter solchen Umständen kann selbst das faulste und unbegabteste Volk der Welt zu Wohlstand gelangen.

Und dass ein Riesenland wie Saud-Arabien ohne weiteres 30 Millionen oder mehr Einwohner verkraften kann, ist auch keine sensationelle Nachricht. Es heisst aber noch lange nicht, dass sich auch ein bettelarmes Land wie z. B. der Niger (im Schnitt 6,8 Geburten pro Frau) eine entsprechende Bevölkerungsexplosion leisten kann, ohne dass am Ende ein massenhaftes Hungersterben steht. Dafür kann die "westliche Einmischung", die Sie offenbar als Hauptgrund für die Instabilität und das Elend in Afrika betrachten, nun wirklich nichts - es sei denn, man stufe die Einführung der modernen Medizin durch Kolonialherren und Entwicklungshelfer als "Einmischung" ein.

Alveradis

26. April 2018 11:37

Mir fehlt : A Clean Break: Project for the New American Century (PNAC)

Aber zu Afrika.

"Keiner der immer wieder an verschiedenen Stellen der Dritten Welt aufflammenden „neuen Kriege“ hat bisher eine neue Ordnung geschaffen, die diesen Völkern eine angemessene politische Form für das 21. Jahrhundert böte. "

Das ist doch auch nicht gewünscht. Gerade dort, wo es Bodenschätze gibt will man keine "den Völkern angemessene politische Form" sondern Kontrolle von außen. Botswana war für mich eine Augenöffner. Sofort nach (!) der Unabhängigkeit wurden dort Bodenschätze gefunden, die dem kleinen Land eine echte Chance boten trotz niedrigem IQ ganz gut zu leben. Aber sie dürfen ihre Grenze nicht schützen und von allen Seiten ließ man Armutsflüchtlinge einströmen. Die UNO hat dann den Antirassismus in Botswana eingeführt, denn natürlich gab es Wütende Gegenwehr. Eine untereinander zerstrittene Bevölkerung ist besser, als ein Volk, dass Fragen könnte, wo sein Reichtum hin fließt.

Die Verbindung von Volk/ Stamm und Boden oder Volk und Bodenschätzen aufzubrechen, wie in Botswana durch Masseneinwanderung oder in anderen Ländern durch Krieg und Vertreibung, das ist denke ich ganz zentral.

Aber auch Mexiko kann genannt werden. Der Freihandel zerstörte die Landwirtschaft. Die Leute strömten in die Städte und strömen in die USA um dort ebenfalls Fluchtbewegungen, dann unter den Weißen, auszulösen.

Entwurzelung, Vermischung bis kein Bewusstsein für Identität, Erbe oder Eigentum am Boden mehr übrig ist.
Es ist so als würde ein großer Rechen kreuz und quer über den Globus fahren und das wird so lange wiederholt, bis nur noch die kleinste Einheit übrig ist, das entwurzelte Individuum.

Für Syrien hat John McCain 30 Jahre Krieg angedroht. Ich denke, dass das Ziel ist, eine ganze Generation unter andauernden Unruhen aufwachsen zu lassen. Der Irak darf ja auch nicht zur Ruhe kommen.

Old Linkerhand

26. April 2018 17:34

Der Dreißigjährige Krieg wurde mit dem sicheren Wissen eines gerechten Frieden geführt, so wie alle Kriege in Europa bis 1918. Daß der Krieg dann doch so lange dauerte, löste tiefe Verunsicherung aus. Trotzdem kam die Kunst und Wissenschaft in dieser Zeit nicht zum Erliegen. Die Barocklyrik eines Gryphius (Sonette über die Schrecken des Krieges) oder Opitz erreichte hier ihren Höhepunkt. Wie katastrophal anders verhält sich die Lage im Orient, von Afrika ganz zu schweigen. Volle Zustimmung zu diesem gelungenen Beitrag von Johannes Poensgen.

Alveradis

27. April 2018 11:02

Old Linkerhand
26. April 2018 17:34

"Der Dreißigjährige Krieg wurde mit dem sicheren Wissen eines gerechten Frieden geführt, so wie alle Kriege in Europa bis 1918. Daß der Krieg dann doch so lange dauerte, löste tiefe Verunsicherung aus. Trotzdem kam die Kunst und Wissenschaft in dieser Zeit nicht zum Erliegen. Die Barocklyrik eines Gryphius (Sonette über die Schrecken des Krieges) oder Opitz erreichte hier ihren Höhepunkt."

Einzelne kulturelle Höchstleistungen können den Verlust an Menschen und Volkskultur nicht ausgleichen. Ja, der Dreißigjährige Krieg wird uns heute als erfolgreiches Modernisierungsprojekt verkauft, der unser Land durch Ausmordung großer Bevölkerungsteile "wirtschaftlich offener" machte.
Landwirtschaftliche Flächen lagen brach, Dörfer standen leer, entwurzelte Landlose konzentrierten sich in Städten, die durch Aufnahme von Schulden wieder aufgebaut wurden. Es dauerte mehrere hundert Jahre, bis die Bevölkerungszahl den Vorkriegsstand erreichen konnte aber gewachsene Volkskultur, das ganze bunte Gewebe aus unterschiedlichsten ländlichen Bräuchen und Traditionen lässt sich nicht ersetzen und Kriegstraumata wirken über Generationen hinweg. Ich denke, dass sie auch heute wirken, denn wir sind ja die Nachfahren der Überlebenden.

Anders als beim Ausmorden der Iren durch die Hungerwaffe standen bei uns keine neuen Besitzer parat, die die leergefegten Landstriche übernehmen konnten allerdings wurden die schwachen Randregionen immer wieder das Ziel von Überfällen durch die Nachbarn. Ich bin der Auffassung, dass all das unseren Volkscharakter , abgesehen von den herbeigeführten Verwerfungen des Genpools, prägt. "German Angst", dieser Begriff, der uns lächerlich machen soll, ist das Ergebnis der Traumatisierung unseres Volkes. Weil ich das nun besser verstehe, verstehe ich auch, dass für Afroamerikaner die Sklaverei , für viele Völker die Kolonialzeit tatsächlich eine andauernde Verletzung ist, die zu politischen Zwecken im antiweißen Rassismus als Werkzeug genutzt wird. Es gibt aber diesen Kern, diesen scherzhaften Verlust der Wurzeln wirklich.

Rückblickend lesen wir die Geschichte mit den Augen der Heutigen und meist durch die Brille der Herrschenden und tun das umso williger als man uns einige Jahrzehnte Wohlstand erlaubte, bevor uns all das was wir für unsere Eigentum und unser Recht hielten wieder genommen wird.

Inzwischen versuche ich es mir anzutrainieren die Weltgeschichte und die heutigen Ereignisse zeitlich und räumlich wesentlich verwobener zu betrachten. Die Mechanismen wie Krieg und die Bedingungen des verordneten Friedens, die wirtschaftliche Organisation, die Abhängigkeiten vom jeweiligen Finanzsystem, all das lese ich immer stärker als Prozess der Enteignung und Erringung von Hegemonie.

Wo stünden wir, wo stünde Afrika oder der Nahe Osten, hätte man uns alle einfach mal in Ruhe gelassen und nicht fortwährend durch neue Kriege ( auch wirtschaftliche) umsortiert? Die Vernichtung der kulturellen Wurzeln und die Trennung vom Boden haben nicht nur uns, sondern auch den Afrikanern die Würde geraubt. Die globalisierte Wirtschaft, der freie Fluss von Kapital, Waren und Menschen ist für fast alle Völker der Welt die "Endzeit" , selbst für die, die sich zahlenmäßig unablässig vermehren und dadurch scheinbar über uns siegen. Wir sind zu leeren Gefäßen gemacht worden und um die seelische Leere auszugleichen bietet man uns Glasperlen an. Die Flucht in die angebotenen Religionen wird das nicht ändern, denn weder der Islam noch das Christentum achten die Völker und deren Wurzeln sondern arbeiten wie ein Fleischwolf.

Ich habe keine Sympathie für die einströmenden Massen. Sie sind ja auch eine Negativauswahl der Völker aus denen sie stammen. Sie sind die, die Boden und Herkunft, freilich ohne es zu begreifen, für kurzfristig gesteigerten Konsum und Sex aufgegeben haben. Aber selbst in ihrer Gier sind sie Opfer der Bedingungen, die ihren Völkern übergestülpt wurden.

Andreas Walter

27. April 2018 12:30

Solange es Deutschland wirtschaftlich gut geht wird es allerdings nicht so wie in Mexiko werden:

https://www.n-tv.de/panorama/Brutaler-Studentenmord-erschuettert-Mexiko-article20407673.html

Die Zahl der 30.000 desaparecidos, der (spurlos) Verschwundenen bezieht sich allerdings auf die letzten 10 Jahre zusammen:

https://www.eluniversal.com.mx/articulo/estados/2017/08/10/desaparecen-3-mil-personas-cada-ano

Doch selbst theoretisch 990.000 Getötete in 30 Jahren bei etwa 130 Millionen Einwohnern in Mexiko (0,76%) ist noch harmlos gegenüber dem 30 Jährigen Krieg im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, bei einer Bevölkerung von geschätzt 18 Millionen um 1600, von denen 1650 noch 12 da gewesen sein sollen (33%).

Wobei ohne vollversorgende Kohle- oder Energieinfrastruktur ein massiver Bürgerkrieg Deutschland auch in kurzer Zeit auf sogar vorindustrielles Niveau zurückwerfen könnte. Um 1850 lag die Bevölkerung auf dem Gebiet des Deutschen Zollvereins bei etwa 30 Millionen Menschen, auf einer Fläche die aber fast 2 mal so gross war wie heute. Eine Dezimierung der Bevölkerung um sogar 75-80% wäre in so einem Fall also denkbar, weil das derzeitige Niveau nur durch massive externe Energiezufuhr in Form von Gas und Öl von aussen überhaupt aufrecht erhalten werden kann. 400 Thoriumbrüter, sichere Grenzen und eine Armee auch mit Vergeltungsschlagfähigkeit sind daher in meinen Augen eigentlich eine Normalforderung für ein Land wie das "Unsere".

Carlos Verastegui

27. April 2018 16:20

Jeder Krieg, auch der kürzeste, wird aus mehr als nur EINEM Grund geführt. Wie viele Gründe kann erst für den Dreissigjährigren Krieg angeben! Unzählige!

Die nationalstaatlich-politische-liberale Interpretation ("Einigung Deutschlands zunichte machen") ist ganz unhaltbar. Wallenstein gegen "selbstsüchtige Fürsten" ausspielen ist auch so ein Anachronismus, so als ob Wallenstein selbst sich keine eigene Hausmacht verschaffen wollte! War Wallenstein, der germanisierte Tscheche, der selbstlose, leider zu früh abgesetzte Geschäftsführer eines national-deutschen Staatsgeists? War der italienischstämmige Graf Thurn, der vom "Prager Fenstersturz", tatsächlich der Wortführer des damaligen Tschechentums? Natürlich spielten schon damals nationale Motive mit herein, sie wurden sogar erst durch den Dreissigjährigen Krieg aus der Taufe gehoben! Aber so etwas "Um ein staatlich geeintes Deutschland zu verhindern, daß ihren eigenen nationalen Ambitionen enge Grenzen gesetzt hätte" ist ein Anachronismus. Richelieu dachte nicht an "Frankreich" im Sinne eines Nationalstaats, genausowenig wie Olivares in Spanien. Absolutismus ist kein Nationalismus, wiewohl später der Nationalismus - der liberale wie der konservative - im 19. Jhdt. als sein Erbe und Fortsetzer auftrat.

"Im Europa des 17. Jahrhunderts setzte sich die neuzeitliche Staatlichkeit unaufhaltsam gegen die letzten Überreste der feudalen Epoche durch" - der Prozess setzte schon im vierzehnten, teilweise sogar im dreizehnten Jahrhundert ein (Friedrich II!) und kam erst im 18./19., und selbst da nicht vollständig, zum Abschluss. Dass erinnert mich daran, wie Historiker dem Ersten Weltkrieg politisch viel zu viel Bedeutung zumessen. Mit dem Dreissigjährigen Krieg wird hier das gleiche gemacht.

Der Dreissigjährige Krieg ist eine Episode der abendländischen Geschichte, er ist sogar sehr typisch abdendländisch, setzt nämlich die zerstörte Einheit des Mittelalters mit ihrem Spannungsreichtum voraus. Dazu gibt es, soweit ich weiss, keine wirklich passende Parallele. Deswegen: Es lohnt nicht, auf die "anderen Dreissigjährigen Kriege" einzugehen, weil solche sämtlich ersponnen und an den Haaren herbeigezogen sind.

Old Linkerhand

27. April 2018 16:52

@Alveradis

Hier die ersten Verse eines Sonett über den Dreißigjährigen Krieg von Andreas Gryphius, welche für sich sprechen:

"Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr den ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret.

Die Türme stehn in Glut, die Kirch’ ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfraun sind geschänd’t, und wo wir hin nur schaun,
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret."

Also von einen "erfolgreichen Modernisierungsprojekt" ist hier nicht die Rede, eher ist diese 350 Jahre alte Anklage eine düstere Zukunftsvision auf die Zeit von 2015 bis heute in Deutschland.

Alveradis

27. April 2018 19:37

Old Linkerhand,

ja, das sehe ich auch so.

Hier noch ein Kinderreim:

Die Schweden sind gekommen
haben alles mitgenommen
Haben´s Fenster eingeschlagen
Haben´s Blei davon getragen
Haben Kugeln daraus gegossen
Und die Bauem erschossen

Ich sehe, grad weil der Reim so einfach ist,aber so viel darin steckt, die Gesichter der Kinder, die diesen Reim sprechen, vor mir. Zeitreise. Vergangenheit und Zukunft .

Als ich vor ein oder zwei Jahren durch Zufall darüber stolperte, dass dieser furchtbare, endlose Krieg heute unter dem Aspekt der Modernisierung unseres Landes regelrecht zu etwas positivem gemacht wird ( kannte ich von Kommunisten bezüglich der "Elektrifizierung" also zum Thema Massenmord in der SU) war ich absolut schockiert.
Durch jüdische Augen gesehen, so las ich auf einer jüdischen Netzseite, brachte er deren Ansiedlung in den Städten, die Kredit brauchten, und nun jüdische Gemeinschaften, wenn auch notgedrungen, in ihren Stadtmauern zuließen. Das ist also die Gründungsgeschichte vieler jüdischer Gemeinden hier bei uns.

Ich sehe so viele Parallelen zu den heutigen Kriegen. Der Terror und die Migrationswaffe wurden aber sicher nie so bewusst, gezielt und wissenschaftlich berechnet eingesetzt wie heute.

Thomas Martini

28. April 2018 18:12

@Der_Juergen

"Meist bin ich mit Ihren Kommentaren einverstanden, aber diesmal hinkt Ihre Beweisführung auf beiden Füssen. Der Reichtum Saudi-Arabiens und der Golfstaaten geht ja nun wirklich nicht auf das Talent und den Fleiss der einheimischen Bevölkerung zurück, sondern auf den märchenhaften Ölreichtum, mit dem sie gesegnet sind. Dank dieses Reichtums konnten sie es sich leisten, europäische und amerikanische Ingenieure und Techniker ins Land zu holen, die ihnen die nötige Infrastruktur aufbauten."

Offenbar liegt hier ein Missverständnis vor. Jedenfalls haben Sie damit die von Poensgen unberücksichtigt gebliebene These über die Herrschaft des Geldes nur noch einmal bestätigt.

"Und dass ein Riesenland wie Saud-Arabien ohne weiteres 30 Millionen oder mehr Einwohner verkraften kann, ist auch keine sensationelle Nachricht. Es heisst aber noch lange nicht, dass sich auch ein bettelarmes Land wie z. B. der Niger (im Schnitt 6,8 Geburten pro Frau) eine entsprechende Bevölkerungsexplosion leisten kann, ohne dass am Ende ein massenhaftes Hungersterben steht. Dafür kann die "westliche Einmischung", die Sie offenbar als Hauptgrund für die Instabilität und das Elend in Afrika betrachten, nun wirklich nichts - es sei denn, man stufe die Einführung der modernen Medizin durch Kolonialherren und Entwicklungshelfer als "Einmischung" ein."

Richtig, ein Land wie Niger, das kaum zu bewirtschaften ist, kann sich ohne sonstigen Reichtum an Rohstoffen keine Bevölkerungsexplosion leisten.

Wie also kommt sie zustande? Doch wohl nur durch die "Gutmenschen" im Westen, die sich für die armen Menschen solcher Länder verantwortlich fühlen, und durch Geld- und Sachspenden, Brunnenbau, kurz gesagt durch "Entwicklungshilfe", dafür sorgen, daß eine solche Bevölkerungsexplosion möglich wird.

Auch hier liegt selbstverständlich eine Einmischung des Westens vor. Die "Überschüssigen" der Dritten Welt züchten sich die Wohlstandsnationen Europas und Nordamerikas selbst heran. Statt für den eigenen Nachwuchs und das Gedeihen der eigenen Völker zu sorgen, fühlt man sich dank jahrzehnterlanger Umvolkungsproganda eher dem hungernden Afrikaner verpflichtet. Hier kommt eine besonders schmerzhafte Folge der Umerziehung zum Tragen: Die Menschen, die in Afrika mit Geld und Opferbereitschaft Gutes tun, erkennen meistens leider nicht, wie sie sich damit den Ast absägen, auf dem sie selber sitzen.

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