Dieser Gesellschaft zu schaden, ist mittlerweile mein einziges Anliegen. Ihr moralischer Verfall ist so weit fortgeschritten, daß das Historische und das Wirtschaftliche zu den neuen Gewändern des Dämonen geworden sind. Sie beruht auf der abstrakten Allgemeingültigkeit einer Lüge – nämlich daß der Mensch gut sei und vollkommen werden könne, so man ihn nur von der Ethnie, der Nation, dem Katholizismus, der weißen Rasse, den europäischen Traditionen, dem Westen selbst erlöst.
Dieser Idealismus ist nicht neu; er ist eine Neuauflage der Aufklärung ohne deren kritische Wucht. Heute herrscht nicht der Geist der Gesetze, der Toleranz, der Ironie, der europäische Geist; es herrscht das Gesetz, dieToleranz, das Gute, die Menschheit – eine Menschheit, die sich zugunsten der individualistischen, narzißtischen, unterwürfigen, kleinbürgerlichen Atomisierung selbst des Menschen entledigt hat.
Ich schreibe hier nicht gegen Einwanderer, Rassen, Ethnien, Ausländer, den Islam usw., ich gehöre keiner Partei an, und ich vergesse nicht, daß ein Mensch ein Mensch ist. Ich will einfach nur den Alptraum benennen, zu dem die Masseneinwanderung geworden ist, für die Einwanderer genauso wie für uns Einheimische. Denn Einwanderung in dieser Dimension ist (egal, wie man sie klassifizieren mag: ob politisch, ökonomisch oder klimatisch motiviert, ob legal oder illegal) nichts als ein Menschenhandel, bei dem mafiöse Interessen sich mit jenen des internationalen Kapitalismus treffen.
Machen wir Schluß mit allen politischen Verrenkungen (sozialistischen, globalistischen, antirassistischen, populistischen, universalistischen, denen der Opfer- und Minderheitendiskurse, die doch allesamt die gleiche Ermattung der Bedeutung von Nation und Identität signalisieren) und sagen wir, was Sache ist: Ich bin Franzose, der Sohn französischer Eltern, französischer Abstammung, und ich habe nie aufgehört, mich als Franzose zu fühlen, egal wo ich war, und das bezeugt, daß es etwas gibt, das früher ein Volk war und nurmehr eine Bevölkerung ist – eine veränderliche Einheit.
Es geht nun alleine noch um die Frage, was aus der Bedeutung der Nation und meiner Identität wird angesichts einer Einwanderung aus außereuropäischen Ländern, die beide in Frage stellt und die sie, zwangsläufig zerstören wird – nicht mit Absicht, sondern weil die Grenzenlosigkeit ihrer Zahl auf jene schreckliche Sinnerschöpfung trifft, die die angestammten Europäer befallen hat.
Wir sind in eine postdemokratische Welt eingetreten, in eine horizontale Welt, die durch die Absage an die Ausrichtung am Vertikalen gekennzeichnet ist. Diese Ermüdung des Sinns ist eine Krankheit des Willens, sie unterscheidet sich von der Bequemlichkeit und geht letztlich auf den Hedonismus zurück, der eine Art allgemeiner Verkindlichung ist. Infantilisierung ist Entpolitisierung, schlimmer: ist Vernichtung der Persönlichkeit, denn die ist keiner von Anfang an, sondern erst im Älterwerden geworden, im nicht mehr Kind-Sein …
– – –
Nachtrag: Diese Nachtgedanken sind gestern Abend aus Versehen bereits veröffentlicht worden, obwohl sie noch nicht vollständig waren. Nun standen sie ohne den Hinweis auf den Verfasser eine lange Nacht lang als meine eigene “Erschöpfung” vor den nächtlichen Lesern. Dank für die Kommentare! Ich selbst bin weder müde, noch muß ich mir je über den “Sinn”, also das “Wofür” länger als ein paar Sekunden Gedanken machen. Ich bin nur ein wenig ratlos, aufs Ganze gesehen, aber das ist ein anderes Thema.
Die “Nachtgedanken (1)” sind jedenfalls zusammengestellt aus dem Essay “Der verlorene Sinn” Richard Millets. Er erschien vor fünf Jahren in unserem Verlag mit anderen Texten unter dem Titel Verlorene Posten und war rasch vergriffen. Wir haben dieses Buch nun sehr sorgfältig überarbeitet und mit einem einleitenden Text von Thorsten Hinz neu aufgelegt. Es kam gestern aus der Druckerei, zusammen mit dem Bericht Töten vom selben Autor.
Verlorene Posten. Schriftsteller, Waldgänger, Partisan – hier einsehen;
Töten. Ein Bericht – hier einsehen.
Peter Niemann
Welch klare und deshalb schoene Worte. Ermuedend ist auch dieses Dauergequassel des modernen Menschen. Ueberall ist irgendjemand am Telefon, laueft ein Fernseher, reden Menschen ueber voellig Banales, wird analysiert und kommentiert. Dieses Dauergequassel trommelt auf uns alle ein und es gibt kein Entrinnen - alles und jedes wird zerredet und am Ende in Platitueden und zerstoerische Analysen gesteckt.
Ist das ein Grund wieso wir alle allmaehlich ermueden und krank werden? Der zunehmende Laerm der Maschinen und menschlichen Stimmen in einer immer dichteren und volleren Welt? Maschinen brummen unentwegt und Stimmen kommentieren alles, auch das Goettliche. Eine Rueckkehr zur Stille und zu Selbstverstaendlichkeiten kann heilend sein, wie gerade auch dass einer ein Deutscher, ein anderer ein Lette ist und dass Heimat geliebt werden kann und sollte.
Stille und Ruhe, ich hoffe sie kehren einst zurueck in eine viel zu stark bewegte Zeit, eine Zeit in der so viele Selbstverstaendlichkeiten auf den Kopf gewendet scheinen.