Cai Werntgen: Heidegger after Duchamp, Berlin: Matthes & Seitz Berlin 2016. 171 S., 15 €
Ein Exerzitium des Denkens, ein Schritt zur Seite, ein Atemholen – so versteht Cai Werntgen seine philosophische Skizze, die unter dem provokanten Titel Heidegger after Duchamperscheinen ist. Der Titel mutet fast abgeschmackt extravagant an: Will sich hier jemand auf Kosten des gigantischen philosophischen Werks Heideggers eine eigene smarte Theorie zurechtzimmern?
Zunächst wäre festzustellen, daß dem Autor – Jahrgang 1967, Lehrbeauftragter für Philosophie und Ästhetik an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe – dieser Vorwurf bewußt ist und daß er ihm mit der nötigen Prise Humor und einer gewissen Selbstrelativierung begegnet. Werntgen hat durchaus das große Ganze der Heideggerschen Philosophie im Blick. Allerdings handelt es sich bei diesem Ganzen um einen schweren, unhandlichen Felsblock, den man sich nicht ohne weiteres auf die Schultern laden kann. Zur Zeit wird dieser Fels gemeinhin einfach umgangen, indem man ihn von vornherein als untragbar, sprich: antisemitisch, seinsfaschistisch, reaktionär … (man kennt die Litanei dieser Anschuldigungen) »entlarvt«.
Es ist Werntgen nicht direkt daran gelegen, die Vorwürfe und Vorurteile gegenüber Heideggers Philosophie zu widerlegen. Stattdessen versucht er, ein Spannungsfeld aufzubauen, das den auf die Schwarzen Löcher fixierten Blick aus seiner Starre lösen und wieder frei und philosophisch beweglich machen könnte. Hierzu rückt er den performativ-gestischen Aspekt des Heideggerschen Werks in den Mittelpunkt. Seine These ist, daß die von Heidegger proklamierte Überwindung der Metaphysik nicht nur im theoretischen Rahmen, sondern vor allem als performativer Selbstvollzug stattgefunden hat. Davon ausgehend, widmet er seine Aufmerksamkeit zentral den Photographien des »Hütten-Shootings«, die 1969 angefertigt wurden und die Werntgen als Ready-made-Installationen im Sinne Marcel Duchamps interpretiert. Was dabei herauskommt, ist ein wirklich kreatives, gut zu lesendes Denk-experiment. Dem Autor macht es geradezu diebischen Spaß, das als schwer, langsam, ja mystisch verschrieene Denken Heideg-gers ins Bad anglizistischer Hightech-Begriffe (Heidegger als »Action-Thinker undercover«, der sich in der philosophischen »Exklusiv-Homestory«des »Hütten-Shootings«produziert) zu tauchen. Das muß einem nicht behagen – innerhalb der stockigen Luft derzeitiger Heideggerrezeption kann man dieses Aufpepp-manöver aber durchaus als
erfrischend empfinden.
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