Noch ein Buch zur Masseneinwanderung? Ist das wirklich nötig? Nun, wenn es einen unkonventionellen Zugang zur Zuwanderungskritik wählt, lautet die Antwort: Ja, das Buch ist nötiger denn je.
Lothar Fritze, promovierter Philosoph und außerplanmäßiger Politikprofessor an der Chemnitzer Universität, hatte in der Vergangenheit schon einige Debatten durchzustehen, in denen ihm unter anderem vorgeworfen wurde, die Spielregeln der bestehenden Moraldiskurse innerhalb der bundesrepublikanischen Geisteswissenschaften zu mißachten, etwa in der Diskussion um die Legitimität des gescheiterten Hitler-Attentats von Georg Elser. Jetzt, angesichts der Grenzöffnungen für Migranten, greift Fritze zur Feder, um dem moralischen Universalismus der Zuwanderungsbefürworter auf die Pelle zu rücken und die Folgen der »Dialektik des guten Willens« zu kritisieren.
Der Autor anerkennt dabei durchaus die moralische Pflicht, Notleidenden zu helfen. Er betont aber zugleich, daß beispielsweise eine Person, die in der Türkei ein Boot besteigt, gemäß Genfer Flüchtlingskonvention kein Flüchtling ist, daß also zuallererst zu klären wäre, wo die für jede staatliche Gemeinschaft nötige Grenze der Hilfspflicht verläuft. Geht man von der Prämisse aus, daß Fragen der Zuwanderung unter universalistischen Gesichtspunkten – etwa: alle Menschen haben ein Interesse an denselben Grundgütern, es gibt kein Recht auf Ungleichbehandlung – zu betrachten sind, müßte man tatsächlich jedem die Migration erlauben und eine entsprechende »Willkommenskultur« affirmieren. Eine solche schrankenlose moralische Haltung stelle jedoch, so Fritze, »die Bestandssicherung des Eigenen zur Disposition«.
Die praktische Konsequenz der herrschenden Willkommenskultur wäre also à la longue die Bereitschaft, »das Eigene […] aufzuopfern«. Opfere man jedoch das Eigene und setze somit seine staatliche Existenz aufs Spiel, zerstöre man im gleichen Zuge auch die eigene (politische, ökonomische etc.) Fähigkeit, anderen zu helfen – damit wäre künftigen Hilfspflichten nicht mehr nachzukommen und ein direkter Weg von der totalen Aufnahmebereitschaft zur totalen Verantwortungslosigkeit beschritten.
Fritze touchiert zudem die Frage des Widerstandsrechts der angestammten Bevölkerung, wenn er hervorhebt, daß niemand die Politik der offenen Grenzen schweigend erdulden müsse. Vielmehr habe die Politik die Pflicht, ein funktionierendes Gemeinwesen zu erhalten, also auch Gutgemeintes zu unterlassen, wenn es in der Destabilisierung oder gar Zerstörung ebenjenes Gemeinwesens münden könnte. Der Totalitarismusforscher sieht hier Parallelen zum kommunistischen Heilsversprechen, wonach menschliches Leiden minimiert werden sollte, indes das Gegenteil erreicht wurde. In der heutigen Gesellschaft werde nun – moralisch begründet – die grenzenlose Menschheitsgesellschaft gefordert. Zugleich aber würden Probleme importiert und jeder mit einer »beispiellosen Aggressivität« attackiert, der sich den »hypermoralischen Reflexen« verweigere.
Schritt für Schritt dekonstruiert Lothar Fritze so die moralphilosophischen Grundlagen der staatlich geförderten Willkommenskultur. Ebenjene Ideologie zu entlarven, sei der entscheidende Schritt, um einen fundamentalen Bewußtseinswandel der Menschen zu erreichen. Fritze ist guter Dinge: Da die herrschende Lage menschengemacht und mindestens teilweise politisch gewollt sei, könne man gegensteuern und – nach dem Bewußtseinswandel durch Aufklärung der Bürger – einen Neuanfang wagen. Eine möglichst weite Verbreitung des vorliegenden Buches wäre für dieses Ansinnen hilfreich.
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