Marcello La Speranza: Brisante Architektur. Hinterlassenschaften der NS-Zeit

Eine Rezension von Claus-M. Wolfschlag

Mar­cel­lo La Spe­ran­za: Bri­san­te Archi­tek­tur. Hin­ter­las­sen­schaf­ten der NS-Zeit: 
Par­tei­bau­ten, Bun­ker, Wei­he­stät­ten, Graz: Ares 2015. 240 S., 29.90 €

Wer ange­sichts des Buch­ti­tels inhalt­li­che Bri­sanz erwar­tet, dürf­te ent­täuscht wer­den. Bri­san­te Archi­tek­tur ist ein weit­ge­hend bra­ves Buch, das den geschichts­po­li­ti­schen Kon­sens allen­falls punk­tu­ell ein wenig ver­läßt, um sei­nem Dar­stel­lungs­ge­gen­stand eine gewis­se Aner­ken­nung zu zol­len. So ist die Publi­ka­ti­on des Wie­ner His­to­ri­kers Mar­cel­lo La Spe­ran­za vor allem als Ein­füh­rung in das The­ma NS-Archi­tek­tur zu ver­ste­hen, gut geeig­net für jene, die bis­lang noch weni­ge Kennt­nis­se von die­sem Aspekt der Kunst­ge­schich­te haben.

Dem dient auch die umfang­rei­che, meist far­bi­ge und anspre­chend gestal­te­te Bebil­de­rung des Buches, die zahl­rei­che Bau­ten der NS-Epo­che sinn­lich vor­stellt. La Spe­ran­za erläu­tert sel­ten, wes­halb er bestimm­te Gebäu­de der NS-Zeit prä­sen­tiert, wäh­rend ande­re kei­ne Erwäh­nung fin­den, bei­spiels­wei­se die Thea­ter in Saar­brü­cken und Des­sau. Der Leser muß die vor­ge­stell­ten Gebäu­de somit als Aus­wahl von typi­schen Bei­spie­len verstehen.

Dar­un­ter fin­det man die gespreng­te Neue Reichs­kanz­lei in Ber­lin und die erhal­te­nen Münch­ner Par­tei­bau­ten. Das »Haus der Deut­schen Kunst« ist eben­so zu sehen wie das Nürn­ber­ger Zep­pel­in­feld oder das Wei­ma­rer Gaufo­rum. Wei­te­re Kapi­tel wid­men sich eini­gen Kult­stät­ten, Indus­trie­bau­ten, Wohn­sied­lun­gen, Kaser­nen, Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern und Ordens­bur­gen. Der Umfang des Kapi­tels über Bun­ker­an­la­gen ist ein Hin­weis dar­auf, daß dies das eigent­li­che Ste­cken­pferd des Autors ist.

Kri­ti­siert der Autor in sei­ner Ein­lei­tung die ste­reo­ty­pen Abwer­tungs­flos­keln, mit denen in vie­len Publi­ka­tio­nen pau­schal die angeb­lich »ein­schüch­tern­de« oder»größenwahnsinnige« NS-Archi­tek­tur belegt wird, so bedient er die­se im spä­te­ren Text teils selbst. So ist von »his­to­risch belas­te­ten« Gebäu­den die Rede, ohne zu fra­gen, wie sich denn sol­che »Last« auf Wän­de, Räu­me und Dach­zie­gel über­tra­gen kann. Oder er behaup­tet, die Wohn­bau­pro­gram­me der NS-Zeit hät­ten auch »gegen­sei­ti­ge sozia­le Kon­trol­le, d.h. Über­wa­chung« gewährleistet.

Inwie­weit das pro­pa­giert wur­de und sich real aus­wirk­te, wird eben­so wenig dar­ge­legt, wie der Fra­ge nach­ge­gan­gen, ob eine gewis­se sozia­le Kon­trol­le nicht inner­halb vie­ler Wohn­bau­pro­jek­te, auch sol­cher mit Bau­haus-Optik, zwangs­läu­fig statt­fin­det. Da sich La Spe­ran­za auf die Dar­stel­lung der unter­schied­li­chen Bau­auf­ga­ben in den zwölf Jah­ren der NS-Herr­schaft beschränkt, dringt er lei­der kaum in die Tie­fe der damit ver­bun­de­nen Fra­ge­stel­lun­gen ein.

Zum einen ord­net er die in jenen Jah­ren belieb­ten Bau­sti­le nicht aus­rei­chend in den inter­na­tio­na­len Kon­text der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts ein. Aus­führ­li­che­re Bild-Ver­glei­che vom ame­ri­ka­ni­schen Neo­klas­si­zis­mus bis zum sta­li­nis­ti­schen Bau­we­sen der Sowjet­uni­on und der frü­hen DDR hät­ten die Fra­ge auf­wer­fen kön­nen, inwie­weit die NS-Bau­ten wirk­lich »gebau­ten Natio­nal­so­zia­lis­mus« verkörperten?

Ähn­lich hilf­reich wäre eine his­to­ri­sche Ein­ord­nung des Hei­mat­schutz­stils gewe­sen, der sich bereits vor, aber auch nach der NS-Zeit gro­ßer Beliebt­heit im Woh­nungs­bau erfreu­en konn­te. Zum ande­ren ver­baut sich La Spe­ran­za mit die­ser Fixie­rung auf zwölf Jah­re die inter­es­san­te Fra­ge, was uns die Erzeug­nis­se die­ser Bauepo­che auch heu­te noch zu sagen haben? Kann uns eine Wie­der­an­knüp­fung an Tei­le die­ser Tra­di­ti­on aus dem Dilem­ma der Moder­ne mit ihren Flach­dach­blocks, Strich­code-Fens­tern, Alu­mi­ni­um-Lamel­len und Sty­ro­por-Dämm­plat­ten befrei­en? Fin­den womög­lich bereits heu­te klei­ne Anknüp­fun­gen statt, wenn man zum Bei­spiel eini­ge Arbei­ten Chris­toph Mäck­lers betrachtet?

Das wären aller­dings Fra­gen für eine tie­fer in die Mate­rie drin­gen­de Publikation.

Bri­san­te Archi­tek­tur. Hin­ter­las­sen­schaf­ten der NS-Zeit von Mar­cel­lo La Spe­ran­za kann man hier bestel­len. 

 

 

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