Natalia Zarska (Hrsg.): »Wir Slawen sind Genies des Leidens«

Eine Rezension von Fritz Keilbar

Nata­lia Zars­ka (Hrsg.): »Wir Sla­wen sind Genies des Lei­dens«. Wojciech Kuni­cki und Ernst Jün­ger: Brie­fe und Tage­bü­cher, Leip­zig: Leip­zi­ger Uni­ver­si­täts­ver­lag 2015.
199 S., 29 €

Der pol­ni­sche Ger­ma­nist Wojciech Kuni­cki (geb. 1955) beginnt sei­ne Beschäf­ti­gung mit Ernst Jün­ger vor dem Ende des Kal­ten Krie­ges unter erschwer­ten Bedin­gun­gen. Am 31. Okto­ber 1985 wen­det sich Kuni­cki erst­mals mit drei Infor­ma­tio­nen an Jün­ger: Ihn inter­es­sie­re vor allem die »Sym­bo­lik der geo­me­tri­schen For­men« in des­sen Werk, er habe gera­de eine Über­set­zung der Mar­mor­klip­pen abge­schlos­sen (die wenig spä­ter auch erscheint) und er kün­digt an, sei­ne Habi­li­ta­ti­ons­schrift über Jün­gers Werk schrei­ben zu wol­len. Unter­stützt wird er dar­in vom deut­schen Ger­ma­nis­ten Karl Kon­rad Pol­heim, bei dem Kuni­cki wäh­rend eines DAAD-Sti­pen­di­ums in Bonn stu­diert hat­te. Er kom­men­tiert das Vor­ha­ben in einem Brief an Jün­ger: »Es ist ja für die Deut­schen beschä­mend, daß ein sol­ches Unter­neh­men aus dem öst­li­chen Aus­land kommt …«

Die Ant­wort über­nimmt zunächst Jün­gers Frau Lise­lot­te, die das Vor­ha­ben begrüßt, aber befürch­tet, daß ange­sichts der poli­ti­schen Ver­hält­nis­se kaum ein gerech­tes Ergeb­nis erzielt wer­den kann. Die­ser Brief hat Kuni­cki aller­dings nie erreicht. Kuni­cki bleibt aber hart­nä­ckig, und in der Fol­ge scheint sich sein Inter­es­se für Jün­ger auch in der dama­li­gen DDRher­um­ge­spro­chen zu haben, sodaß ihn 1986 eine Anfra­ge des Leip­zi­ger His­to­ri­kers Gerald Dies­ner erreicht. Die­sem geht es um eine Rund­funk­an­spra­che Johan­nes R. Bechers aus dem Jah­re 1943, in dem sich die­ser direkt an Jün­ger wen­det mit dem Ziel, die Deut­schen links und rechts des Natio­nal­so­zia­lis­mus gegen die­sen zu mobilisieren.

Dies­ner will von Kuni­cki wis­sen: »War Ernst Jün­ger ein faschis­ti­scher Schrift­stel­ler?« Eine Fra­ge, die Kuni­cki in sei­ner aus­führ­li­chen Ant­wort ver­neint. Wei­te­re Quer­ver­bin­dun­gen ent­ste­hen bald zu dem öster­rei­chi­schen Lyri­ker Karl Lub­o­mir­ski, spä­ter zu Armin Moh­ler und Rolf Schil­ling, womit Kuni­cki immer tie­fer in die Netz­wer­ke um Jün­ger invol­viert ist.

Kuni­cki über­setzt in der Fol­ge wei­te­re Tex­te von Jün­ger, hat aber, aus unter­schied­li­chen Grün­den, immer wie­der Pro­ble­me, die­se zu ver­öf­fent­li­chen. Wis­sen­schaft­lich beschäf­tigt er sich mit den Stahl­ge­wit­tern, die bereits 1934 auf Pol­nisch erschie­nen waren. Ihm geht es um die ver­schie­de­nen Fas­sun­gen, die Jün­ger im Lau­fe der Jah­re ver­öf­fent­licht hat (die Habi­li­ta­ti­ons­schrift dazu erscheint 1993). Ab Okto­ber 1989 ist er als Sti­pen­di­at ein Jahr in Deutsch­land und besucht in die­ser Zeit Jün­ger. Dazu hat Kuni­cki sich Noti­zen gemacht, die in dem vor­lie­gen­den Band eben­falls abge­druckt sind und einen unver­stell­ten Blick auf eine typi­sche Besuchs­si­tua­ti­on bei Jün­ger gewähren.

Das Ver­hält­nis von Jün­ger und Kuni­cki blieb ein­sei­tig. Den Bemü­hun­gen Kuni­ckis um sein Werk stand Jün­ger zwar auf­ge­schlos­sen gegen­über, konn­te an den Über­set­zun­gen aber man­gels Sprech­kennt­nis­sen kei­nen Anteil neh­men. Von Jün­ger ent­hält der Band daher ledig­lich 16 kur­ze Schrei­ben, die nicht beson­ders aus­sa­ge­kräf­tig sind. Die Ver­öf­fent­li­chung recht­fer­tigt sich dadurch, daß man Kuni­cki damit zum 60. Geburts­tag gra­tu­lie­ren und damit sei­ner wich­ti­gen Funk­ti­on als Jün­ger-For­scher Respekt zol­len will. Durch die schö­ne Auf­ma­chung des Buches (unter Ver­wen­dung der Gold­wes­pe, Clep­tes juen­ge­ri) und die zahl­rei­chen Brie­fe Drit­ter, die für die Jün­ger-Rezep­ti­on jen­seits des Eiser­nen Vor­hangs wich­tig sind, ist das auch gelungen.

Nata­lia Zars­kas Wir Sla­wen sind Genies des Lei­dens kann man hier bestellen.

 

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