Marcel Bohnert /Lukas Reitstetter (Hrsg.): Armee im Aufbruch

Eine Rezension von Walter Spatz

Mar­cel Boh­nert /Lukas Reit­stet­ter (Hrsg.): Armee im Auf­bruch. Zur Gedan­ken­welt jun­ger Offi­zie­re in den Kampf­trup­pen der Bun­des­wehr, Ber­lin: Miles 2014. 280 S., 24.80 €

Das Ziel ein­schlä­gig bekann­ter Frank­fur­ter Schü­ler (und angel­säch­si­scher Händ­ler­na­tu­ren) scheint erreicht: ein galop­pie­ren­des Trans- und Post­zeit­al­ter. Her­kunft? Iden­ti­tät? Fehl­an­zei­ge. Kei­ne Deut­schen mehr, nur noch Mensch­heit. Kei­ne Gren­zen mehr, nur noch Glo­bus. Kei­ne Wur­zeln mehr, nur noch Frei­flug. Kei­nen Boden mehr, nur noch Lan­de­plät­ze für Zwi­schen­stopps. Ergo: kei­ne Lan­des­ver­tei­di­gung mehr, son­dern glo­ba­li­sier­te Bündnisverpflichtung.

Für die schö­ne neue Bun­des­re­pu­blik braucht man nun noch eine schö­ne neue 100000-Mann-Armee. Eine, die im Trans- und Post­mo­dus läuft. So wird auch deut­lich, wie aus dem Mot­to »Wir. Die­nen. Deutsch­land« – für hie­si­ge Ver­hält­nis­se gera­de­zu ein Husa­ren­stück – mitt­ler­wei­le ein »Aktiv. Attrak­tiv. Anders« wer­den konn­te. Dies­be­züg­lich sei nur am Ran­de auf die jüngst abge­hal­te­ne Kon­fe­renz »Diver­si­ty & Inclu­si­on in Armed Forces 2015« hin­ge­wie­sen, in deren Rah­men etli­che »von der Ley­en Gelas­se­ne« die Wei­chen für eine »bun­te« Bun­des­wehr stellten.

»Wo aber Gefahr ist, wächst das Ret­ten­de auch.« Es wächst mit­un­ter als Text. So schrie­ben 16 jun­ge Offi­zie­re der Kampf­trup­pen einen Sam­mel­band, in dem sich fünf Schwer­punk­te aus­ma­chen las­sen: Offi­ziers­aus­bil­dung, Kriegs­ein­satz, Mili­tär­ge­schich­te, »aus dem Näh­käst­chen« und Tra­di­ti­on. Gera­de der letz­te Punkt ist inter­es­sant, sol­len sich doch jun­ge Lands­leu­te für die­se Bun­des­re­pu­blik – deren Funk­ti­ons­eli­ten kein Deutsch­land mehr wol­len – bis zum Tode einsetzen.

Richard Paul Unger zum Bei­spiel fragt sich ganz rich­tig, ob Bezie­hung, Kita-Platz, Urlaub, Mobi­li­tät, Dienst­ort, Wei­ter­bil­dung etc. wohl die rich­ti­gen Prä­mis­sen sind, um Sol­da­ten zu wer­ben. So den­ken sich die der­zei­ti­gen Minis­te­ri­el­len jeden­falls eine ange­mes­se­ne Anspra­che an die Jugend. War da nicht noch was? Ach ja: Patrio­tis­mus, Kame­rad­schaft, Tap­fer­keit, Mut, Durch­hal­te­wil­len, Stolz, Korps­geist, Tra­di­ti­ons­pfle­ge – das braucht »das durch­ge­gen­der­te und diver­si­fi­zier­te Sol­da­tix« von mor­gen natür­lich nicht. Der Autor for­dert ange­sichts die­ser Lage wenigs­tens einen Kodex für Offi­zie­re und die Pfle­ge von Kame­rad­schaft und mili­tä­ri­schem Brauchtum.

Drei Tra­di­ti­ons­säu­len dür­fen die deut­schen Streit­kräf­te noch haben: Preu­ßi­sche Hee­res­re­form, Hit­ler-Atten­tä­ter vom 20. Juli und Bun­des­wehr­ge­schich­te ab 1955. Über das gro­tes­ke Aus­maß die­ser Selbst­ver­stüm­me­lung kann man nur lachen. Das Lachen ver­geht den jun­gen Offi­zie­ren, wenn sie sich im All­tag mit poli­tisch kor­rek­ten Vor­ge­setz­ten abmü­hen müs­sen. Umso bedeut­sa­mer, wenn Felix Maxi­mi­li­an Schuck, der 2008 und 2009 in Afgha­ni­stan im Ein­satz war, und Tor­ben Andre­as May­er die groß­ar­ti­gen Leis­tun­gen des Deut­schen Hee­res im Ers­ten Welt­krieg wür­di­gen, zur Über­win­dung des Tra­di­ti­ons­ver­lus­tes auf­ru­fen, die Bun­des­wehr-Pas­si­vi­tät zum Jubi­lä­um »200 Jah­re Befrei­ungs­krie­ge« kri­ti­sie­ren und dem deut­schen Kriegs­schuld-Dog­ma eine Absa­ge erteilen.

So man­chen Essay durch­zieht eine ban­ge machen­de Fra­ge: Wie­so inter­es­sie­ren sich die Deut­schen nicht mehr für ihre Armee? Flo­ri­an Rot­ter hier­zu treff­lich: »Was unter­schei­det uns aber von einem ›NATO-Söld­ner‹? Die Ant­wort kann nur eine sein: Die Ethik und Moral, aus denen her­aus die Loya­li­tät gegen­über unse­rem Volk erwächst.« Eine Füh­rung, die das »bun­te Sol­datx« anstrebt, scheint die Ent­frem­dung in Kauf zu neh­men. Das Volk aber will sei­ne Sol­da­ten und kei­ne Bündnisverpflichteten.

Armee im Auf­bruch von Mar­cel Boh­nert und Lukas Reit­stet­ter kann man hier bestel­len.

 

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