Es gibt politische, ideologische und religiöse Konversionen, die im Wortsinne vollständige Übertritte von einer Weltanschauung in eine andere, stark entgegengesetzte sind. Hans-Dietrich Sander, Günter Maschke oder Reinhold Oberlercher sind drei Beispiele für den fundamentalen politischen Seitenwechsel von links nach rechts. Es gibt aber auch Konversionen, die keine sind, sondern allenfalls Flügelwechsel innerhalb desselben Rahmens. Jan Fleischhauer (Unter Linken, Hamburg 2009) ist das Paradebeispiel für eine solche Scheinkonversion zur besseren Eigenvermarktung. Leider ist Rainer Hank ein weiteres, nur, daß der Leiter der Wirtschaftsredaktion der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung noch nicht einmal »aus Versehen konservativ wurde« (wie Fleischhauer), sondern lediglich »liberal«. Es ist nett zu lesen, wie Hank die Siebziger Revue passieren läßt, und die Beschreibung der damaligen linksradikalen Szene mit all ihren Marotten mag zutreffend sein.
Die von ihm konstatierte longue durée linksalternativer Lebensführung betrifft in wesentlichen Punkten aber auch den zum Marktgläubigen Gewordenen, denn er übersieht – bei Überbetonung der Unterschiede – die essentiellen Gemeinsamkeiten der postmodernen emanzipatorischen Linken mit ihrem liberalen Bruder; es bleibt letztendlich eben doch alles im Rahmen des derzeitigen gesellschaftlichen Grundkonsenses, im Arrivierten, Bequemen. Aus dieser prinzipiellen Verwandtschaft heraus ergibt sich auch das heute so unkomplizierte Oszillieren zwischen links und liberal. Und so ist das, was wie ein Konversionsbuch beworben wird, lediglich der persönliche Bericht einer ökonomischen Akzentverschiebung samt Preisgabe gefühlslinker Naivität. Dem Anspruch, die »Inventur einer politischen Idee« vorzunehmen, wird Hank damit nicht gerecht. Wer sich unbedingt mit einer genuinen (und apodiktischen) Linken beschäftigen möchte, wird für eine Bestandsaufnahme ihrer aktuellen Zustände nicht an Organen wie der Tageszeitung junge Welt und Verlagen wie Promedia (Wien), PapyRossa (Köln) oder Laika (Hamburg) vorbeikommen. Rainer Hanks mit persönlichen Erinnerungen ummantelte Eloge des freien Marktes kann man hingegen getrost links liegen gelassen.
Rainer Hank: Links, wo das Herz schlägt kann man hier bestellen.